Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Monat: Juli 2023

Arbeitszeit und Freizeit

In den letzten Wochen habe ich vermehrt am Wochenende Dates. Das gehört zur Selbständigkeit dazu, gerade in der Sexarbeit, dass es sowas wie feste Arbeitszeiten nur selten gibt und auch kein freies Wochenende.

Im Laufe der letzten Jahre habe ich das sehr unterschiedlich gehandhabt. Meist ist das abhängig davon, wie die Menschen Freizeit haben, die gerade eine wichtige Rolle in meinem Leben spielen. Auch ich wünsche mir natürlich mal einen freien Tag mit meinem Partner oder guten Freunden, und wenn derjenige dann klassisch Montag bis Freitag arbeitet, mache ich öfter mal einen Tag am Wochenende frei.

Wenn mein Gegenüber auch mal einen Tag unter der Woche frei machen kann, oder wenn ich Single bin (mehr oder weniger), spielt der Untschied zwischen Arbeitswoche und Wochenende für mich keine so große Rolle. Dann arbeite ich halt am Wochenende und mache dafür in der Woche einen Tag frei. (Wobei es für Kunden sehr viel verständlicher ist, wenn ich am Sonntag frei mache als an z.B. einem Mittwoch; das kann schon mal zu Irritationen führen.)

Aufgefallen ist mir, dass Dates am Wochenende eine andere Stimmung und Qualität haben als unter der Woche. Die Kunden, die am Wochenende zu mir kommen, haben dann halt den Tag frei und sind demnach entspannt und ohne Zeitdruck. Unter der Woche schellt häufiger mal ein Arbeits-Handy dazwischen, oder der Blick ist schon auf den nächsten Termin gerichtet.

Für mich hat ein freier Tag unter der Woche gegenüber dem Wochenende auch noch den Vorteil, dass ich dem Wochenend-Gedränge an den meisten Freizeit-Orten aus dem Weg gehen kann. Abends groß weggehen tue ich schon seit vielen Jahren kaum noch, das vermisse ich also nicht, wenn ich stattdessen arbeite. Meist unterscheidet sich mein Tagesablauf am Wochenende nur wenig von dem in der Woche.

Zuverlässigkeit

In letzter Zeit bekomme ich ziemlich viele Diskussionen mit über die Zuverlässigkeit von Anbieterinnen und Kunden. Dass sich Anbieterinnen über die mangelnde Zuverlässigkeit von Kunden beklagen, ist ein altes Thema. In letzter Zeit wird deswegen auch immer wieder über Anzahlungen diskutiert (von denen ich persönlich nichts halte). Neu ist, dass ich auch von Kunden immer wieder Geschichten höre über völlige Unzuverlässigkeit seitens der Anbieterinnen.

Heute hatte ich ein Erlebnis, bei dem sich weder der Kunde noch ich mit Ruhm bekleckert haben. Ich schiebe es auf das Hamburger Wetter, das wohl niemanden in gute Laune versetzt… Ich fand sein Verhalten völlig doof, und er hält mich wohl für unzuverlässig und zickig.

Angefangen hat es gestern, als er mich anrief und das Gespräch eröffnete mit der Frage: „Wann hast du denn mal Zeit?“ Ich schlug ihm als nächstmöglichen Termin Sonntag 18:00 vor, was er annahm. Erst danach fragte er nach Preisen und wir sprachen über Inhalte des Dates; für mich ist das immer ein schlechtes Zeichen, denn es erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde es sich noch mal anders überlegt, weil ihm irgendwas doch nicht so passt.

Wie ich es mir bei Neukunden angewöhnt hatte, bat ich ihn, mir den Termin am nächsten Mittag kurz per SMS zu bestätigen, dann würde ich ihm auch die genaue Adresse schicken. Am Sonntag ging ich jetzt um 11:00 in einen 2-stündigen Termin. Um 11:46 schickte er mir eine Terminbestätigung mit der Bitte um die Adresse (was ich natürlich nicht sofort sah, ich war ja im Termin). Um 12:53 folgte eine zweite SMS, in deutlich pampigen Ton, warum ich ihm die Adresse noch nicht geschickt hätte und was denn jetzt wäre.

Um 13:20 war ich fertig mit meinem Termin und beantwortete seine SMS mit einem freundlichen: „Sorry, war im Termin, habe deine Nachricht gerade erst gesehen. Danke für die Bestätigung, ich freue mich darauf dich heute Abend kennenzulernen. Hier die Adresse: …“ Als Antwort bekam ich fünf Minuten später: „Da du dich nicht gemeldet hast, habe ich den Termin jetzt anders gebucht, wir müssen das verschieben.“ Jetzt war ich auch pampig und antwortete nur kurz: „Lösch die Adresse bitte, den nächsten Termin kannst du dann auch woanders buchen.“

Was glaubt er denn, warum ich ihm keinen Termin vor Sonntagabend anbieten konnte – weil ich zu Hause auf der Couch sass und mich langweilte?! Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, das souverän gehandhabt zu haben, sondern es fühlt sich nach Kindergarten-Zickereien an. Schade um die vertane Chance, für beide Seiten.

Neue Fotos

Heute Morgen habe ich mir endlich wieder die Zeit (und Motivation) genommen, um mit meinem Fotografen loszuziehen und neue Bilder zu machen. Er macht schon seit 15 Jahren meine Bilder, und wir sind ein eingespieltes Team und haben meist viel Spaß beim Shooting.

Trotzdem muss ich mich da in den letzten Jahren immer irgendwie zu zwingen. Wie manchen Menschen schon in meiner Wohnung auffällt, habe ich nur wenige Spiegel, da ich lieber ins Gefühl gehe als nach außen auf mein Aussehen zu achten. Wenn wir Fotos machen, sind da auch immer sehr viele dabei, auf denen ich mir so gar nicht gefalle. Deswegen kosten mich Shootings in den letzten Jahren immer Überwindung.

Wie immer sind aber auch ein paar wirklich schöne Fotos dabei, und ich freue mich darauf, sie Euch in der nächsten Woche zeigen zu können.

Positionierung

In den letzten Jahren verlasse ich mich für meine Werbung ausschließlich auf kaufmich. Das klappt gut, aber manchmal mache ich mir etwas Sorgen darüber, dass es nicht gut ist, so auf eine einzige Seite angewiesen zu sein (zumal ich mit kaufmich schon häufiger Probleme hatte). Das Problem ist, dass ich bis jetzt keine weiteren Seiten gefunden haben, die mir die Möglichkeit geben, mich differenziert genug darzustellen.

Früher habe ich noch bei modelle-hamburg und sexnord Anzeigen gehabt. Beides war ziemlich kostspielig und mehr auf Frauen ausgelegt, die in Appartements o.ä. arbeiten, also regelmäßig und vor allem spontan verfügbar sind. Da ich das nicht mehr bin, fühle ich mich da nicht mehr richtig aufgehoben.

Die letzten Wochen habe ich es bei markt und quoka mit Anzeigen versucht. Beides ist mir empfohlen worden, und da es kostenlos ist, war es einen Versuch wert. Gelohnt hat es sich nicht. Mein Telefon schellte zwar, aber vor allem auch nachts, mit spontanen Anfragen, und mit vielen Anfragen die sehr deutlich machten, dass niemand die Anzeige gelesen hatte. Verdirbt mir nur die Laune und ist Zeitverschwendung.

Jetzt überlege ich, wieder vermehrt für Massagen zu inserieren. Das kann aber auch zu Verwirrung führen, zumal ich dann die Preise wohl wieder differenzieren müsste…

Herje, eindeutig nicht mein Lieblingsthema! Aber eins, mit dem sich jeder Selbständige (egal welcher Branche) immer wieder auseinandersetzen muss, und zu dem es mittlerweile auch eine ganze Reihe von Coaches und Kursen gibt.

(Fehlende) Toleranz

Neulich saß ich nach einem Termin noch mit dem Kunden bei einem Kaffee zusammen, und irgendwie kam das Gespräch auf Bizzar-Termine. Erstaunt sah er mich an und fragte: „Was machst du denn an Fetisch-Sachen?“ Ich fing an zu erzählen, dass ich mich nicht als Domina sehe, aber viele Kunden habe, die einfach gerne mal die Verantwortung abgeben und z.B. mit Fesseln spielen, oder aber die bestimmte Fetische ausleben wollen, ohne dominiert zu werden, wie etwa NS oder StrapOn-Spiele.

An dieser Stelle bracht ich ab, da sich sein Gesicht angewidert verzog und er anschließend deutlich zum Ausdruck brachte, dass solche Spiele in seiner Welt gar nicht gehen. Mich ließ dieser Vorfall irritiert zurück. Ich meine, so ziemlich jede Anzeige im Erotik-Bereich enthälft eine Service-Liste. Die meisten Kunden überlesen die Dinge einfach, die für sie nicht interessant sind. Trotzdem ist auf einen Blick ersichtlich, dass ich nicht nur Kuschelsex anbiete.

Sexualität ist ein sehr persönliches Thema. Jeder Mensch lebt seine Sexualität anders aus, und jeder Mensch hat individuelle Vorlieben und Tabus. Es gibt wohl keine zwei Menschen auf der Welt, die da wirklich komplett identisch sind. Ich erlebe es so, dass meine Sexualität einen Graubereich hat: Es gibt Dinge, die mich total anmachen, und es gibt Dinge, die ich mir für mich gar nicht vorstellen kann. Dazwischen gibt es eine ganze Reihe von Dingen, die von meiner Stimmung und/ oder meinem Gegenüber abhängig sind. Manchmal mache ich Dinge auch einfach, weil ich es mag zu sehen, dass sie meinen Gegenüber anmachen (natürlich solange sie nicht zu meinen Tabus zählen).

Selbst wenn Dinge zu meinen Tabus zählen, halte ich Toleranz gerade in der Sexualität für eine wichtige Eigentschaft. Wenn Menschen von ihrer Ablehnung für z.B. SM erzählen, frage ich manchmal nach, was sie denn unter SM verstehen, und bekomme als Antwort ein sehr klischeehaftes Bild, das wenig mit meinen Ideen und Erfahrungen gemein hat. Ich habe mir deswegen angewöhnt, interessiert nachzufragen, wenn jemand von seinem Fetisch berichtet. Häufig gelingt es mir, die Faszination eines Menschen nachzuvollziehen, wenn ich ihn erzählen lasse, was ihn daran begeistert und welche Gefühle es bei ihm auslöst. Das heißt nicht, dass ich diesen Fetisch dann teilen will, aber es verhilft zu Verständnis und Toleranz.

Ein bisschen mehr Toleranz könnten wir alle gebrauchen – für unteschiedliche Aspekte gelebter Sexualität und generell für individuelle Lebensentwürfe.

„Es läuft nix!“

Vor ein paar Tagen hat der BesD (Berufsverband Sexarbeit) einen Online-Workshop veranstaltet zum Thema: „Es läuft nix! Der veränderte Markt in der Sexarbeit und wie man trotzdem Geld verdient“ Ich hatte leider keine Zeit, daran teilzunehmen, aber es hat mich etwas nachdenklich gemacht, dass da ein offzielles Thema draus gemacht wird.

Bei mir liefen die ersten Monate dieses Jahres auch nicht so gut, aber ich hatte daraus nicht auf eine allgemeine Situation geschlossen. Ich habe ja im März meine Preise erhöht (mit Ankündigung mehrere Wochen vorher). Das führte dazu, dass der Februar besser lief als in den Jahren zuvor (Februar ist sonst ein sehr ruhiger Monat), dafür der März aber fast gar nicht. Im April hat sich das wieder gefangen und meine Umsätze sind relativ stabil – im Rahmen der üblichen Schwankungen, wenn man selbständig ist, und etwas mehr ginge auf jeden Fall noch.

Hinzu kommt, dass ich in den letzten Monaten eine Fortbildung fortgesetzt und abgeschlossen habe, die ich 2021 wegen Corona abbrechen musste, und auch in meinem Privatleben einiges in Veränderung war. Ich habe es häufig in solchen Phasen, wenn ich gefühlt gar nicht so viel Energie und Begeisterung für Dates habe, dass die Umsätze zurückgehen. Ich gebe einfach zu wenig Energie hinein, und das kommt bei meinen Kunden an – das mag esoterisch klingen, aber so erlebe ich es. Am 24. Juni hatte ich die Abschlussprüfung der Fortbildung, und danach hatte ich eine intensive Dating-Woche.

Aus meinem Umfeld höre ich im Moment vermehrt Klagen über die Unzuverlässigkeit von Sexarbeiterinnen. Schon mehrere Kunden haben mir berichtet, dass von fünf Anfragen nach Dates nur noch eins wirklich stattfindet; viele Nachrichten bleiben unbeantwortet oder Dates werden kurzfristig unter einem Vorwand abgesagt. Ich freue mich ja immer über Termine mit mehr Vorlauf, aber viele Anbieterinnen scheinen damit überfordert zu sein (was für ein Klischee). Auch die Preisspanne geht immer weiter auseinander.

Es bleibt also spannend, wie sich „das älteste Gewerbe der Welt“ in der nächsten Zeit weiter entwickeln wird. Ich sehe das relativ entspannt; zu einem Großteil treffe ich Stammkunden, und sehe Sexarbeit für mich zwar noch als einen wichtigen Teil, aber nicht mehr unbedingt als meine Zukunft. Es ist mehr und mehr Zeit für etwas Neues, und es bleibt spannend!