Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Monat: Oktober 2023

Geschichte: Mißgeschick

Das Date war um 12:00, und ich verwandte viel Zeit damit, mich darauf vorzubereiten. Wir kannten uns schon eine Weile und hatten vorher eine Menge Ideen und Fantasien ausgetauscht, so dass ich mich sehr auf diese Session freute.

Der Rock war lang genug, dass er den Spitzenrand meiner halterlosen Strümpfe verbarg. Die Bluse hatte ich nur locker geknotet, so dass der schwarze Spitzen-BH darunter deutlich sichtbar war. Jetzt noch Haare und ein bisschen Make-Up…

Meine Haare waren noch in einem unordentlichen Knoten, und ich legte schnell die Zahnbürste zur Seite, als es um viertel vor an der Tür schellte. Ohne weiter nachzudenken, riss ich die Tür auf – und stand einem jungen Mann gegenüber, den ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte.

„Hej, ich bin der neue Nachbar, ich bin gerade in die Wohnung über dir gezogen. Du hast ein Paket für mich angenommen.“ Verlegen zog ich meine Bluse über der Brust zusammen und lächelte ihn an…

Konzept

Ich kriege immer noch nicht die Kurve, wieder regelmäßig hier zu schreiben. Im Moment bin ich verunsichert, wie es mit meiner Sexarbeit weitergehen soll. In den letzten zwei Jahren habe ich mich sehr darauf verlassen, dass es irgendwie einfach weitergeht. Ich habe überwiegend Stammkunden, mit denen ich eingespielte Dates habe, und treffe nur gelegentlich jemanden Neues.

Meine Homepage habe ich vor einiger Zeit vom Netz genommen, weil ich sie überarbeiten wollte – was ich aber immer noch nicht gemacht habe. Mein Blog hier liefert eine Menge Informationen über mich, diese aber ziemlich unsortiert, teils unwichtig, und nicht in Form eines konkreten Angebots.

Vor ein paar Tagen habe ich auf kaufmich mit jemandem geschrieben, mit dem ich vorher schon mal locker Kontakt hatte, der aber nie bei mir war. Nach einigen Mails kippte der Ton plötzlich und er verhöhnte mich, dass er ja eh nie zu mir kommen würde, da ich „keinen Spass machen würde“. Worum es konkret ging: um meinen Umgang mit Safer Sex und darum, dass ich mich als professionell bezeichne. Es waren nicht mal konkret die Inhalte, die ihm nicht passten, sondern meine Gedanken waren ihm zu tiefgängig und ich ihm insgesamt zu wenig spontan und „spaßig“. Dies hat mich verunsichert und beschäftigt mich noch.

Mir ist bewusst, dass ich schon 70 % aller Interessierten verliere, weil ich keine spontanen Termine mache. Letzten Sonntag hatte ich kurz überlegt, ob ich vielleicht ein oder zwei Tage die Woche für spontane Termine in der Wohnung bleibe. Ich fürchte aber, dass es sich nicht lohnt, sondern ich nur Zeit verschwende (die mir dann an anderer Stelle fehlt).

Ich glaube immer noch, dass es auch für die Ernsthaftigkeit und Tiefe, mit der ich Sexarbeit betreibe, einen Markt gibt. (Und alle meiner Kunden werden wohl bestätigen, dass es trotzdem Spass macht.) Meine Überlegung ist nur, ob mein Konzept und meine Werbung da im Escort-Bereich wirklich richtig ist, oder ob ich den Schwerpunkt mehr in Richtung Tantra/ Sexualtherapie/ Surrogat verschieben sollte. Oder vielleicht macht beides Sinn und ich lasse es noch eine Weile parallel laufen…

Herbst

Am 30. August habe ich hier einen Text darüber geschrieben, dass ich den Herbst mag, als die Jahreszeit wo man noch gut draußen unterwegs sein kann, wo das Wetter aber auch schon dazu einlädt, sich drinnen einzukuscheln.

Gleichzeitig ist der Herbst auch schon ein bisschen Zeit für Jahresrückblick und Zukunftsausblick. Für mich wird 2023 im Rückblick wohl nicht das beste Jahr werden. Ich kämpfe immer noch mit den Nachwirkungen der Corona-Zeit, den daraus resultierenden Veränderungen und dem Gefühl der Unsicherheit und Orientierungslosigkeit. Gleichzeitig hat mich eine Trennung im Frühjahr emotional stark aus der Bahn geworfen, und im Sommer ging es mir nicht nur psychisch, sondern öfter auch körperlich nicht so gut. Nicht dass ich ernsthaft krank war, aber auch nicht so fit wie sonst (und wie ich es bei meinem Lebensstil eigentlich sein sollte).

Vor drei Wochen war ich zu einer Routine-Vorsorgeuntersuchung (Prep-Check) bei meiner Ärztin und habe sie in dem Zusammenhang nach einem Blutbild gefragt, Meine Werte waren nicht berauschend, aber wir haben auch noch keine Ursache dafür finden können, und ich mache mir etwas Gedanken um den Winter, da ich eh zu Winterdepressionen neige. Vor diesem Hintergrund ist mein Schreiben in den letzten zwei Wochen ganz in den Hintergrund getreten, und auch Dates hatte ich nur eine handvoll.

Diese Woche fühle ich mich wieder etwas organisierter, deswegen jetzt hier dieses Update und hoffentlich demnächst wieder regelmäßiger Texte von mir – oder einfach ein Date bei mir, um dem Blues der kalten Jahreszeit zu entfliehen.