Vor ein paar Wochen war ich am Freitagnachmittag zu einem Übungstreffen mit ein paar Frauen aus meiner Ausbildung. Samstagmorgen schrieb dann eine der Teilnehmerinnen in der Gruppe, dass sie Corona-positiv sei und deswegen nicht zum Ausbildungswochenende kommen könne. Mein erster Gedanke: „Hoffentlich war ich nicht positiv ohne es zu wissen und habe sie angesteckt!“ Ein ziemlich abwegiger Gedanke, denn ich hatte keinerlei Symptome und auch keine Risikokontakte. Alle Tests an diesem und den folgenden Tagen waren dann auch (wie erwartet) negativ.

Meine Reaktion sagt etwas darüber aus, wie häufig ich in der Sexarbeit mit dem Gesundheitsthema konfrontiert werde – und wie häufig Sexarbeiterinnen pauschal die Schuld zugeschrieben wird. In der Corona-Zeit war das sehr offensichtlich; immer wieder wurden Bordelle als besonders riskante Orte bezeichnet, und Sexarbeit war länger verboten als fast jede andere Tätigkeit.

Früher waren für Sexarbeiterinnen regelmäßige Untersuchungen vorgeschriebenen, und seit 2017 herrscht die Pflicht zur jährlichen „Gesundheitsberatung“. Dabei geht es jedoch meist nicht wirklich um die Gesundheit der Sexarbeiterin, sondern um den Schutz der Kunden – und die Verantwortung dafür wird allein auf die Anbieterin abgewälzt.

Es liegt schon im Eigeninteresse jeder Sexarbeiterin, sich regelmäßig auf sexuell übertragbare Krankheiten testen zu lassen und auch sonst ein gutes Gefühl für den eigenen Körper und Schwächen in der Gesundheit zu entwickeln. Die meisten Sexarbeiterinnen, denen ich begegnet bin, kümmern sich sehr um ihre Gesundheit.

Kunden gegenüber bin ich offen darüber, wie häufig ich mich testen lasse und wie ich sonst mit meiner Gesundheit umgehe. Trotzdem gab es die ein oder andere Situation, in der ich mich von dieser Frage habe triggern lassen – nämlich immer dann, wenn der Fragende die Verantwortung komplett an mich abgab.

Meiner Meinung nach sollte sich jeder erwachsene Mensch, der wechselnde Partner hat (definiert als mehr als drei im Jahr), regelmäßig testen lassen und sich auch sonst mit dem Thema sexuelle Gesundheit beschäftigen. Die Praxis sieht anders aus: Der Großteil meiner Kunden hat sich nie testen lassen (oder eher zufällig bei einer Blutspende – wozu ich eine eigene Meinung habe).

In letzter Zeit wird sogar immer wieder mal von Kunden die Forderung an Sexarbeiterinnen gestellt, dass diese sich eine PrEP (Medikament zur HIV-Prophylaxe) verschreiben lassen – ohne weiteren Gedanken an Risiken und Nebenwirkungen.