Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Kategorie: Bücher und Filme (Seite 1 von 3)

Rezensionen von Büchern und Filmen zum Thema Sexarbeit

Buchempfehlung: „Mein Huren-Manifest“

Früher habe ich alle Bücher gelesen, die ich zum Thema Sexarbeit finden konnte. Mittlerweile bin ich da deutlich wählerischer. Vor kurzem habe ich jedoch dieses Buch von 2018 aus dem Regal gezogen, das mich damals beeindruckt hat und das ich immer noch für eines des besten Bücher in der aktuellen Diskussion zum Thema Sexarbeit halte. Deswegen jetzt hier ein Re-Post meiner Buchempfehlung vom 10. August 2018:


Ich möchte Euch von einem Buch erzählen, das ich letzte Woche gelesen habe und von dem ich mir fast wünsche, ich hätte es geschrieben. (Na ja, falls ich einmal ein Buch schreibe, wird es wohl andere Schwerpunkte haben.) Es geht um das Buch „Mein Huren-Manifest“ von Undine de Riviere.

Undine de Riviere ist Bizzar-Lady in Hamburg, seit über 20 Jahren im Gewerbe – und eine der beeindruckensten Frauen, die ich je getroffen habe!

Nun hat sie ein Buch geschrieben, über die Realität von Sexarbeit aus ihrer eigenen Sicht, der Sicht von Kolleginnen, der Sicht von Kunden; über Probleme und Stigmatisierung, über den Unsinn des Prostitutionsschutzgesetzes, über Vorurteile, Politik, Menschenhandel und Arbeitsmigration, aber auch über die schönen Seiten: den Sex, die Freiheit, die Begegnungen, den Reiz des Verruchten.

Sie sagt selber, dass das Buch aus ihrer Sicht und ihren Erfahrungen geschrieben ist. An manchen Stellen hätte ich mir einen etwas genaueren Blick auf die Schattenseiten gewünscht. Andererseits gibt es mehr als genug negative Darstellungen, und dieses Buch ist eindeutig pro Sexarbeit, ja ein flammendes Plädoyer für sexuelle Selbstbestimmung und freie Berufswahl.

Buchempfehlung: „Give a fck“

Letztes Jahr ist ein Buch erschienen, dass meiner Meinung nach einen wichtigen Beitrag zu den aktuellen Diskussionen über Sexarbeit in Deutschland leistet. Die Journalistin Catrin Altzschner, bekannt für einen Podcast über Sexualität und Beziehungen („Intimbereich“ bei 1Live/WDR) hat sich der Aufgabe angenommen, neutral verschiedene Sexarbeiter*innen zu Wort kommen zu lassen und so die unterschiedlichen Aspekte von Sexarbeit zu sammeln. Darüber hinaus macht sie sich eigene Gedanken zu Themen, die unser Denken über Sexarbeit und den Umgang damit beeinflussen können.

Zu Wort kommen einige Sexarbeiter*innen, die mir aus dem Umfeld des BesD (Berufsverband Sexarbeit e.V.) und/ oder von ihren Social Media Profilen vertraut sind, aber auch (teile ehemalige) Sexarbeiter*innen, die nicht im Licht der Öffentlichkeit stehen (wollen). Den Anfang macht Madame Kali, die ich sehr bewundere für ihren Einsatz für selbstbestimmte Sexarbeit. Auch Master Andre, ein bekannter Dominus und Escort aus Berlin, und Nina de Vries, die Vorreiterin im Bereich Sexualassistenz, kommen zu Wort. Darüber hinaus Personen, die sich weniger medienwirksam präsentieren und andere Aspekte von Sexarbeit beleuchten: Daria, die froh über ihren Ausstieg ist; Nicole und Sarah, die ihr Geld auf der Straße verdienen; Andrada, die es aus Rumänien in ein Bordell im Ruhrgebiet verschlagen hat, und Lena, die sich eine Zeit lang als Sugarbabe ausprobiert hat.

Catrin Altzschner geht darüber hinaus nicht so sehr auf den aktuellen politischen Streit zwischen Vereinen, die sich für das Nordische Modell einsetzen, und selbstbestimmten Sexarbeiter*innen (überwiegend vertreten durch den BesD), die für mehr gleichberechtigte Legalität kämpfen, ein, sondern beschäftigt sich stattdessen mit der Frage, welchen Einfluss andere gesellschaftliche Themen auf Sexarbeit haben. Sie spricht über privaten sexuellen Tauschhandel, Armut, den Heilige-Hure-Komplex, die Frage wie die Gesellschaft generell mit weiblicher Lust umgeht, über Menschenhandel und Pornografie. Dabei liefert sie viele neue Denkanstösse, ohne eigene Standpunkte überzubetonen.

Das Buch ist leicht zu lesen, ich hatte es in wenigen Stunden durch – und werde es garantiert noch häufiger zur Hand nehmen, um bestimmte Themen vertiefend zu reflektieren. Leseempfehlung für alle, die sich für Zusammenhänge und Vielfalt interessieren.

Buchempfehlung: huMANNoid / WOMANoid

Ich möchte heute ein Projekt vorstellen, dass ich sehr schön und wichtig finde, das aber nichts mit Sexarbeit zu tun hat und auch nur ganzheitlich mit Sexualität. Es geht um die Bücher „huMANNoid“ und „WOMANoid“ von Eilert Bartels.

Eilert Bartels ist Paar- und Sexualtherpeut und beschäftigt sich intensiv mit Geschlechterrollen – und der Frage, ob es möglich ist, dass sich Menschen jenseits von Geschlechterrollen entwickeln und begegnen. Aus dieser Fragestellung heraus hat er zwei Buchprojekte verwirklicht.

Das erste war „huMANNoid – Männer sind Menschen“, an dem er 2017 gearbeitet hat und das 2019 veröffentlicht wurde. Darin mischen sich wunderschöne Aktfotos von 16 sehr unterschiedlichen Männern mit Interviews, in dem die Männer über Körperlichkeit, Selbstbild u.a. sprechen.

2020 folgte „WOMANoid – Frauen sind Menschen“, das dasselbe Projekt mit 16 Frauen durchführte. Auch hier wunderschöne Aktfotos zusammen mit tiefgehenden Interviews.

Ich folge Eilert Bartels schon lange bei Facebook und genieße seine sehr liebevolle Sicht auf Menschlichkeit, in aller Verletzlichkeit und immer mit dem Versuch, jenseits von Klischees zu denken. Deswegen möchte ich jedem seine Bücher und auch seine sonstigen Texte ans Herz legen.

Film: Jung und schön

Am Wochenende habe ich zum wiederholten Mal den französischen Film „Jung und schön“ gesehen. Zum ersten Mal habe ich ihn 2013 im Kino gesehen und danach schon einige Male auf Video.

Mit dem Charme eines typischen französischen Films (tolle Musik, stimmungsvolle Bilder) wird die Geschichte der 17-jährigen Isabelle erzählt, die im Sommer am Meer ihr erstes Mal erlebt und dann im Herbst zurück in Paris anfängt für Geld mit fremden Männern in Hotelzimmern Sex zu haben. Nach einer Weile fliegt das ganze auf und sie muss sich der Polizei und ihrer Familie stellen, wo sie überall nur auf Unverständnis stößt. Nach einer Pause bleibt doch die Faszination ihres Tuns…

Ich mag an diesem Film, dass er kein Urteil fällt. Isabelles Motive bleiben rätselhaft, man merkt ihr „Wegdriften“ aus dem normalen Schul- und Familienalltag, erfährt aber wenig über ihre Gefühle und Gründe. Trotzdem ist es kein „Abrutschen“, sondern ein bewusster Weg, den sie geht. Sie bleibt selbstbestimmt und selbstbewusst in ihrer Jugend und Schönheit. Das empfinde ich als schönen Gegensatz zu den gerade modernen Opfer-Geschichten über Prostituierte.

Blog-Empfehlung

Vor ein paar Tagen bin ich über das Profil einer Autorin auf ihrer Homepage gelandet. Erster Eindruck: Oh, schick – und irgendwie vertraut. Lösung: sie benutzt dasselbe Programm und auch dieselbe Template-Vorlage wie ich für diesen Blog.

Dann habe ich etwas mehr gelesen und neben Werbung für ihre Bücher eine ganze Reihe von interessanten Blog-Artikeln gefunden und viele Literaturtipps. Deswegen möchte ich Euch diese Seite jetzt empfehlen.

Falls Ihr Euch für BDSM interessiert und nach spannenden Romanen oder Blog-Texten zu dem Thema sucht, schaut gerne mal hier vorbei:

https://margauxnavara.com/

Film: „Haus der Sünde“

Einer meiner Lieblingsfilme über Prostitution ist „Haus der Sünde“ (2012, Regie: Bertrand Bonelle, Originalsprache Französisch). Der Film erzählt in wunderschönen Bildern von den letzten Monaten des Pariser Edelbordells „L’Appolonide“, bevor es zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschlossen wurde.

Es wird der Alltag der Mädchen gezeigt, eine Reihe wunderschöner junger Frauen in Kleidern, Korsetts und MakeUp, gegen die ein moderner Saunaclub einfach nur billig und vulgär wirkt. Dazu Partys, Spiele und Champagner. Aber unter der Oberfläche auch Einsamkeit, Unfreiheit und Krankheit.

Der Film hat künstlerische Bilder, wie eine Raubkatze, die durchs Bild streift, und das Schicksal einer Hure, der ein Freier das Gesicht zerschneidet. Überwiegen tut bei mir aber der Eindruck eines Lebensgefühls, in dem man sich verlieren kann – und das ich auch heute noch an manchen Orten so erlebt habe. Ein Leben, immer auf der Kippe zwischen Luxus und Elend…

(Re-Post vom 20.07.20)

Bildband „Sex-Workers“

Sexarbeit wird von den meisten Menschen immer noch als Nischenthema betrachtet, und so führen viele Bücher und Filme über dieses Thema eher ein Randdasein. So ergeht es auch dem Bildband, der vor kurzem bei mir angekommen ist – völlig zu Unrecht! 

Der Fotograf Tim Oehler hat einen großformatigen BIldband erstellt mit Fotos von Sexarbeiter*innen. Mit dem Untertitel „Das ganz normale Leben“ und dem Motto „Urteile nicht über ein Leben, das du nicht selbst gelebt hast.“ zeigt er Sexarbeiter*innen sowohl bei ihrer Arbeit als auch in ihrem Privatleben. Unterstützt wird das ganze von kurzen Statements der Sexarbeiter*innen über ihre Arbeit und ihr Selbstbild. 

Leider ist der Bildband mit 69 Euro ziemlich teuer. Das ist er aber bei der hochwertigen Ausführung und der Qualität der Bilder definitiv wert. 

Erste Eindrücke und mehr Infos gibt es hier: www.sex-workers.de

(Re-Post vom 23.06.21)

Buch: „Red Light“ von Phoebe Müller

„Ich bin eine Motte.“

Das ist der letzte Satz eines Buches, das einen Platz sehr weit oben auf der Liste meiner Lieblingsbücher hat. Der Anfang lautet:

„Es war vor einigen Jahren und begann damit, dass ich vom roten Lichtschein angezogen wurde. Wie eine Motte. Unfreiwillig.“

Zwischen diesen Sätzen erzählt die Autorin auf 150 Seiten mit leichter, poetischer Sprache und doch sehr viel Tiefe die (fiktive?) Geschichte einer jungen Journalistin, die vom Rotlicht einer Bar angezogen wird, ihm nicht widerstehen kann und in den Sog des Nachtlebens gerät. Die Erzählung schwankt zwischen Lachen und Weinen, erzählt sehr viel von Faszination, von Abenteuer, von Zusammenhalt, aber auch von schweren Momenten und der ständigen Suche nach der eigenen Identität.

Ich finde mich an sehr vielen Stellen wieder, gerade in der ständigen Ambivalenz der Protagonistin. Ja, ich bin auch eine Motte…

(Re-Post vom 16.07.15)

Buch: Mein heimliches Auge

Heute ist meine diesjährige Ausgabe von „Das heimliche Auge“ gekommen. 350 Seiten voll mit erotischen Geschichten, Fotos, Zeichnungen, Gedichten – ein wunderschönes Buch zum blättern und genießen.

Zugegeben, ich lese das Buch nie ganz, meist noch nicht mal die Hälfte. Aber ich liebe es, es immer wieder in die Hand zu nehmen, zu blättern, hier und da eine Seite zu lesen. Manchmal lasse ich mich von einer Geschichte einfangen und lese sie ganz.

Was ich an diesem Buch so liebe, ist die rückhaltlos positive Einstellung zu Erotik in ihrer Vielfalt. Auch wenn mir manches zu pornografisch ist, oder nicht meine Spielart, oder nicht mein Geschmack – es macht trotzdem Spaß, sich ganz in dieses bedingungslose JA hineinfallen zu lassen, in dieses Annehmen und Anerkennen der Tatsache, dass Menschen sexuelle Wesen sind und das auch leben wollen.

„Mein heimliches Auge“ erscheint jedes Jahr im Konkursbuch-Verlag (an dieser Stelle eine allgemeine Empfehlung dieses Verlags, wenn es um erotische Bücher geht). Dieses Jahr ist die 36. Ausgabe dieses „Jahrbuch der Erotik“.

Mein Leben in Büchern

Ich habe seit meiner Grundschulzeit viel gelesen, mich in einigen Jahren richtig in Büchern vergraben. Viele dieser Bücher habe ich mittlerweile wieder vergessen, aber einige haben mich nachhaltig beeinflusst und begleitet.

In meinem Regal stehen immer noch die ersten zwei Bücher, die ich jemals über Prostitution gelesen habe. Gerade das erste hat wohl heute für niemanden mehr Wert, aber ich denke noch ab und zu an die Geschichte und mag es, dass es dort zwischen den anderen Büchern steht, die scheinbar so viel inhaltsreicher sind.

Es ist ein veralteter Roman von 1966, den ich mit zwölf aus dem Bücherregal meiner Mutter gezogen habe: „Das Herz einer Mutter“ von Marie Louise Fischer. Die Geschichte einer Prostituierten in München, deren Eltern von ihrer Arbeit erfahren und versuchen, sie zu „retten“. Am Ende lässt sie sich mit dem falschen Mann ein und wird ermordet. Eine kitschige Geschichte voll der veralteten Moral der 50er/60er – aber ich habe das Buch geliebt.

Das zweite Buch, das mich schon sehr lange begleitet, ist die Biografie der amerikanischen Prostituierten Dolores French. Sie beginnt mit Ende 20 als Escort zu arbeiten, Ende der 70er. Ihre Situation war völlig anders als meine später, da Prostitution in Amerika verboten war und ist und sie in ständiger Gefahr lebte, von der Polizei kontrolliert und angeklagt zu werden. Trotzdem zeichnet sie ein sehr positives Bild und vermittelt vor allem ihre Freude an dieser Arbeit.

Mittlerweile habe ich viele, viele Bücher mehr über Prostitution gelesen – so viele, dass es mir häufig schwer fällt, mich für noch ein Buch zu dem Thema zu begeistern, und ich lieber über ein anderes Thema lese. Aber wohl jeder Leser wird verstehen, warum manche Bücher immer etwas Besonderes bleiben – so wie diese beiden für mich.

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