Es handelt sich hier um eine allgemeine Betrachtung, nicht um etwas was mich aktuell betrifft.

Ich glaube, dass es keine Sexarbeiterin gibt, die das noch nie in ihrer Laufbahn erlebt hat: den Moment, wo man plötzlich das Gefühl hat, vor eine Wand zu laufen. Plötzlich geht gar nichts mehr. Es passiert morgens beim Aufstehen, oder auch mitten am Arbeitstag im Bordell. Der einzige vorherrschende Gedanke ist plötzlich: „Ich kann das nicht mehr; ich kann da jetzt nicht reingehen.“

Früher habe ich solche Momente als Zeichen gewertet, dass Prostitution halt doch „kein Job wie jeder andere ist“, sondern in irgendeiner Form übergriffig oder traumatisierend (also so, wie es Prostitutionsgegner immer behaupten). Heute sehe ich das differenzierter.

Sexarbeit ist enorm fordernd, im körperlichen Sinne, aber vor allem emotional. Es ist ein ständiges Spiel mit Grenzen, und Übergriffe lassen sich nie zu 100% verhindern. Im Laufe der Jahre kann eine Sexarbeiterin lernen, ihre Kunden präziser auszuwählen und Grenzen klarer zu setzen. Trotzdem wird es immer wieder Vorfälle geben, die „unter die Haut“ gehen.

Hinzu kommt, dass gerade die Sexarbeiterinnen in Bordellen meist sehr viel Zeit dort verbringen. 10-12 Stunden am Tag oder länger sind normal. Work-Life-Balance wird in freien Tagen gesehen, und wenn es nicht gut läuft, fallen die auch schnell mal aus.

In anderen Berufen nennt man es wohl Burnout. Aus den letzten Jahren kennen wir alle die romantisierten Bilder aus Krankenhäusern von Ärzten oder Pflegepersonal, die zusammengesunken vor einer Wand sitzen.

Im Endeffekt bleibt in dieser Situation nur eins zu tun: nach Hause gehen. Urlaub machen. Sich Zeit nehmen für sich selbst – ausschlafen, entspannen, zur Ruhe kommen. Im Idealfall merkt man es beim nächsten Mal ein paar Tage vorher, wenn es zu viel wird – bevor man wieder vor der Wand steht.

Häufig dauert es aber einige solcher „Zyklen“, um die Mechanismen zu verstehen und sich besser zu regulieren. Es gibt durchaus auch Sexarbeiterinnen, die in einer solchen Situation den Job ganz an den Nagel gehängt haben, ohne zurückzusehen. Vielleicht sind sie danach in einem anderen Job glücklicher geworden, der weniger belastend ist.