Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Monat: Mai 2020

Erinnerungen (Teil 1)

Dies ist eine Kopie, der Text wurde ursprünglich veröffenlicht auf meinem Profil „TraumfrauHH“ bei kaufmich.com.


Mit 23 habe ich zum ersten Mal in einem Bordell gearbeitet. Es war ein kleiner Club, sehr familiär, und ich habe mich dort lange sehr wohl gefühlt. Die Mädchen boten einen fixen Service an, eine Hausdame kümmerte sich um Empfang und Ordnung.

Einer der (wenigen) Kunden, der mir aus dieser Zeit noch in Erinnerung geblieben ist, ist „Hängebacken-Peter“. Er kam 2-3 Mal im Monat und nahm immer das jüngste Mädchen im Team, oder halt die Neue.

Spitznamen, die die Frauen untereinander für Kunden nutzen, klingen häufig gemeiner als sie gemeint sind. Die meisten Männer stellen sich nun mal nur mit einem Vornamen vor, und die meisten Namen tauchen dutzendfach auf. Also suchen wir nach etwas anderem, um Kunden voneinander zu unterscheiden.

„Hängebacken-Peter“ verdankte seinen Spitznamen einer Krebs-OP. Er war von einem Tumor im Gesicht genesen; die OP hatte jedoch eine lange Narbe auf einer Hälfte des Gesichts hinterlassen, die auch seine Sprache etwas verzerrte und ihn in gewissen Situationen zum sabbern neigen ließ.

Er buchte meist von Anfang an 3-4 Stunden und verlängerte dann auch gerne mal. Auf dem Zimmer geschah nicht viel: kuscheln, im Arm liegen, küssen. Trotzdem war er vielen von uns zuwider – wegen der schon erwähnten Neigung zum Sabbern, und auch einfach weil es sich für ein Mädchen um die 20 nicht normal anfühlt, mit einem Mann über 50 zu kuscheln.

Ich erinnere mich, wie ich unauffällig die Uhr im Auge behielt und hoffte, dass die Zeit verging, oder auch wie ich versuchte wegzudämmern und mich in monotone Tagträume flüchtete.

Im Nachhinein betrachtet tut er mir leid, mit seinen so offensichtlichen Makeln und seiner Fixierung auf junge Mädchen. Heute wäre er ein Gast, auf den ich mich freuen würde; jemand, dem ich absichtslose Berührungen, Nähe, Kontakt und Aufmerksamkeit schenken könnte. Mit Anfang 20 fehlte mir dazu leider die nötige Geduld und Toleranz.

Anekdoten

Dies ist eine Kopie, der Text wurde ursprünglich veröffenlicht auf meinem Profil „TraumfrauHH“ bei kaufmich.com.


Im Moment gibt es nicht viel, worüber ich als Anbieterin hier im Blog schreiben könnte. Wir sind schließlich immer noch in der Corona-Zeit, und die Dinge die in meinem Leben geschehen haben nur selten mit Paysex zu tun (abgesehen davon dass ich mir die Zeit nehme mein Profil zu überarbeiten). Kaufmich schlägt vor, dass erotische Geschichten immer gut ankommen. Die schreibe ich meist aber eher dann, wenn ich gerade etwas konkretes erlebt habe.

Ich habe mir gedacht, dass ich einige Geschichten erzählen könnte, die ich in den langen Jahren, die ich jetzt schon in der Sexarbeit tätig bin, erlebt habe. Ein wenig schrecke ich aber davor zurück, und über die Gründe dafür möchte ich hier reden.

Anekdoten sind immer beliebt, über alle Berufe und Tätigkeiten, aber vor allem über Sexarbeit. In vielen Bücher nehmen sie den Hauptteil ein, und auch in Gesprächen werden eher Anekdoten erzählt als über den Alltag mit langweiligen, irgendwie ereignislosen Dates; selbst über schöne, aufregende Dates lässt sich häufig wenig sagen.

Was genau sind Anekdoten? Anekdoten sind lustige Geschichte, die besondere Erlebnisse auf humoristische Art erzählen. Häufig sind diese Erlebnisse irgendwie absurd oder eklig, und häufig wird sich über den Gegenüber lustig gemacht.

Genau das stört mich beim Erzählen von Anekdoten: Jemand kommt zu mir, um einen (vielleicht geheimen, vielleicht lang gehegten) Wunsch in die Tat umzusetzen. Das braucht ein gewisses Vertrauen und Mut. Und dann mache ich mich über diesen Wunsch oder auch einfach über die Art oder das Aussehen dieses Mannes lustig? Das widerspricht für mich der allgemeinen Menschlichkeit und meiner eigenen Integrität, der Art wie ich mit anderen Menschen umgehen möchte. (Was nicht heißt, dass ich perfekt bin und mir sowas nie passiert – aber dann eher im Gespräch mit Freunden und nicht öffentlich im Internet.)

Trotzdem werde ich mich in den nächsten Tagen an ein paar Geschichten versuchen – in der Hoffnung, dabei die Würde aller Beteiligten waren zu können.

Dreamdolls

Dies ist eine Kopie, der Text wurde ursprünglich veröffenlicht auf meinem Profil „TraumfrauHH“ bei kaufmich.com.


Vor kurzem habe ich zum ersten Mal eine Sexpuppe live gesehen. Nicht so eine von den aufblasbaren Gummi-Teilen aus dem Sexshop, sondern eine hochwertige, in einem Puppen-Bordell. Voll-Silikon über einem Stahl-Skelett, alle Details sind ausgearbeitet – im Gesicht und auch an anderen Stellen.

Ich finde, dass sich diese Puppen erstaunlich echt anfühlen und die Gesichter ziemlich real wirken. Bei mir wecken sie den Spieltrieb, so wie als Kind – anziehen, waschen, mit ihnen sprechen… Sex? Irgendwie erotisch sind sie schon…

Um mit so einer Puppe Sex zu haben, muss man sich wohl ziemlich in den eigenen Fantasien verlieren können – so sehr, dass jede Reaktion des Gegenübers eher störend wäre. Oder man nutzt so eine Puppe für den Quicki zwischendurch, wenn man sich nicht auf jemanden anders einstellen und Rücksicht nehmen will.

Jetzt in Corona-Zeiten sind Puppen eine hygienische Alternative. Noch sind reale Dates ja verboten, und werden es wohl auch noch eine Weile bleiben. Da kommt der ein oder andere vielleicht auf die Idee, eine solche Puppe als Alternative zu Selbstbefriedigung und Online-Sex zu nutzen. (Das ist übrigens völlig legal, ein Puppen-Bordell ist nämlich offiziell keine Prostitutionsstätte, sondern eine Vermietung.)

Ignorierliste

Dies ist eine Kopie, der Text wurde ursprünglich veröffenlicht auf meinem Profil „TraumfrauHH“ bei kaufmich.com.


Im Moment haben eine ganze Menge Leute offensichtlich zu viel Zeit und gleichzeitig das (Mit-)Denken völlig eingestellt!

Ich bin eigentlich sehr sparsam, was die Verwendung der Ignorierfunktion angeht, und halte mich auch beim Nachrichtenaustausch für einigermaßen geduldig. Aber in der letzten Woche hat sich die Zahl der Männer auf meiner Ignorierliste verdreifacht, und ähnlich sieht es aus bei der „schwarzen Liste“ in meinem Telefon.

Eigentlich ist es doch ganz einfach: Ich mache ein Angebot für eine Dienstleistung, die man bei mir buchen kannt. Alle nötigen Informationen dazu sind in meinem Profil zu finden, und ich habe auch nichts dagegen wenn man mich anruft oder Nachrichten schreibt, um Fragen zu stellen.

Einzeilige Nachrichten a la „Date jetzt möglich?“ oder Spontan-Anfragen per Date-Manager machen hingegen nicht viel Sinn. Ich erkläre dann gerne, dass ich nicht durchgehend online bin, Termine grundsätzlich nur telefonisch vereinbare und außerdem so gut wie nie spontan verfügbar bin. Ich erkläre, wie ich mir eine Date-Vereinbarung vorstelle – einmal. Wenn dann noch wiederholte Male dieselbe unpassende Art von Anfrage kommt, blockiere ich denjenigen.

Einige sind weiter und rufen mich einfach direkt an – das finde ich toll! Aber wenn die Vorstellung eines Mannes von einem idealen Date nicht zu meinem Angebot passt, brauchen wir da nicht drüber diskutieren. Wenn ermeine Art Sexualität zu leben nicht mag, meine Preise zu hoch erscheinen, er nur spontan kann, usw., dann passt das einfach nicht. Nicht schlimm, es gibt mehrere tausend Frauen in Hamburg die Dates anbieten und man kann einfach nach einer suchen, die besser zu denVorstellungen passt. Ich halte mich nicht für unwiderstehlich und muss demnach mit niemandem darüber diskutieren, dass ich aber doch so sexy bin und warum es nicht nach seinen Vorstellungen laufen kann – das führt nur dazu, dass ich auflege und nicht mehr ans Telefon gehe.

Die dritte Möglichkeit, auf meiner Ignorierliste zu landen, sind jede Art von obszönen Anfragen. Ich stehe nicht auf Dirty Talk, und Nachrichten a la „Bock zu ficken?“, „Ich finde deinen dicken Arsch so geil!“ u.ä. turnen mich so ab, dass ich lieber auf weiteren Kontakt verzichte.

Solche Anfragen habe ich auch sonst immer wieder mal, aber in den letzten Wochen haben sie massiv zugenommen – obwohl doch eigentlich gar keine Termine möglich sind. Das sind wohl all die, die jetzt im Homeoffice sitzen und sich langweilen. Es gibt doch so viel schönere Arten, sich die Zeit zu vertreiben, als fremde Frauen im Internet zu ärgern!

Terminplanung

Dies ist eine Kopie, der Text wurde ursprünglich veröffenlicht auf meinem Profil „TraumfrauHH“ bei kaufmich.com.


Seit drei Wochen arbeite ich jetzt in einem Teilzeit-Job, an drei Tagen die Woche 6 Stunden am Nachmittag/ Abend. Es geht mir sehr gut damit! Ich genieße es total, wie sehr dieser Job Struktur in mein Leben bringt, durch die festen Arbeitszeiten. Die Firma ist neu, ich kann mich toll einbringen, die Arbeit ist spannend – und gleichzeitig gehe ich abends nach Hause und habe dann frei bis zum nächsten Schichtbeginn.

Alle anderen Termine packe ich jetzt natürlich auf die Tage, an denen ich nicht arbeite, und bin so auch an diesen Tagen ziemlich viel unterwegs. Das stellt mich jetzt gedanklich vor ein Problem: Die meisten Männer im Paysex erwarten, dass sie kurzfristig ein Date vereinbaren können. Das wird bei mir in Zukunft wohl nur noch in Ausnahmesituationen funktionieren.

Ich merke auch, dass ich da keinen Nerv mehr drauf habe. Ich habe so viele Dinge im Kopf, wenn ich dann ein Date mache, möchte ich mich da auch drauf einstellen können. Zeit für Vorbereitungen haben, mich beim Aufhübschen in die richtige Stimmung bringen… Nicht so schnell auf Abruf, gehetzt, gedanklich noch halb woanders.

Ob dann Paysex für mich überhaupt noch Sinn macht? Immerhin habe ich genug Stammkunden, die meist ihre Termine rechtzeitig machen. Aber wenn ich an die Diskussionen am Telefon denke, habe ich schon keine Lust mehr, überhaupt abzunehmen wenn ich die Telefonnummer nicht kenne. Wahrscheinlich wird sich das wieder geben, wenn sich die Situation normalisiert hat. Ich werde also einfach abwarten und sehen, wie sich das entwickelt.

Infektionsangst

Dies ist eine Kopie, der Text wurde ursprünglich veröffenlicht auf meinem Profil „TraumfrauHH“ bei kaufmich.com.


Nun herrscht also Maskenpflicht in Geschäften und im ÖPNV. Ich bin nach den ersten Versuchen mit einer Stoff-Maske auf einen dünnen Schal umgestiegen, da ich sonst das Gefühl habe, nicht genug Luft zu bekommen. Ob das wirklich vor irgendwas schützt, wage ich zu bezweifeln…

Spannend bis erschreckend finde ich es, wie viele Menschen sich von der Angst vor einer Covid19-Infektion anstecken lassen – aber sonst eher entspannt mit Infektionsgefahr umgehen. Viren und Bakterien gab es schon vorher reichlich, und trotzdem war es eher die Ausnahme, dass sich jemand Gedanken um Handhygiene gemacht hat.

Wenn im Paysex über Infektionene geredet wird, geht es meist nicht um Grippe & Co, sondern um Geschlechtskrankheiten. Kondome schützen, klar – wenn man vernünftig damit umgeht. Es ist mir im Laufe der Jahre nur eine handvoll Male passiert, dass ein Kondom verrutscht oder geplatzt ist. Trotzdem halte ich mich für eine Risikogruppe – wegen der mangelnden Handhygiene vieler Männer.

Ich weiß, dass Hygiene nicht sexy ist. Ich habe meine Abläufe perfektoniert und kann mir sehr schnell zwischendurch mal die Hände desinfizieren, Fingerlinge oder Handschuhe überziehen, mit einem Tuch überwischen… Die meisten Menschen, die nicht im Paysex arbeiten, machen sich darüber wohl nie Gedanken. Viele Bakterien lassen sich auch durch Schmierinfektionen übertragen – erst im Intimbereich des anderen rumgefummelt (sich dabei womöglich feuchte Finger geholt) und dann mal eben in den eigenen Intimbereich gegriffen – kann bei schwachem Immunsystem schon reichen.

Es liegt mir fern, Panik verbreiten zu wollen (wäre wohl auch ziemlich geschäftsschädigend), aber ich würde mir da mehr Aufmerksamkeit für wünschen. Wir merken jetzt bei den Corona-Auflagen, wie schnell bestimmte Maßnahmen zur Gewohnheit werden können und dann auch gar nicht mehr so sehr stören. Ansonsten bleibt mir nur, mich weiter um mein Immunsystem zu kümmern; das ist nämlich dazu da, den weitaus besten Schutz vor Infektionen zu bieten.