Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Kategorie: Über mich (Seite 4 von 7)

Texte über mich, meine Geschichte und meine Einstellung zu Sexarbeit

Im Lauf der Jahre

Ab und zu gibt es Männer, die sich die Mühe machen, meinen Blog komplett zu lesen – mehrere hundert Texte aus über sechs Jahren. Letztens sprach mich jemand darauf an, dass und wie sich meine Texte im Laufe der Zeit geändert hätte.

Für mich ist das selbstverständlich, dass sich meine Texte ändern und entwickeln. Ich ändere mich, meine Einstellung zu meiner Arbeit ändert sich, meine Schwerpunkte ändern sich – natürlich spiegelt sich das auch in meinen Texten wieder.

In den vier Monaten seit ich den Blog nicht mehr bei kaufmich, sondern hier auf dieser Seite betreibe, habe ich immer mal wieder alte Texte hier neu gepostet. Nun habe ich festgestellt, dass mir WordPress (das Programm, mit dem ich diesen Blog betreibe) die Möglichkeit gibt, das Veröffentlichungsdatum von Texten manuell zu ändern. Ich könnte also alle Texte von kaufmich hier rüberkopieren, mit dem Original-Veröffentlichungsdatum. Es wären nur ein paar Stunden Arbeit.

Einerseits gefällt mir der Gedanke. Ich habe viel Arbeit in diese Texte gesteckt und bin stolz darauf und auch darauf, wie lange ich den Blog schon betreibe. Andererseits sind viele der Texte mittlerweile veraltet; entweder beziehen sie sich auf Dinge, die sich mittlerweile geändert haben oder einfach vorbei sind, oder meine Einstellungen und Vorlieben haben sich geändert.

Ich träume davon, mal Ordnung in die Texte zu bringen, sie zu vervollständigen und eine Art Buch daraus zu machen. Das ist aber so viel Arbeit, dass ich da in absehbarer Zeit wohl nicht zu kommen werde.

Alkohol

Letzte Woche hatte ich einen schönen Abend mit einem neuen Kunden. Er war zum ersten Mal bei mir und am Anfang ziemlich nervös. Deswegen gab ich ihm Zeit um anzukommen; wir saßen eine Weile einfach so da und redeten – und tranken den Wein, den er mitgebracht hatte.

Der Wein war sehr lecker, er schmeckte auch im Februar nach Sommer. Nur trinke ich sonst so gut wie nie Alkohol, und als ich die Session dann angefangen habe, merkte ich, dass mir der Wein schon ganz schön zu Kopf gestiegen war. An diesem Abend war das okay; es war wie ein Weichzeichner für ein schönes Erlebnis.

Ich habe noch zwei andere Kunden, die ab und zu Sekt mitbringen. Nur einen Piccolo, aber schon das ist mir zu viel – vor allem, wenn es noch früh am Tag ist und ich nach dem Treffen eigentlich noch etwas anderes vorhabe. Für mich reicht wirklich ein kleines Glas, dass ich danach kein Auto mehr fahren kann und auch lieber keinen Sport mehr mache oder etwas, das Konzentration erfordert.

Ich bin nicht gerne betrunken oder auch nur angetrunken. Es ist nicht meine Art, so unbewusst die Kontrolle abzugeben. Dazu kommt, dass ich mehrere Fälle von Alkoholproblemen im näheren Verwandten-. und Freundeskreis habe. Ich bin generell mißtrauisch, wenn jemand Alkohol braucht, um runter zu kommen und/ oder Spaß zu haben.

Alkohol betäubt, und es gibt im Leben so viel zu spüren und zu erleben – am besten ohne Filter.

Übersexualisierung

Als Sexarbeiterin ist Sex mein Beruf und mein ständiger Begleiter. Meine Sexualität beschränkt sich nicht nur auf den engen Rahmen einer monogamen Partnerschaft, sondern ist viel komplexer, und ich lebe sie in verschiedenen Bereichen meines Lebens aus. Was nicht heißt, dass alles in meinem Leben mit meiner Sexualität zu tun hat!

Wenn mich jemand richtig ärgern will, reduziert er mich auf meine Sexualität und/ oder sexualisiert verschiedene Aspekte meines Lebens. Manche tun das bewusst und mit der Erwartung, dass ich darauf eingehe. Für manche ist es auch einfach nur ein Scherz.

Beispiel: „Ach, du reitest? Ja, das ist ja bestimmt geil, so mit dem Pferd zwischen den Beinen und am Sattel reiben!“ Oder ganz simpel: „Dann bist du ja bestimmt gut, kannst gerne mal auf mir reiten *haha.“

Vor einiger Zeit bin ich mal von einem Kunden gebeten worden, in Latex-Kleidung einige Yoga-Posen durchzuturnen. Genau das war es: Turnen, denn mit meiner sonstigen Yoga-Praxis hatte es so gar nichts gemein außer die Abfolge der Bewegungen. Ich habe mir dabei übrigens den Latex-Rock zerrissen.

Ich weiss, dass meine Kunden mich wegen des Sex treffen. Das ist okay, dafür bin ich da. Wir können gerne die Themen während eines Treffens auf Sex begrenzen. Aber wenn wir über etwas anderes reden, dann reduziere mich nicht auf Sex!

The way I look

Es ist nun schon gut 1,5 Jahre her, dass ich das letzte Mal neue Fotos für meine Werbung gemacht habe. Ab und zu fragt mein Fotograf, ob es nicht mal wieder an der Zeit wäre. Ja, er hat recht – aber ich fühle mich nicht danach.

Mir ist mein Aussehen im Moment ziemlich egal. Ich war nie eine Frau, die viel auf Mode und Make-up gegeben hat, aber ab und zu hatte ich schon Spaß an einem sexy Outfit. In den letzten Jahren ist mir die Eitelkeit und der Spaß am Posieren völlig verloren gegangen. Ich trage Jeans und Shirt und wenn ich nicht arbeite meist eine Brille statt Kontaktlinsen. Für meine Kunden ziehe ich durchaus noch ein Minikleid an; allerdings mehr aus Gewohnheit denn aus Überzeugung.

Wenn ich über die Anzeigen auf einschlägigen Seiten surfe, sehe ich dort überwiegend junge, sehr gestylte Frauen. Nicht nur Outfit und Make-up, sondern auch diverse kosmetische Veränderungen scheinen mittlerweile zum guten Ton zu gehören. Diese Welt ist mir fremd.

Ich finde mein Aussehen ziemlich durchschnittlich. Zwischendurch vergesse ich sogar meine Tattoos, so wenig denke ich über mein Aussehen nach. In der Sexarbeit gehört es aber eher dazu, dass sich sowohl Kunde als auch Anbieterin auf den Körper fixieren. Ein gewisses Posieren, ein Bewusstsein der eigenen Sexyness – ich weiss nicht wieviel ich davon noch habe.

Vielleicht wird das wieder anders, wenn die Pandemie endlich vorbei ist und ich wieder mehr unter Menschen bin. Sich nur noch in den eigenen vier Wänden zu bewegen, lässt den Blick der anderen vergessen…

„Ich bin Sexarbeiterin.“

In der letzten Woche habe ich bei der Arbeit an diesem Blog ziemlich häufig den Satz geschrieben oder gedacht: „Ich bin Sexarbeiterin.“ Das fühlt sich für mich natürlich an und begleitet mich seit vielen Jahren. Manchmal gibt es trotzdem noch einen kurzen Irritationsmoment.

Wenn mich jemand fragt: „Was machst du beruflich?“, sage ich so gut wie nie, dass ich Sexarbeiterin bin, sondern sage: „Ich gebe Massagen.“ oder verweise auf meine anderen Tätigkeiten. Die wenigen Male, wo ich mich als Sexarbeiterin bezeichnet habe, erntete ich Verwirrung.

Der bekanntere (und offizielle) Begriff ist Prostituierte. Wenn ich aber sage: „Ich bin Prostituierte.“, strömen eine Flut von Zuschreibungen und Vorurteilen auf mich ein, die mit meinem Selbstbild und meinem Erleben dieser Arbeit nur wenig zu tun haben.

Manche Anbieterinnen und Kunden träumen von einer Welt, in der Sexarbeit „ein Beruf wie jeder andere ist“ und offen damit umgegangen werden kann. Ich glaube nicht, dass das jemals möglich sein wird.

Sexarbeit beinhaltet viele Widersprüche in sich, die die Beteiligten aushalten und immer wieder für sich in Balance bringen müssen. Diese Widersprüche lassen sich nicht ausmerzen, und mit diesen Widersprüchen lässt sich Sexarbeit nie vollständig in die Gesellschaft integrieren.

Stadtleben

Dies ist eine Kopie, der Text wurde ursprünglich veröffenlicht auf meinem Profil „TraumfrauHH“ bei kaufmich.com.


Heute habe ich meine zweite Covid19-Impfung bekommen. Danach war ich noch in einem Café in der Stadt und habe es genossen, dass sich das Leben wieder etwas normaler anfühlt. 

Ich bin im Ruhrgebiet aufgewachsen und lebe jetzt seit 16 Jahren in Hamburg, habe also mein ganzes Leben immer in (Groß)Städten gelebt. Wenn ich mit Kunden spreche, die ländlicher wohnen, fällt mir auf, dass das ein ganz eigener Lebensrhythmus ist. 

Meine Wohnung ist mein Rückzugsort. Wenn ich Zeit mit Freunden verbringe, treffen wir uns meist in der Stadt, in einem Café oder Restaurant. Auch sonst bin ich viel und gerne unterwegs: Fitnesstudio, Stadtbummel, Kultur… 

Ich mag auch raus ins Grüne, vor allem mit dem Fahrrad, entlang Hamburgs Grünstreifen oder raus nach Schleswig-Holstein. In der Innenstadt vermeide ich das Fahrradfahren ebenso wie das Autofahren, und nehme S-Bahn und Bus und gehe zur Fuß. (Ich besitze kein eigenes Auto, das erscheint mir überflüssig.) 

Manchmal wird auch mir die Stadt zu voll, vor allem jetzt in der Corona-Zeit. Mit Anfang 20 hatte ich mal die Idee, aufs Dorf zu ziehen – und habe schnell festgestellt, dass ich mit der Mentalität dort nicht klarkam. Daran wird sich wohl nichts geändert haben – ich bin und bleibe also Stadtmensch. 

Selbstbild und Fremdbild

Dies ist eine Kopie, der Text wurde ursprünglich veröffenlicht auf meinem Profil „TraumfrauHH“ bei kaufmich.com.


Ich kämpfe gerade mit den vorgegebenen Angaben hier im Kaufmich-Profil. Vor ein paar Tagen habe ich meine Figur von „schlank“ auf „mollig“ geändert. Sofort haben mich einige Kunden angesprochen, dass „mollig“ für mich übertrieben ist, weil ich eine völlig normale Figur habe. Andererseits denke ich, dass ich für jemanden, der sich eine schlanke Frau wünscht, doch zu viel Speckröllchen habe. („Normal“ ist leider keine der vorgegebenen Optionen.)

Es ist die am häufigsten geäußerte Kritik von Kunden, dass die Frau beim Treffen nicht mehr so aussieht wie auf ihren Fotos bzw die Fotos völlig veraltet sind. Ich mache 1-2 Mal im Jahr neue Fotos, habe aber auch ältere Bilder im Profil. So handhaben es die meisten Frauen, die ich kenne (und die mit (semi)professionellen Bildern und nicht mit Selfies arbeiten). 

Andererseits kämpfen gerade Sexarbeiterinnen häufig mit ihrem Gewicht. Lange Arbeitszeiten/ Abrufzeiten machen regelmäßigen Sport schwierig, und lange Wartezeiten zwischen den Terminen verführen zum Essen aus Langeweile. Ich versuche dass durch Fahrradtouren auszugleichen, aber viele Sexarbeiterinnen, die ich kenne, leben in einem ständigen Zyklus von Gewichtszunahme und Crash-Diäten. 

Mein Ende der Geduld

Dies ist eine Kopie, der Text wurde ursprünglich veröffenlicht auf meinem Profil „TraumfrauHH“ bei kaufmich.com.


Immer weider lese ich von älteren Frauen die Aussage, dass sie sich bestimmte Dinge nicht mehr antun, und ich stelle fest, dass es auch mir so geht. 

Jahrelang habe ich mir bei jeder Anfrage Sorgen gemacht, ob ich genug Termine bekomme um meine Rechnungen zu bezahlen. Dementsprechend habe ich mich behandeln lassen: kurzfristige Terminanfragen, ewiges Hin und Her, Terminverschiebungen, Nachverhandeln vor dem Termin – alles egal, hauptsache ich verliere den Kunden nicht. 

Ich bin jetzt seit über fünfzehn Jahren selbständig und in diesen Zeiten wechseln sich fortwährend Phasen, in denen es sehr gut läuft, ab mit Phasen, in denen es finanziell etwas enger wird. Aber ich habe bis jetzt nie Schulden oder ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten gehabt. 

Mittlerweile lasse ich mir deutlich weniger gefallen. Ich vereinbare keine kurzfristigen Termine mehr, und wenn jemand schon bei der Terminvereinbarung unzuverlässig ist, verzichte ich auf den Termin. Die Unruhe, die ein solches Verhalten von Kunden in meinen Alltag bringt, ist mir den Gewinn nicht mehr wert. 

Figur normal

Dies ist eine Kopie, der Text wurde ursprünglich veröffenlicht auf meinem Profil „TraumfrauHH“ bei kaufmich.com.


Im Moment werden häufig Scherze darüber gemacht, dass viele Menschen während des Lockdowns zugenommen haben. Auch mein Leben ist seit dem Lockdown weniger aktiv. Mein Gewicht schwankt jedoch schon seit Jahren, nicht erst seit Corona.

Wenn es hier bei kaufmich um das Gewicht von Frauen geht, wird meist nach Extremen gesucht: Entweder „skinny“ oder „Rubens“. Einige Männer sind sehr auf bestimmte körperliche Merkmale fixiert oder einen bestimmten Typ Frau. Andere suchen mehr nach einem harmonischen Gesamtbild oder dem gewissen Etwas.

Ich war nie „skinny“, selbst als Jugendliche nicht. Ich war schlank, aber sportlich, und mein Po war schon immer sehr rund. Diese Figur habe ich jahrelang gehalten und viele meiner Kunden haben mich so kennengelernt.

In den letzten zehn Jahren habe ich über zehn Kilo zugenommen, am Anfang sehr schleichend, dann stärker. Phasenweise ärgert mich das, aber meistens fühle ich mich wohl damit. Wenn ich über Abnehmen nachdenke, dann geht es mir dabei eher um meine Fitness als ums Aussehen. Ich mag die Ruhe, die mein Körper mit dem mehr an Gewicht ausstrahlt, und das Gefühl von Erdung.

Einige Kunden habe ich verloren, weil ich ihnen „zu dick“ geworden bin. Wenn ich das direkt mitkriege (über Internet-Kommentare, ins Gesicht sagt es mir keiner) schmerzt es einen kurzen Moment. Andererseits kann ich nicht der Typ von jedem sein. Es gibt auch Kunden, die mich aufgrund meiner Tattoos ablehnen. Viele Kontakte gehen auseinander, weil dem Kunden einfach nach etwas anderem ist als dem was ich anbiete.

Menschen verändern sich im Laufe der Jahre, und ich mag es, wenn ich diese Entwicklungen auch im Körper spüren kann – und auch sehen. Vielleicht werde ich in Zukunft wieder abnehmen, aber dann weil es zu meinem Lebens- und Körpergefühl passt und nicht um irgendwelche Ideale oder die Vorstellungen anderer zu erfüllen.

Sex und Privatssphäre

Dies ist eine Kopie, der Text wurde ursprünglich veröffenlicht auf meinem Profil „TraumfrauHH“ bei kaufmich.com.


Letzte Woche war ich in Urlaub auf einem Reiterhof an der Nordsee. Es fühlte sich ein bisschen an wie eine Reise in meine Kindheit: Jugendherbergs-Atmosphäre in Zimmer und Speiseraum, durchgeplante Tage mit Reitprogramm und Mahlzeiten, Muskelkater und der Geruch nach Pferden überall.

Wozu eine solche Umgebung absolut nicht einläd ist Sex. Ich war mit meinem Partner dort, aber das kleine Zimmer und die sehr dünnen Wände verleideten uns den Spaß an ausgiebigem Sex. (Das haben wir dann später zu Hause nachgeholt.)

Eigentlich halte ich mich nicht für empfindlich, was die Frage angeht, wer im Nebenraum etwas von meinem Sexleben mitkriegt. Im Erotik-Appartement ist es selbstverständlich, dass man den Sex der Kollegin durch die Tür hört. Auch auf Tantra-Seminaren gehören die Geräusche aus den Nebenzimmern dazu. In irgendeinem Hotel – okay, kein Problem. Auf Seminaren, wie jetzt in der Reitschule oder auch beim Yoga? Da werde auch ich zurückhaltender. Und Besuch bei der Familie ist meist eine komplett sexfreie Zeit.

Bei meinen Kunden erlebe ich auch, dass Menschen sehr unterschiedlich auf die Frage nach der nötigen Privatsphäre für Sex reagieren. Einigen empfanden schon die Geräusche im Appartement störend und ließen sich davon irritieren. Andere holen sich sogar einen Kick daraus, halb öffentlich zu fummeln oder mehr (nicht mein Ding).

In meiner jetzigen Wohnung höre ich ab und zu die Kinder der Nachbarn durch die Wand, oder Geräusche aus der Wohnung über mir. Wenn ich darüber nachdenke, ist mir also bewusst, dass die Nachbarn wohl auch ab und zu meinen Sex hören, wenn es mal lauter wird. Das stört mich aber nicht, da ich es als relativ anonym empfinde.

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