Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Flüchtlinge und Zwangsprostitution

Bei den Flüchtlingen aus der Ukraine handelt es sich, im Gegensatz zur Flüchtlingswelle 2015, überwiegend um Frauen und Kinder. Vielen wird von Privatpersonen Hilfe angeboten, in Form von privaten Unterkünften, Hilfestellung bei Wohnungssuche, Anträgen, Kleidung und Gebrauchsgegenstände, etc. Die überwiegende Anzahl dieser Hilfsangebote ist zweifelsohne selbstlos, einfach ausgelöst durch das Leid direkt vor unserer Haustür.

In der letzten Woche gibt es aber auch Stimmen von Flüchtlingsorganisationen und -helfern, die geflüchtete Frauen zu mehr Vorsicht mahnen. Leider gibt es durchaus auch Menschen, die die Notlage dieser Frauen ausnutzen, um „Gefälligkeiten“ zu erzwingen oder Abhängigkeiten herzustellen. In diesem Zusammenhang steht auch schnell das Wort „Zwangsprostitution“ im Raum.

Für mich ist Zwangsprostitution ein schwieriges Thema. Ich möchte nicht abstreiten, dass es Zwangsprostitution in Deutschland gibt, sowohl in Form von Menschenhandel als auch (viel häufiger) in Form von Ausnutzung von Notlagen und Abhängigkeiten. Andererseits stellen viele Prostitutonsgegner es so hin, als wäre jede Form von Prostitution Zwangsprostitution oder zumindest sehr massiven wirtschaftlichen Zwängen geschuldet. Damit bringen sie mich und jede andere Frau, die dieser Tätigkeit freiwillig nachgeht, in die Position, höchst private und intime Entscheidungen und Geschichten darlegen und rechtfertigen zu müssen. Die Steigerung davon ist es, nicht nur diese Geschichten zu verdrehen, sondern auch die psychische Gesundheit und Entscheidungsfähigkeit von Frauen in der Prostitution in Frage zu stellen.

Ziemlich weit oben auf meinem SUB (Stapel ungelesener Bücher) liegt das Buch „Entmenschlicht“ von Huschke Mau, einer der führenden Prostitutionsgegnerinnen in Deutschland und Verfechterin des „Nordischen Models“. Sie vertritt ziemlich genau die gerade beschriebenen Auffassungen. Im Zusammenhang mit ihrer Geschichte kann ich das nachvollziehen und schätze durchaus auch viele ihrer Texte. Trotzdem finde ich ihren eingleisigen Blick und ihre Kompromisslosigkeit falsch. (Rezession des Buches folgt, sobald ich es gelesen habe.)

Zwangsprostitution und Sexarbeit (als Oberbegriff für freiwillige Prostitution in all ihren unterschiedlichen Aspekten) sind für mich zwei völlig unterschiedliche Dinge – so wie vielleicht der Unterschied zwischen Sklaverei und Lohnarbeit. Das eine gehört zu Recht bekämpft, das andere hat eine Funktion in der Gesellschaft.

1 Kommentar

  1. Tina

    Stellungname von Donna Carmen vom 11.04.22
    https://www.donacarmen.de/pressemitteilung-20/

    Stellungname des Berufsverband Sexarbeit vom 19.04.22
    https://www.berufsverband-sexarbeit.de/index.php/2022/04/19/geraten-ukraine-gefluechtete-in-deutschland-in-die-zwangpostitution/

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