Ich biete keine Hotel- und Hausbesuche an. Nicht nur aus praktischen Gründen, sondern auch, weil ich mich damit einfach nicht wohl fühle. Ich habe in meiner Laufbahn nur eine handvoll solcher Termine gemacht, relativ am Anfang. Hotels sind noch ein neutraler Boden, aber bei Hausbesuchen verschiebt sich meiner Meinung nach das Gleichgewicht stark zu Ungunsten der besuchenden Frau.
Die Hausbesuche, die ich damals gemacht habe, waren noch über eine Escort-Agentur organisiert. Teilweise hat mich sogar ein Fahrer gefahren und vor der Tür auf mich gewartet. Auf jeden Fall gab es aber ein Sicherheits-Procedere: Ich schickte eine erste Nachricht bevor ich reinging, dann eine zweite Nachricht, wenn drinnen alles in Ordnung war und ich das Geld bekommen hatte, und eine dritte Nachricht nach Ablauf der Zeit, wenn ich wieder vor der Tür stand und mich auf den Heimweg machte. Dazu hatte die Agentur natürlich Namen und Adresse des Kunden.
In den letzten Jahren hat die Verbreitung von Escort-Agenturen stark abgenommen. Mittlerweile organisieren die meisten Frauen ihre Termine selber über Internet und Handy. Das erhöht den Verdienst, aber es fällt halt auch das automatische Sicherheitsnetz der Agentur weg. Es bleibt jeder Frau selbst überlassen, sich ein eigenes Sicherheitsnetz zu schaffen – oder eben auch darauf zu verzichten.
In einem Buch, dass das Verbot von Prostitution via Nordischem Modell propagiert, habe ich folgende Beschreibung eines Paysex-Termins gelesen: „Er wohnt weit draußen. Er werde mich abholen, sagt er. Und dann führen wir zu ihm. Das klingt nicht gut. Mein inneres Alarmsystem klingelt ununterbrochen. […] Irgendwann fahren wir von der Straße ab in einen Wald. Nach zwanzig Minuten Fahrt durch den Wald kommen wir an einem Haus an. Sagte ich „ein Haus“? Es ist ein verdammter Hochsicherheitstrakt. Mir gehen fast die Augen über, als wir ankommen. Um das ganze Gelände, auf dem seine Firma und sein Haus stehen, ist eine Mauer. Darüber Stacheldraht. Das Sicherheitstor geht auf, wir fahren durch. Ich werfe einen kurzen Blick auf mein Handy – ich habe keinen Empfang mehr.“
Ich bin absolut gegen Victim Blaming, aber bei dieser Beschreibung wird mir schlecht, und zwar nicht nur wegen des Verhaltens des Kunden (der es eindeutig darauf anlegt, sich machtvoll zu fühlen und ihr Angst zu machen), sondern auch angesichts der Naivität dieser Sexarbeiterin. Regel Nummer ein: mit eigenem Auto oder Taxi zum Termin fahren (man kann mit dem Kunden ein Fahrgeld aushandeln). Und dann beim Betreten des Hauses sicherstellen, dass man weiß wo die Ausgänge sind und das diese unverschlossen sind.
Vor einigen Wochen hatte ich ein privates Date in einem Stadtteil von Hamburg, in dem ich mich nicht gut auskenne. Wir wollten essen gehen und es war mir wichtig, ihn das Restaurant auswählen zu lassen. Das führte jedoch dazu, dass ich Probleme mit der ÖPNV-Verbindung bekam, da in Hamburg zur Zeit einige Bahnlinien komplett gesperrt sind. Er bot an, mich von der Bahn abzuholen – eigentlich ein NoGo bei einem ersten Date. Ich habe das gelöst, indem ich einen Freund gebeten habe, mich zu covern. (Er verbrachte den Abend zu Hause am Schreibtisch und hatte Zeit, sein Handy im Auge zu behalten.)
Ich ließ also den ganzen Abend die Standort-Übertragung auf meinem Handy laufen. Außerdem schickte ich ihm zu verabredeten Zeitpunkten eine kurze Nachricht, dass es mir gut geht und alles in Ordnung ist. Zusätzlich habe ich noch ein Foto des Nummernschilds gemacht und ihm geschickt, bevor ich ins Auto gestiegen bin. Das ist mir nicht unbemerkt gelungen, aber ich habe erklärt, dass ich mich so sicherer fühle, und mein Date hat es mir nicht übel genommen.
Im Endeffekt muss jede Frau einen eigenen Weg finden, um sich sicher zu fühlen. Absolute Sicherheit gibt es nicht, aber es macht schon Sinn, sich ab und zu Gedanken darüber zu machen, welche Risiken es gibt und wie man die minimieren kann.