Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Kategorie: Sexarbeiter-Welt (Seite 1 von 7)

Gedanken zum Thema Sexarbeit in Gesesllschaft und Politik

Blutige Missgeschicke

Immer wieder werden Sexarbeiterinnen gefragt, was sie eigentlich machen, wenn sie ihre Tage bekommen. Die wenigsten machen dafür einige Tage frei, sondern meist versuchen wir, das mit einem kleinen Tampon oder Schwämmchen, das möglichst weit nach hinten geschoben wird, zu verbergen.

Es ist nicht ideal, und manchmal gibt es doch leichte Spuren, vor allem wenn es etwas heftiger zur Sache geht. Deswegen versuche ich mittlerweile meist, 1-2 Tage frei zu machen. Da ich jedoch nicht mehr hormonell verhüte, ist meine Periode nicht zuverlässig und nicht immer vorhersehbar.

Letzte Woche ist es mir mal wieder passiert, dass ich meine Periode zwei Tage eher bekommen habe als erwartet, und leider auch so heftig, dass das Schwämmchen nicht richtig dicht gehalten hat. Mein Kunde hat es mit Humor genommen (danke dafür).

Früher habe ich gedacht, irgendwann hätte ich das absolut im Griff und es würde mir nicht mehr passieren. Aber es passiert mit auch nach zwanzig Jahren noch. Zum Glück sehen die meisten meiner Kunden es locker. In der ganzen Zeit ist es mir nur ein einziges Mal passiert, dass ein Kunde deswegen den Termin abgebrochen hat.

„Low effort high paying“

Zu Weihnachten habe ich die TikTok-App heruntergeladen und verbringe seitdem viel zu viel Zeit damit, durch kurze Videos zu scrollen (schlimmer als Facebook!). Unter anderem schaue ich auch Videos von australischen Sexarbeiterinnen. In einem Video vor ein paar Tagen hat eine dieser Frauen auf folgenden Kommentar geantwortet: „Do you feel like it’s fair that women can do such a low effort high paying job that men work hard grinding jobs to pay for? – Findest du es fair, dass Frauen mit diesem Job mit wenig Aufwand sehr viel Geld verdienen, während Männer harte, aufreibende Jobs machen, um dafür zu bezahlen?“

Wie ich es auch gemacht hätte, hat sie sich in ihrer Antwort darauf konzentriert zu begründen, warum Sexarbeit kein „low effort job“ ist, also nicht wenig Aufwand bedeutet. Ihre Antwort hat mich jedoch schockiert: Sie erzählte von körperlichen Übergriffen und Verletzungen, die sie in den letzten Monaten bei dieser Tätigkeit erlitten hat! Und die waren so ernsthaft, dass ich wahrscheinlich erst mal eine Auszeit gebraucht hätte – während sie das so nebenbei erzählte.

Ich hatte durchaus schon körperliche Probleme durch diese Tätigkeit; das waren jedoch Fälle von Überreizung, bakteriellem Ungleichgewicht, schlechtem Immunsystem etc. Ich bin nie körperlich verletzt worden (im Sinne von Wunden). Aber ja, diese Tätigkeit ist körperlich anstrengend. Ich habe Jahre gebraucht, um meinen Körper so gut kennenzulernen, dass ich Frühwarnzeichen erkenne, wenn etwas aus dem Gleichgewicht kommt, und auch weiss, was ich dann dagegen tun kann.

Viel gravierender noch als die körperlichen Auswirkungen empfinde ich, wie psychisch und emotional anstrengend Sexarbeit sein kann. Das fängt bei der gesellschaftlichen Stellung an: Es erfordert viel Selbstbewusstsein und Selbsterkenntnis, sich nicht von der ständigen Abwertung sowohl durch „die Gesellschaft“ als auch durch Kunden fertigmachen zu lassen. Dazu kommt ein ständiger Kampf um Grenzen, sowohl im Kontakt online und am Telefon als häufig auch im Termin selber.

Der für mich anstrengendste, aber gleichzeitig schönste Aspekt ist die emotionale Arbeit im Termin selber. Ich liebe es, mit meinen Kunden in Kontakt zu gehen, Emotionen zu spiegeln, Bedürfnisse zu erfüllen und Lust zu teilen. Andererseits sind es halt immer die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden, nicht meine eigenen. Das bedarf viel Reflektion und Selbstfürsorge in meiner Freizeit.

Fazit: Sexarbeit wird gut bezahlt, aber es ist auch eine anstrengende Tätigkeit, und kein Job den man nach Dienstplan machen kann. Der hohe Stundensatz muss nicht nur die Kosten abedecken (Raum, Zubehör, Kleidung etc.) und die Vor- und Nachbereitungszeit mit einrechnen, sondern mir auch die Zeit und Möglichkeit geben, Ausgleich zu finden, um körperlich und psychisch gesund zu bleiben. Da hat dann wohl jede Sexarbeiterin einen anderen Stundensatz, mit dem sie zufrieden ist.

Aus Kundensicht würde ich mir Anerkennung für diese Tätigkeit wünschen, und die wird auch durch Geld ausgedrückt. Und letztendlich muss sich jeder Kunde einfach die Frage stellen: Ist es mir das wert oder eher nicht? Und dann einen Termin buchen oder es halt lassen.

Falls jemand auch bei TikTok ist und den Beitrag ansehen möchte, der Username der oben zitierten Sexarbeiterin ist lillithLodgexo .

Same Procedure As Every Year

Heute war ich mal wieder zu dem jährlich vorgeschriebenen Gesundheitsberatungsgespräch laut Prostitutionsschutzgesetz. Es lief wie in den letzten Jahren, neuerdings mit offener Sprechstunde. Zehn Minuten Wartezeit (in der völlig leeren Behörde), dann ein ganz kurzes Gespräch (Smalltalk, „Hast du Fragen mitgebracht? – Nein.“, „Willst du Kondome mitnehmen? – Nein.“), dann wurde die Bescheinigung ausgedruckt, und nach vier Minuten war ich wieder raus.

Dieses Jahr habe ich mich erstmals bei dem Gedanken erwischt, ob ich das wirklich brauche und machen soll. Ich bin seit drei Jahren nicht mehr nach der Bescheinigung gefragt worden, und so wie ich arbeite ist das Risiko einer Kontrolle Null. Der einzige Grund, das noch fortzusetzen, ist dass ich halt eh im System bin, dann kann ich es auch weiterhin ordnungsgemäß machen.

Ab und zu werde ich mal von meinem Umfeld gefragt, ob ich Angst vor dem Nordischen Modell habe, das gerade propagiert wird. Ich habe da nur halb ein Auge drauf, hoffe natürlich wie fast alle anderen Sexarbeiterinnen dass es nicht kommt – aber mache mir da auch keine übermäßigen Sorgen drüber. Sexarbeit gab es immer und wird es immer geben, gesellschaftlich war sie nie richtig anerkennt, und die juristischen Feinheiten spielen im Alltag nur eine untergeordnete Rolle.

Monetarisieren

In letzter Zeit bekomme ich immer wieder Nachrichten von kaufmich, dass ich mein Profil „monetarisieren“ solle – und bin reichlich irritiert davon. Meist ignoriere ich diese Nachrichten einfach, aber ich frage mich schon, wo das die Plattform in nächster Zeit hinführen wird.

Angefangen hat es im Lockdown, als viele Anbieterinnen versucht haben, sich durch den Verkauf von Bildern und Videos über Wasser zu halten. Dafür bot und bietet kaufmich keine Möglichkeiten, das musste immer über andere Wege abgewickelt werden. Die von kaufmich eingeführte Bezahlmöglichkeit erscheint mir wenig attraktiv, weder für Anbieterinnen noch für Kunden.

Schon seit einer ganzen Weile hat kaufmich einzelne Funktionen beschränkt. Bei der Nachrichten-Funktion war das schon immer so, und seit einigen Jahren ist auch die Telefonnummer nicht mehr sofort sichtbar, sondern muss separat angezeigt werden. Ich habe bisher nie ganz durchschauen können, was wovon abhängig war – Kunden konnten nur begrenzt Nachrichten schreiben ohne Premium-Mitgliedschaft, oder die Nummer wurde nicht angezeigt, wenn ich keine Premium-Mitgliedschaft habe, oder was auch immer.

Jetzt bietet kaufmich die Möglichkeit, dass ich meine Nachrichten-Funktion und die Anzeige der Telefonnummer sperre und diese nur gegen einen „Tipp (Trinkgeld)“ sichtbar sind – angeblich würde mir das Zeit sparen, da so nur Kunden meine Kontaktdaten kriegen, die ernsthaft an einem Termin interessiert sind. Ich halte das für totalen Quatsch! Ja, ich kriege auch mal Nachrichten oder Anrufe, die eigentlich keine Antwort wert sind – aber in so geringer Zahl, dass der Zeitaufwand minimal ist. Ansonsten finde ich es ziemlich normal, dass nicht aus jeder Anfrage auch ein Termin wird; manchmal passt es einfach nicht, inhaltlich oder zeitlich, und das sagt nichts über die Ernsthaftigkeit der Anfrage aus.

Kaufmich ist für mich eine Werbeplattform, in den letzten Jahren die einzige, die für mich einigermaßen funktioniert. Als Dienstleisterin muss ich auf mich aufmerksam machen, und es gehört meiner Meinung nach zu meinem Job, Fragen zu beantworten und auch einfach mal ein kurzes Gespräch zu führen, damit jemand einen ersten Eindruck von mir bekommt und danach seine Entscheidung treffen kann. Jeder Konakt vor dem Termin hilft Vertrauen aufzubauen, sowohl für mich als auch für den Kunden, und ist daher in meinen Augen unverzichtbar. Ich würde meine Termine nicht über ein Online-Formular (wie den Date-Manager) machen wollen.

Als nächster Schritt sollen jetzt bestimmte Bilder nicht mehr für alle sichtbar sein, sondern auch nur noch gegen Extra-Zahlung. Auch das halte ich für Quatsch! Bilder sind ein wichtiger Teil der Werbung, und wenn ich mit meinen Bildern Geld verdienen möchte, gibt es dafür bessere Plattformen als kaufmich. Ich verstehe nicht so richtig, wo diese Zerfaserung von Profilen hinführen soll – diese Extra-Zahlungen verärgern in meinen Augen die Kunden so sehr, dass sie den minimalen Extra-Verdienst nicht wert sind.

Traumjob

Letztes Wochenende hatte ich viele Dates (für meine Verhältnisse), und es hat mir sehr gut die schönen Seiten meiner Arbeit gezeigt. Eine Kollegin sagte mal: „Wir können uns halt jeden Tag sexy fühlen und aufregenden Sex erleben.“ Mich hat gerade die Vielfalt meiner Dates begeistert:

Erst ein vielseitiges Bizzar-Date mit Tease&Denial, NS, Facesitting. Dann Pause, in der ich in Ruhe die Bondage-Session am Abend vorbereiten konnte. Am nächsten Tag mittags eine Fisting-Session, und abends in erotisches Date mit viel Nähe, klassischer Girlfriend-Sex, mit einem schon vertrauten Kunden.

Im Moment bin ich mal wieder viel online unterwegs und tauche dort auch ein wenig ein in die Hamburger Party- und Swinger-Szene. Dort suche viele Menschen (mehr oder weniger erfolgreich) nach aufregenden Erlebnissen, nach dem Ausbruch aus dem Alltag, nach neuen Erfahrungen. Für mich sind aufregende Erlebnisse Teil meines Alltags!

Privat bin ich daher zwar immer wieder neugierig, aber nur sehr selten wirklich auf der Suche. Ich mag es, wenn Neues sich einfach so ergibt, und suche nicht zwanghaft danach. Und wenn ich eine Weile lang einfach meinen Alltag lebe, ist das auch okay – ich finde ihn aufregend genug.

Positionierung

In den letzten Jahren verlasse ich mich für meine Werbung ausschließlich auf kaufmich. Das klappt gut, aber manchmal mache ich mir etwas Sorgen darüber, dass es nicht gut ist, so auf eine einzige Seite angewiesen zu sein (zumal ich mit kaufmich schon häufiger Probleme hatte). Das Problem ist, dass ich bis jetzt keine weiteren Seiten gefunden haben, die mir die Möglichkeit geben, mich differenziert genug darzustellen.

Früher habe ich noch bei modelle-hamburg und sexnord Anzeigen gehabt. Beides war ziemlich kostspielig und mehr auf Frauen ausgelegt, die in Appartements o.ä. arbeiten, also regelmäßig und vor allem spontan verfügbar sind. Da ich das nicht mehr bin, fühle ich mich da nicht mehr richtig aufgehoben.

Die letzten Wochen habe ich es bei markt und quoka mit Anzeigen versucht. Beides ist mir empfohlen worden, und da es kostenlos ist, war es einen Versuch wert. Gelohnt hat es sich nicht. Mein Telefon schellte zwar, aber vor allem auch nachts, mit spontanen Anfragen, und mit vielen Anfragen die sehr deutlich machten, dass niemand die Anzeige gelesen hatte. Verdirbt mir nur die Laune und ist Zeitverschwendung.

Jetzt überlege ich, wieder vermehrt für Massagen zu inserieren. Das kann aber auch zu Verwirrung führen, zumal ich dann die Preise wohl wieder differenzieren müsste…

Herje, eindeutig nicht mein Lieblingsthema! Aber eins, mit dem sich jeder Selbständige (egal welcher Branche) immer wieder auseinandersetzen muss, und zu dem es mittlerweile auch eine ganze Reihe von Coaches und Kursen gibt.

„Es läuft nix!“

Vor ein paar Tagen hat der BesD (Berufsverband Sexarbeit) einen Online-Workshop veranstaltet zum Thema: „Es läuft nix! Der veränderte Markt in der Sexarbeit und wie man trotzdem Geld verdient“ Ich hatte leider keine Zeit, daran teilzunehmen, aber es hat mich etwas nachdenklich gemacht, dass da ein offzielles Thema draus gemacht wird.

Bei mir liefen die ersten Monate dieses Jahres auch nicht so gut, aber ich hatte daraus nicht auf eine allgemeine Situation geschlossen. Ich habe ja im März meine Preise erhöht (mit Ankündigung mehrere Wochen vorher). Das führte dazu, dass der Februar besser lief als in den Jahren zuvor (Februar ist sonst ein sehr ruhiger Monat), dafür der März aber fast gar nicht. Im April hat sich das wieder gefangen und meine Umsätze sind relativ stabil – im Rahmen der üblichen Schwankungen, wenn man selbständig ist, und etwas mehr ginge auf jeden Fall noch.

Hinzu kommt, dass ich in den letzten Monaten eine Fortbildung fortgesetzt und abgeschlossen habe, die ich 2021 wegen Corona abbrechen musste, und auch in meinem Privatleben einiges in Veränderung war. Ich habe es häufig in solchen Phasen, wenn ich gefühlt gar nicht so viel Energie und Begeisterung für Dates habe, dass die Umsätze zurückgehen. Ich gebe einfach zu wenig Energie hinein, und das kommt bei meinen Kunden an – das mag esoterisch klingen, aber so erlebe ich es. Am 24. Juni hatte ich die Abschlussprüfung der Fortbildung, und danach hatte ich eine intensive Dating-Woche.

Aus meinem Umfeld höre ich im Moment vermehrt Klagen über die Unzuverlässigkeit von Sexarbeiterinnen. Schon mehrere Kunden haben mir berichtet, dass von fünf Anfragen nach Dates nur noch eins wirklich stattfindet; viele Nachrichten bleiben unbeantwortet oder Dates werden kurzfristig unter einem Vorwand abgesagt. Ich freue mich ja immer über Termine mit mehr Vorlauf, aber viele Anbieterinnen scheinen damit überfordert zu sein (was für ein Klischee). Auch die Preisspanne geht immer weiter auseinander.

Es bleibt also spannend, wie sich „das älteste Gewerbe der Welt“ in der nächsten Zeit weiter entwickeln wird. Ich sehe das relativ entspannt; zu einem Großteil treffe ich Stammkunden, und sehe Sexarbeit für mich zwar noch als einen wichtigen Teil, aber nicht mehr unbedingt als meine Zukunft. Es ist mehr und mehr Zeit für etwas Neues, und es bleibt spannend!

Frage nach Tabus

Vor ein paar Tagen entstand mit einigen Kolleginnen eine Diskussion darüber, wie man am besten mit der Frage nach Tabus umgeht. Immer wieder mal bekomme ich Nachrichten, die wenig Informationen enthalten, aber dafür die Frage: „Was sind denn so deine Tabus?“

Für einige Menschen in der Paysex-Szene ist „tabulos“ ein Code dafür, dass Kontakt ohne Kondome angeboten wird. Da macht die Frage nach meinen Tabus aber meiner Meinung nach keinen Sinn, sondern es wird eher gefragt: „Bist du denn auch tabulos?“ Wie auch immer, das ist meist meine erste und einzige Antwort auf diese Frage: „Meine Tabus sind alles, was nicht safe ist.“ Das ist für mich ein weites Feld, denn unter safe fällt für mich nicht nur Safer Sex, sondern auch ein verantwortungsvoller Umgang mit SM-Techniken und der Verzicht auf jede Form von Drogen.

Jede Frau hat Tabus, also Dinge, die sie so gar nicht mag. Manchmal können das ganz unerwartete Dinge sein; mich z.B. turnt Dirty Talk total ab. Häufig werden da Dinge wie Analverkehr genannt, oder verschiedene Formen von Spermaspielen, oder die klassischen Paysex-Tabus Küssen und Fingern.

Ich habe viele Dinge, die ich nicht als Tabus bezeichnen würde, sondern eher als das Gegenteil von Vorlieben. Z.B. kann ich nicht viel mit LackLederLatex anfangen, oder Rollenspielen. Ich habe da mal kurz mit experimentiert, aber es gibt mir nichts, und selbst wenn ich einem Kunden damit einen Gefallen tun will, kommt es nicht überzeugend rüber. Es sind keine echten Tabus, aber der Kunde ist einfach bei einer anderen Kollegin besser aufgehoben, die solche Spiele mit Überzeugung und Begeisterung spielen kann.

Was mich am meisten an der eingangs erwähnten Frage nach Tabus irritiert, ist, dass sie so ziellos ist. Wenn ich davon ausgehe, dass da nicht indirekt nach AO-Sex gefragt wird, sondern jemand wirklich meine Tabus wissen will, dann fange ich jetzt an, beliebig Tabus und Abneigungen aufzuzählen. Wahrscheinlich wird die Liste nie vollständig sein, und vieles auf der Liste wird den Kunden eh nicht interessieren.

In meinen Augen macht es also viel mehr Sinn, mir von Vorstellungen und Fantasien zu erzählen, und ich kann dann sagen, ob ich das umsetzen kann oder nicht. Es macht Sinn, nach einer bestimmten Sache zu fragen, die einem als Kunde besonders wichtig ist (gerade wenn man die Erfahrung gemacht hat, dass diese Sache für manche Sexarbeiterinnen ein Tabu ist). Werde konkret bei einer Anfrage, erzähle was dich an meinem Profil anspricht und was du mit mir erleben möchtest – das führt viel eher zum Erfolg, als dich an meinen willkürlich genannten Vorlieben und Abneigungen zu orientieren. Diese sind ein erster Anhaltspunkt, sagen aber nach meiner Erfahrung wenig darüber aus, ob wir im Spiel auf einer Wellenlänge liegen werden oder nicht.

Internationaler Hurentag

Am 2. Juni ist der Internationale Hurentag. Ehrlich gesagt hab ich das nur durch Zufall mitbekommen, über eine Kollegin, die sich beim BesD engagiert. Mittlerweile gibt es ja gefühlt für fast alles einen Tag… Trotzdem fand ich es spannend, mal zu googeln, wie der Internationale Hurentag entstanden ist. Hier die Ergebnisse meiner Recherche:

Der Internationale Hurentag wird immer am 2. Juni begangen (in Deutschland seit 1989) und soll an die Diskriminierung und Ausbeutung von Sexarbeiterinnen erinnern. Ausgangspunkt für diesen Tag war der 2. Juni 1975; an diesemTag besetzten 100 Prostituierte die Kirche Saint-Nizier in Lyon (Frankreich).

Anfang der 1970er setzten französische Strafverfolgungsbehören Prostituierte in Frankreich zunehmend unter Druck. Die polizeilichen Repressalien zwangen die Frauen, zunehmend im Verborgenen zu arbeiten. Dadurch entfiel deren Schutz durch die Öffentlichkeit und dies führte zu vermehrten Gewalttaten gegen sie. nach zwei Morden und der fehlenden Bereitschaft der Regierung, die Situation der Prostituierten zu verbessern, besetzten Sexarbeiterinnen in Lyon schließlich eine der örtlichen Krichen – Saint-Nizier in der Rue de Brest – und traten in den Streik. Nach acht Tagen wurde die Kirche durch die Polizei geräumt. Das Ereignis wird als Ausgangspunkt der Hurenbewegung angesehen. (Quelle: Wikipedia)

1975 ist ziemlich lange her, aber die Situation von Sexarbeiterinnen hat sich leider seitdem nicht verbessert, eher im Gegenteil. In Frankreich ist Prostitution mittlerweile komplett verboten und findet nur im Verborgenen statt. Auch Sexarbeiterinnen in Deutschland (das lange Zeit als sehr liberal galt) geraten zunehmend unter Druck, zuletzt durch die Einführung des Prostitutionsschutzgesetzes 2017, die sehr repressiven Corona-Maßnahmen die Sexarbeit betreffend und der Propagierung des Nordischen Modells durch Abolitionistinnen.

Ein Hurentag macht also durchaus Sinn, um auf diese Probleme aufmerksam zu machen und sie in die gesellschaftliche Diskussion zu bringen. Danke an die Kolleginnen vom Berufsverband Sexarbeit für ihren Einsatz!

Sexarbeit und Krankheiten

Vor ein paar Wochen war ich am Freitagnachmittag zu einem Übungstreffen mit ein paar Frauen aus meiner Ausbildung. Samstagmorgen schrieb dann eine der Teilnehmerinnen in der Gruppe, dass sie Corona-positiv sei und deswegen nicht zum Ausbildungswochenende kommen könne. Mein erster Gedanke: „Hoffentlich war ich nicht positiv ohne es zu wissen und habe sie angesteckt!“ Ein ziemlich abwegiger Gedanke, denn ich hatte keinerlei Symptome und auch keine Risikokontakte. Alle Tests an diesem und den folgenden Tagen waren dann auch (wie erwartet) negativ.

Meine Reaktion sagt etwas darüber aus, wie häufig ich in der Sexarbeit mit dem Gesundheitsthema konfrontiert werde – und wie häufig Sexarbeiterinnen pauschal die Schuld zugeschrieben wird. In der Corona-Zeit war das sehr offensichtlich; immer wieder wurden Bordelle als besonders riskante Orte bezeichnet, und Sexarbeit war länger verboten als fast jede andere Tätigkeit.

Früher waren für Sexarbeiterinnen regelmäßige Untersuchungen vorgeschriebenen, und seit 2017 herrscht die Pflicht zur jährlichen „Gesundheitsberatung“. Dabei geht es jedoch meist nicht wirklich um die Gesundheit der Sexarbeiterin, sondern um den Schutz der Kunden – und die Verantwortung dafür wird allein auf die Anbieterin abgewälzt.

Es liegt schon im Eigeninteresse jeder Sexarbeiterin, sich regelmäßig auf sexuell übertragbare Krankheiten testen zu lassen und auch sonst ein gutes Gefühl für den eigenen Körper und Schwächen in der Gesundheit zu entwickeln. Die meisten Sexarbeiterinnen, denen ich begegnet bin, kümmern sich sehr um ihre Gesundheit.

Kunden gegenüber bin ich offen darüber, wie häufig ich mich testen lasse und wie ich sonst mit meiner Gesundheit umgehe. Trotzdem gab es die ein oder andere Situation, in der ich mich von dieser Frage habe triggern lassen – nämlich immer dann, wenn der Fragende die Verantwortung komplett an mich abgab.

Meiner Meinung nach sollte sich jeder erwachsene Mensch, der wechselnde Partner hat (definiert als mehr als drei im Jahr), regelmäßig testen lassen und sich auch sonst mit dem Thema sexuelle Gesundheit beschäftigen. Die Praxis sieht anders aus: Der Großteil meiner Kunden hat sich nie testen lassen (oder eher zufällig bei einer Blutspende – wozu ich eine eigene Meinung habe).

In letzter Zeit wird sogar immer wieder mal von Kunden die Forderung an Sexarbeiterinnen gestellt, dass diese sich eine PrEP (Medikament zur HIV-Prophylaxe) verschreiben lassen – ohne weiteren Gedanken an Risiken und Nebenwirkungen.

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