Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Kategorie: Gesundheit (Seite 1 von 5)

Gesundheitsthemen mit Bezug auf Sexarbeit

Umgang mit Kondomen

kaufmich hatte gerade „die besten Ausreden, um kein Kondom zu benutzen“ zum Thema gemacht. Ich konnte darüber lachen. Zum Glück habe ich die Diskussion um Kondome nur sehr selten; langsam scheint sich doch herumgesprochen zu haben, dass im Paysex kein Weg daran vorbei führt.

Ich habe in 25 Jahren nur zwei Männer getroffen, bei denen Kondome wirklich schwierig waren. Der eine war ein Kunde von mir, dessen Penis so geformt war, dass das Kondom trotz aller Vorsicht (sowohl von mir als auch von ihm, ihm war das Problem zum Glück sehr bewusst) ständig abgerutscht ist. Der zweite war ein Ex-Freund von mir, der wirklich so groß gebaut war, dass er mit normalen Kondomen Probleme hatte, da sie so sehr eingeschnitten haben.

Ansonsten sehe ich durchaus ein, dass Kondome viele Männer nerven. Andererseits wundert es mich, dass nur wenige Männer sich mal wirklich damit auseinandersetzen. „Kondome nerven, da fühle ich nicht so viel“, ist die Aussage, und damit ist das Thema für viele erledigt. Ich glaube aber, dass es durchaus Sinn machen kann, sich da weiter mit zu beschäftigen.

Es gibt mittlerweile ein großes Angebot an Kondomen. Ich benutze seit einiger Zeit MySize-Kondome, die es in unterschiedlichen Größen gibt. Die wenigsten Männer kennen ihre Größe, und wenn ich die aussuche, liege ich auch mal um eine Größe daneben. Dazu kommt, dass es individuelle Vorlieben gibt. Ich gebe gerne jedem meiner Kunden, der mich danach fragt, eine kleine Auswahl an Kondomen mit, damit er in Ruhe zu Hause ausprobieren kann, was sich am besten anfühlt und am wenigsten stört.

Neben der Größe spielt das Material eine Rolle. Mittlerweile gibt es latexfreie Kondome, für Menschen mit Allergie. Das habe ich noch nicht erlebt, weswegen meine Kondome alle aus Latex sind, da ich das in der Anwendung leichter finde. MySize ist relativ dick, es gibt auch dünnere Kondome, z.B. von Durex. Es macht durchaus Sinn, nicht nur bei der Größe zu probieren, sondern auch einfach mal ein paar verschiedene Marken zu probieren, um herauszufinden was sich am besten anfühlt.

Last but not least: Viele Männer haben nie gelernt, Kondome entspannt überzuziehen. Bei meinen Dates ist das meist meine Aufgabe, die ich souverän meistere. Von erwachsenen Männern erwarte ich eigentlich trotzdem, dass sie das können, ohne ewig rumzuhampeln und ohne dabei die Errektion zu verlieren. Das kann man auch zu Hause in Ruhe üben!

Das Beste, was für mich bei einem Date passieren kann, ist übrigens, wenn der Mann beim Thema Kondome (und Safer Sex generell) mitdenkt. Sehr oft verwende ich Aufmerksamkeit und Energie darauf, im Blick zu haben, dass alles safe ist und er wirklich ein Kondom benutzt und nicht einfach irgendwie ohne rummacht. Das ist für mich stressig und nervig. Wenn ich merke, dass jemand da achtsam ist und das mit im Blick hat und keine Dummheiten macht, kann ich mich bei einem Date deutlich mehr entspannen und fallen lassen – und wir haben beide mehr Spass!

„Low effort high paying“

Zu Weihnachten habe ich die TikTok-App heruntergeladen und verbringe seitdem viel zu viel Zeit damit, durch kurze Videos zu scrollen (schlimmer als Facebook!). Unter anderem schaue ich auch Videos von australischen Sexarbeiterinnen. In einem Video vor ein paar Tagen hat eine dieser Frauen auf folgenden Kommentar geantwortet: „Do you feel like it’s fair that women can do such a low effort high paying job that men work hard grinding jobs to pay for? – Findest du es fair, dass Frauen mit diesem Job mit wenig Aufwand sehr viel Geld verdienen, während Männer harte, aufreibende Jobs machen, um dafür zu bezahlen?“

Wie ich es auch gemacht hätte, hat sie sich in ihrer Antwort darauf konzentriert zu begründen, warum Sexarbeit kein „low effort job“ ist, also nicht wenig Aufwand bedeutet. Ihre Antwort hat mich jedoch schockiert: Sie erzählte von körperlichen Übergriffen und Verletzungen, die sie in den letzten Monaten bei dieser Tätigkeit erlitten hat! Und die waren so ernsthaft, dass ich wahrscheinlich erst mal eine Auszeit gebraucht hätte – während sie das so nebenbei erzählte.

Ich hatte durchaus schon körperliche Probleme durch diese Tätigkeit; das waren jedoch Fälle von Überreizung, bakteriellem Ungleichgewicht, schlechtem Immunsystem etc. Ich bin nie körperlich verletzt worden (im Sinne von Wunden). Aber ja, diese Tätigkeit ist körperlich anstrengend. Ich habe Jahre gebraucht, um meinen Körper so gut kennenzulernen, dass ich Frühwarnzeichen erkenne, wenn etwas aus dem Gleichgewicht kommt, und auch weiss, was ich dann dagegen tun kann.

Viel gravierender noch als die körperlichen Auswirkungen empfinde ich, wie psychisch und emotional anstrengend Sexarbeit sein kann. Das fängt bei der gesellschaftlichen Stellung an: Es erfordert viel Selbstbewusstsein und Selbsterkenntnis, sich nicht von der ständigen Abwertung sowohl durch „die Gesellschaft“ als auch durch Kunden fertigmachen zu lassen. Dazu kommt ein ständiger Kampf um Grenzen, sowohl im Kontakt online und am Telefon als häufig auch im Termin selber.

Der für mich anstrengendste, aber gleichzeitig schönste Aspekt ist die emotionale Arbeit im Termin selber. Ich liebe es, mit meinen Kunden in Kontakt zu gehen, Emotionen zu spiegeln, Bedürfnisse zu erfüllen und Lust zu teilen. Andererseits sind es halt immer die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden, nicht meine eigenen. Das bedarf viel Reflektion und Selbstfürsorge in meiner Freizeit.

Fazit: Sexarbeit wird gut bezahlt, aber es ist auch eine anstrengende Tätigkeit, und kein Job den man nach Dienstplan machen kann. Der hohe Stundensatz muss nicht nur die Kosten abedecken (Raum, Zubehör, Kleidung etc.) und die Vor- und Nachbereitungszeit mit einrechnen, sondern mir auch die Zeit und Möglichkeit geben, Ausgleich zu finden, um körperlich und psychisch gesund zu bleiben. Da hat dann wohl jede Sexarbeiterin einen anderen Stundensatz, mit dem sie zufrieden ist.

Aus Kundensicht würde ich mir Anerkennung für diese Tätigkeit wünschen, und die wird auch durch Geld ausgedrückt. Und letztendlich muss sich jeder Kunde einfach die Frage stellen: Ist es mir das wert oder eher nicht? Und dann einen Termin buchen oder es halt lassen.

Falls jemand auch bei TikTok ist und den Beitrag ansehen möchte, der Username der oben zitierten Sexarbeiterin ist lillithLodgexo .

Der Leuchtfeuer-Teddy

Jetzt im Advent steht mitten in der Wandelhalle des Hamburger Hauptbahnhofs wieder ein Tisch voller kleiner Teddybären. Jedes Jahr sehen sie etwas anders aus und doch immer ähnlich: etwa zehn Zentimeter hoch, mit plüschig-weichem Fell und einer roten Schleife um den Hals.

Auf der Schleife steht „Hamburg Leuchtfeuer“, und unter eine Tatze des Teddys ist eine Aids-Schleife gestickt.

„Hamburg Leuchtfeuer“ ist ein Verein, der in Hamburg ein Hospitz betreibt, in der Trauerbegleitung aktiv ist – und sich um HIV-Infizierte und Aids-Kranke kümmert.

In meinem Leben hält sich die Angst vor Aids in Grenzen. Safer Sex gilt sowieso, auch wegen vieler anderer sexuell übertragbarer Krankheiten. Es gibt Krankheiten, die mir viel weniger kontrollierbar erscheinen, allen voran Krebs, aber auch leichter übertragbare Infektionskrankheiten.

Trotzdem kaufe ich jedes Jahr einen Leuchtfeuer-Teddy, und diese Sammlung hat einen besonderen Platz in meiner Wohnung. Für mich sind sie eine Mahnung, mich nicht zu sicher zu fühlen, und ein Aufruf zu Mitgefühl und Toleranz.

(Re-Post vom 07.12.15)

Sicherheitskonzepte im BDSM

In meinem Profil habe ich stehen: „Safer Sex & SSC“. Safer Sex ist für die meisten klar, aber nach SSC werde ich nur selten gefragt. SSC steht für Safe Sane Consensual – Sicher Vernünftig Einvernehmlich.

SSC ist die höchste Sicherheitsstufe im BDSM. Sie bedeutet im Grunde, dass man jederzeit sichergeht, einvernehmlich zu handeln und nur im Rahmen dessen, was garantiert ohne körperliche und psychische Verletzungen möglich ist.

Eine Stufe darunter ist RACK – Risk Aware Consensual Kink – Risikobewusstes einvernehmliches Spiel. Dabei ist allen Beteiligten bewusst, dass es in dieser Technik keine absolute Sicherheit gibt, sondern dass durchaus die Gefahr von Verletzungen besteht. Diese Gefahr wird weitestmöglich ausgeschlossen und das Restrisiko in Kauf genommen.

Noch eine Stufe darunter ist EDGE – Edgeplay – Grenzspiele. Das sind Spiele für Fortgeschrittene, die ihre körperlichen und psychischen Grenzen austesten wollen und dabei auch ein höheres Risiko von körperlichen Verletzungen oder psychischen Abstürzen in Kauf nehmen.

Und dann gibt es noch DEBRIS… über das ich hier eigentlich nicht reden möchte, denn es geht um das bewusste Verletzen des devoten Parts.

Vor kurzem hat mir mal jemand vorgeworfen, ich würde „keinen Spass machen“, da ich Wert auf solche theoretischen Grundlagen und ethischen Grundsätze lege; das war ihm alles zu wenig „einfach mal Spass haben“. Aber meiner Meinung nach sollte niemand diesen Spass mit Wunden bezahlen.

Im Pay-Bereich halte ich SSC für unerlässlich, da ich die meisten meiner Kunden nicht wirklich kenne und auch nicht so regelmäßig mit ihnen spiele, dass sich ein echtes Vertrauensverhältnis entwickeln kann. In Ausnahmefällen (und privat) bewege ich mich mal im RACK-Bereich. Edgeplay bleibt meinen erotischen Fantasien vorbehalten, dieses Risiko würde ich in der Realität nie eingehen.

Sichergestellt werden diese Rahmen übrigens durch ausgiebige Vor- und Nachgespräche und durch die Verwendung des Ampelsystems und/ oder eines Safeword. Ampelsystem heißt, dass ich zwischendurch nach einer Farbe frage. Bei den Antworten bedeutet „Grün“ = „Alles okay, mach weiter.“, „Gelb“ = „Ist okay, aber nicht mehr.“ und „Rot“ = „Stop, einen Schritt zurück.“. Ein Safeword kann individuell vor dem Spiel vereinbart werden, oder man nutzt das allgemein gültige Safeword „Mayday“. Bei Verwendung des Safewords muss das Spiel sofort abgebrochen werden.

Selbstexperiment Atem

Eines der ersten Dinge, die ich in meiner Tantra-Ausbildung vor vielen Jahren gelernt habe, sind die drei Schlüssel zur Lust: Atem, Stimme und Bewegung. Es ist schwierig bis unmöglich, Lust und Ekstase im Körper wirklich zu spüren und auszuleben, wenn man seinen Gefühlen nicht Ausdruck verleiht – über heftigeres Atmen, über Töne und über Bewegungen.

Im Yoga beschäftigen wir uns sehr viel mit dem Atem. Ich praktiziere schon seit vielen Jahren bestimmte Atemübungen, die die Stimmungen im Laufe des Tages beeinflussen und die Energie anheben. Seit 1,5 Jahren achte ich vermehrt darauf, nicht durch den Mund zu atmen, sondern ausschließlich durch die Nase. In meinen Yogastunden gelingt mir das häufig, aber es kostet viel Konzentration.

In einem Buch habe ich jetzt gelesen, dass man versuchen kann, die Lippen zuzukleben, um die Mundatmung zu unterbinden und so den Körper umzugewöhnen. Das versuche ich jetzt abends wenn ich zu Hause bin und nachts im Bett. Vor ein paar Tagen lag ich also abends im Bett, den Mund mit einem Klebeband verschlossen, und spielte noch auf meinem Tab herum.

Aus einer Laune heraus startete ich einen erotischen Film und griff dabei nach meinem Vibrator. Das ist ein häufiges Einschlaf-Ritual von mir; ein Orgasmus hilft mir meist beim Einschlafen, wenn ich noch unruhig bin. Doch diesmal fiel es mir schwer. Zuerst verstand ich nicht, wieso mein Körper nicht wie gewohnt reagierte. Es ist ja nicht so, dass ich laut stöhne, wenn ich mit mir alleine bin. Und doch sind es viele kleine, fast unbewusste Dinge, die meiner Lust Ausdruck verleihen: ein Zurücknehmen des Kopfes, ein verstärktes Ausatmen, ein Beben der Lippen – alles Dinge, die ich durch das Klebeband unterbunden hatte.

Ich habe es trotzdem zu einem Orgasmus geschafft, und beim nächsten Mal werde ich daran denken, das Klebeband vorher zu entfernen. Für mich war das aber eine total spannende Beobachtung, wie so etwas kleines wie Atem, Stimme, Bewegung, das mit absolut selbstverständlich geworden ist und über das ich schon seit Jahren nicht mehr nachgedacht habe, doch das ganze Lustgeschehen beeinflusst. Eine sinnvolle Erinnerung!

PrEP

Seit dem 9. Januar nehme ich jetzt eine PrEP. Nicht nur einige meiner Kunden und Freunde wundert das, sondern manchmal wundere ich mich auch über mich selbst. Ich habe nämlich eine sehr ambivalente Meinung zur PrEP und habe sie in den letzten Jahren für mich konsequent abgelehnt.

Was ist PrEP? PrEP steht für PräExpositionsProphylaxe und ist ein Medikament, das regelmäßig genommen eine HIV-Infektion verhindert. Es ist seit 2019 in Deutschland zugelassen. Zu Beginn wurde es überwiegend homosexuellen Männern verschrieben, doch mittlerweile gibt es auch immer mehr heterosexuelle Menschen, die sich PrEP verschreiben lassen – als Swinger, Sexarbeiter, oder auch einfach weil sie wechselnde Partner haben und sich damit sicherer fühlen.

Was mich daran stört: Es ist richtig, dass HIV die einzige sexuell übertragbare Krankheit ist, die sich (noch) nicht heilen lässt. Das heißt aber nicht, dass es nicht eine ganze Reihe von anderen sexuell übertragbaren Krankheiten gibt, die trotz guten Behandlungsmöglichkeiten ernsthafte Auswirkungen haben können. Manche Menschen nehmen eine PrEP wirklich nur als zusätzlichen Schutz, aber von vielen habe ich leider die Meinung gehört, dass man ja nicht mehr so genau auf Safer Sex achten muss, wenn man eine PrEP nimmt.

Ich habe in den letzten Monaten gleich von mehreren Ärzten die Aussage gehört, dass Antibiotikaresistenzen gerade im Zusammenhang mit Tripper-Infektionen ein riesiges Problem sind und sich vermehrt stärkere Bakterien entwickeln, die sich nicht mehr problemlos behandeln lassen. Regelmäßige Tests (aller Beteiligten) sind zwar gut, garantieren aber nicht, dass man sich nicht doch etwas einfängt. Vor vielen Jahren hatte ich ein Gepräch mit einem Mann, der einige Jahre lang Pornos gedreht hat. Dort wurden von allen zu Drehbeginn aktuelle Tests vorgelegt; trotzdem hatte er 3-5 Mal im Jahr eine Infektion mit Tripper oder Chlamydien.

Ein weiteres Thema war (und ist) für mich, dass jedes Medikament auch Nebenwirkungen hat. Die Ärztin konnte mich in sofern beruhigen, dass PrEP kein neues Medikament ist (wie ich angenommen hatte) , sondern eine niedrigere Dosierung eines Medikaments, das schon seit über zwanzig Jahren in der HIV-Therapie eingesetzt wird und dort als sehr verträglich gilt. Erfahrungsberichte von PrEP-Anwendern erzählten, dass es in der ersten Zeit zu Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit kommen kann, sich diese Symptome aber schnell legten.

Warum ich jetzt doch eine PrEP nehme: als Zugeständnis an meinen Partner. Unsere Beziehung ist relativ neu, und in vielen Dingen haben wir sehr unterschiedliche Lebenswelten und Ansichten. Vieles ist noch im Prozess, und meine PrEP-Einnahme ist Teil eines Kompromisses. Wie lange ich das machen werde, habe ich noch nicht entschieden.

Ich hatte keine Nebenwirkungen, die sich direkt der PrEP zuordnen ließen. In den letzten Wochen kämpfe ich etwas mit Erschöpfung, aber das kann auch einfach mit dem Winterwetter zusammenhängen oder der Tatsache, dass ich für die Einnahme der PrEP das Johanniskraut absetzen musste, das ich sonst seit einigen Jahren im Winter nehme. Mein Umgang mit Safer Sex ändert sich durch die Einnahme von PrEP nicht!

Sexarbeit und Krankheiten

Vor ein paar Wochen war ich am Freitagnachmittag zu einem Übungstreffen mit ein paar Frauen aus meiner Ausbildung. Samstagmorgen schrieb dann eine der Teilnehmerinnen in der Gruppe, dass sie Corona-positiv sei und deswegen nicht zum Ausbildungswochenende kommen könne. Mein erster Gedanke: „Hoffentlich war ich nicht positiv ohne es zu wissen und habe sie angesteckt!“ Ein ziemlich abwegiger Gedanke, denn ich hatte keinerlei Symptome und auch keine Risikokontakte. Alle Tests an diesem und den folgenden Tagen waren dann auch (wie erwartet) negativ.

Meine Reaktion sagt etwas darüber aus, wie häufig ich in der Sexarbeit mit dem Gesundheitsthema konfrontiert werde – und wie häufig Sexarbeiterinnen pauschal die Schuld zugeschrieben wird. In der Corona-Zeit war das sehr offensichtlich; immer wieder wurden Bordelle als besonders riskante Orte bezeichnet, und Sexarbeit war länger verboten als fast jede andere Tätigkeit.

Früher waren für Sexarbeiterinnen regelmäßige Untersuchungen vorgeschriebenen, und seit 2017 herrscht die Pflicht zur jährlichen „Gesundheitsberatung“. Dabei geht es jedoch meist nicht wirklich um die Gesundheit der Sexarbeiterin, sondern um den Schutz der Kunden – und die Verantwortung dafür wird allein auf die Anbieterin abgewälzt.

Es liegt schon im Eigeninteresse jeder Sexarbeiterin, sich regelmäßig auf sexuell übertragbare Krankheiten testen zu lassen und auch sonst ein gutes Gefühl für den eigenen Körper und Schwächen in der Gesundheit zu entwickeln. Die meisten Sexarbeiterinnen, denen ich begegnet bin, kümmern sich sehr um ihre Gesundheit.

Kunden gegenüber bin ich offen darüber, wie häufig ich mich testen lasse und wie ich sonst mit meiner Gesundheit umgehe. Trotzdem gab es die ein oder andere Situation, in der ich mich von dieser Frage habe triggern lassen – nämlich immer dann, wenn der Fragende die Verantwortung komplett an mich abgab.

Meiner Meinung nach sollte sich jeder erwachsene Mensch, der wechselnde Partner hat (definiert als mehr als drei im Jahr), regelmäßig testen lassen und sich auch sonst mit dem Thema sexuelle Gesundheit beschäftigen. Die Praxis sieht anders aus: Der Großteil meiner Kunden hat sich nie testen lassen (oder eher zufällig bei einer Blutspende – wozu ich eine eigene Meinung habe).

In letzter Zeit wird sogar immer wieder mal von Kunden die Forderung an Sexarbeiterinnen gestellt, dass diese sich eine PrEP (Medikament zur HIV-Prophylaxe) verschreiben lassen – ohne weiteren Gedanken an Risiken und Nebenwirkungen.

Was bedeutet Gesundheit

In den letzten Wochen und Monaten habe ich mir so viel Gedanken über das Thema Gesundheit und Gesundheitsvorsorge gemacht wie wohl nie zuvor in meinem Leben. Viele dieser Gedanken sind noch nicht zu Ende gedacht und Entscheidungen noch nicht getroffen.

Die Corona-Pandemie scheint vorbei zu sein, zumindest wird es wohl keinen weiteren Lockdown geben (und hoffentlich auch keine weiteren Maßnahmen). Ich habe mir Anfang Dezember mit dem angepassten Impfstoff die zweite Booster-Impfung geben lassen. In Supermärkten u.ä. trage ich weiterhin meist eine Maske, und natürlich in öffentlichen Verkehrsmitteln. Trotzdem ertappe ich mich dabei, beim Gedanken an die lange Zugfahrt in meine Heimat zu Weihnachten von der Maske genervt zu sein. Vielleicht ist die Maske eh Heuchelei, den es gibt viel mehr Situationen, in denen ich keine Maske trage und das Risiko mindestens genauso hoch ist.

Im Oktober habe ich mich mal wieder mit dem Thema STI (sexuell übertragbare Krankheiten) beschäftigt, was ja bei meiner Tätigkeit ein Dauerthema ist. Einerseits scheine ich darüber alles zu wissen. Andererseits bleibt das Risiko trotzdem immer präsent und ist nie ganz auszuschließen, und wenn man mit Ärzten spricht, nimmt die Problematik eher zu, z.B. in Form von Antibiotika-resistenzen. Viele Menschen scheinen das Thema immer noch zu leicht zu nehmen, indem sie z.B. glauben gesund zu sein, solange sie keine Symptome haben, statt sich regelmäßig zu testen (wenn sie nicht zölibater oder streng monogam leben).

Letzte Woche war ich bei einer Hausärztin, zum ersten Mal seit fast zehn Jahren. Sie hat dann erst mal alle meine Impfungen aktualisiert und mir auch zu einer Grippe-Impfung geraten. Ob es wirklich hilft gegen die aktuelle Grippe-Welle? Bis jetzt bin ich gesund, während um mich herum die Hälfte der Menschen mit schweren Erkältungen kämpfen. Allerdings merke auch ich den Winter; ich fühle mich längst nicht so fit und aktiv wie noch im September, brauche deutlich mehr Ruhe und Schlaf und reagiere körperlich und psychisch empfindlich auf kleine Störungen.

Was heißt es eigentlich, gesund zu sein? Keine Infektionskrankheiten oder andere klar definierte Krankheiten zu haben? Oder sich fit, aktiv, leistungsfähig zu fühlen? Sich in seinem Körper wohl zu fühlen? Ich habe einige Menschen in meinem Umfeld, die ständig über ihren eigenen Grenzen leben: zu viel Arbeit, zu wenig Schlaf, nicht richtig auskurierte Infektionen etc. Ich zähle mich nicht dazu, aber auch ich mache mal ein Date, obwohl ich gerade wund oder überempfindlich bin, oder unterrichte Yoga mit Muskelkater, Müdigkeit, kleineren Verletzungen. Es ist ein schmaler Grad zwischen „zu viel“ und „zu faul“…

Aufklärung

In meinem letzten Beitrag habe ich mich über die schlechte Gesundheitsberatung bei der GESAH aufgeregt. Im Umgang mit Menschen, für die Sexualität und/ oder Gesundheitsfragen nicht zum beruflichen Alltag gehören, frage ich mich aber öfter mal: wie aufgeklärt sind die meisten Menschen eigentlich, wieviel Wissen haben sie?

Ich erinnere mich, dass ich während meiner Schulzeit irgendwann nur noch genervt war vom Thema Sexualkunde. Alle zwei Jahre stand es auf dem Lehrplan, mit wachsender Intensität, ergänzt durch Ausflüge zu Pro Familia. Doch wenn ich jetzt daran zurückdenke, was ich gelernt habe: biologische Grundlagen über Sex und Schwangerschaft, ziemlich viel über Verhütung, und ein wenig über HIV, wenig über andere STI.

Vor ein paar Jahren habe ich das beeindruckende Buch „Make Love“ von Ann-Marlene Henning gelesen (erschienen 2012). Sie geht sehr viel tiefgängiger und feinfühliger auf verschiedene Bereiche ein, neben der Biologie auch auf Fragen wie sexuelle Identität, Vorlieben, Erleben, Unsicherheiten, Consent, besondere Vorlieben und vieles andere. Ich möchte dieses Buch auch Erwachsenen von ganzem Herzen empfehlen! (Älteren Erwachsenen empfehle ich auch das Buch „Make more love“ über Sex im Alter.)

Ich habe mittlerweile ein ganzes Regal voll mit Büchern über Sex, SM, Beziehungen, Polyamory, Tantra u.a. Man kann es wohl als mein Lebensthema bezeichnen. Dadurch sind manche Dinge für mich selbstverständlich geworden; vor allem Wissen über Anatomie, sexuelle Gesundheit, Erregungskurven und individuelles Empfinden.

Immer wieder stolpere ich jedoch darüber, dass viel von dem Wissen, dass ich als allgemein bekannt voraussetze, das bei vielen Menschen doch nicht ist. Im Internet führen wir wilde Diskussionen über sexuelle Gesundheit, und mit meinen Kunden rede ich immer wieder über individuelle Anatomie und das Training von Empfindungen und Erregung.

Ich würde mir da mehr Interesse wünschen, das über das Konsumieren von Pornos und deren falschen Bildern hinausgeht. Nichts gegen Pornos, aber das ist als würde man Hochleistungssportlern beim Wettkampf zusehen und davon Trainingstipps für sein Fitnesstraining ableiten wollen. Wer nicht gerne liest, dem möchte ich die Seite www.joyclub.de empfehlen; diese betreibt seit einiger Zeit ein sehr interessantes Projekt „Sexeducation“, bei dem verschiedene Trainer Lifestreams (und Aufzeichnungen) zu unterschiedlichen Themen anbieten.

Lecktücher

Schon seit einiges Zeit habe ich bei meiner Ausstattung Lecktücher liegen, wurde jedoch noch nie danach gefragt. Das hat sich jetzt geändert, und ich habe das zum ersten Mal ausprobiert, bei einem Facesitting.

Erster Eindruck: ein mitteldünnes Stück Folie, von der Konsistenz wie ein Kondom. Ich habe meinen Intimbereich dünn mit Gleitgel bestrichen und es dann darübergelegt. Es hielt so einigermaßen, außen habe ich es etwas mit zwei Fingern fixiert. Das Tuch hätte gerne etwas größer sein dürfen, so dass es bis zum Ansatz der Oberschenkel reichte, um wirklich ganz abzudecken und etwas Spiel zum Verrutschen zu haben.

Das Gefühl beim Lecken war für mich erstaunlich angenehm, das Tuch störte mich nicht wirklich. Das Gefühl war fast so intensiv wie ohne. Ob er es (neben dem Gesundheitsaspekt) als positiv oder negativ empfunden hat, mich nicht schmecken zu können, sondern stattdessen den künstlichen Geschmack des Lecktuchs im Mund zu haben, kann ich nicht sagen. Mir geht es ja genauso, wenn ich beim Oralsex Kontome benutze, und da stört es mich mittlerweile kaum noch.

Dadurch dass ich mich dafür verantwortlich fühlte, dass das Tuch nicht verrutschte, war ich etwas abgelenkt und konnte mich nicht so fallen lassen wie sonst. Wenn ich diese Aufgabe an den Mann abgeben könnte, wäre es wohl für mich ein rundum angenehmes Erlebnis – und für beide ein absolut sicheres Vergnügen.

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