Traumfrau mit Nebenwirkungen

Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

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Juhu, Sommer!

Genießt Ihr auch das tolle Wetter so?!

Letzte Woche war ich von Montag bis Freitag im Wendland zu einem Yoga-Retreat. Wir waren alle überrascht von dem tollen Wetter und haben und gefreut, viele der Meditationen im Garten machen zu können oder bei einem Waldspaziergang. Ich hatte noch warm gepackt, mit Pullovern und Decken, und war umso überraschter, plötzlich im T-Shirt auf der Wiese zu sitzen. (Meine Haut hat mir verziehen, dass ich keine Sonnencreme dabei hatte.)

Seit Freitagnachmittag bin ich wieder in Hamburg, und das Wetter hält. Ich bin mit dem Fahrrad zum Yoga gefahren und zum Stall, habe beim Reiten auf dem Außenplatz bei 22 Grad geschwitzt (und mein Pferd noch mehr) und habe Sonntagmorgen mit einem Kaffee bei meinem besten Freund auf dem Balkon gesessen. Von mir aus kann das jetzt bis November so bleiben! (Ja, ich weiß, die Natur braucht auch mal Regen.)

Emotional fühlt es sich für mich an, als wäre ein Schalter umgelegt worden. Ich hatte einen schweren Winter und habe im Februar und März mit Winterdepressionen gekämpft. Jetzt geht es mir deutlich besser und ich kann Dinge gelassen nehmen, die mich noch vor wenigen Wochen völlig aus der Bahn geworfen hätten.

Ich freue mich auf einen tollen Sommer und hoffe, dass es Euch genauso geht!

Tantra-Massage

Letzte Woche durfte ich mal wieder eine richtige Tantra-Massage geben, und es hat sooo viel Spaß gemacht. Deswegen gibt es jetzt hier den Re-Post einer Massage-Beschreibung.


Vorgestern habe ich den ruhigen Sonntag in dieser eh ruhigen Zeit genutzt, um meinem Freund eine Tantra-Massage zu geben. Es war seine erste Tantra-Massage. Ich habe ja jahrelang Tantra-Massagen gegeben, aber in den letzten Jahren nur noch eine handvoll, also sehr selten. Umso schöner war es zu spüren wie schnell ich in das Ritual und in diese besondere Stimmung zurückfinde, wie natürlich es sich noch anfühlt für mich.

Begonnen haben wir im Sitzen, mit einer kurzen Meditation, um zur Ruhe zu kommen und uns aufeinander einzustellen. Dann strichen meine Hände ganz sanft über seinen Körper, erste Berührungen um einen Kontakt herzustellen. Fingerspitzen auf seinem Gesicht, entlang der Arme, auf Brust und Bauch… ein vorsichtiges Ausstreichen der Finger, bevor ich seine linke Hand auf mein Herz legte, um ihn meinen Herzschlag spüren zu lassen.

Als er auf dem Bauch lag begann ich mit sehr spielerischen, sanften Berührungen – nicht nur mit meinen Fingern, Lippen und Haaren, sondern auch mit einem Fell, einer Feder, einem Tuch etc. Schon jetzt ging sein Atem tief und gleichzeitig, sein Körper war entspannt und reagierte sensibel auf jede Berührung.

Auch die Öl-Massage war sanft, ein Kreisen meiner Hände und Fingerspitzen entlang seiner Wirbelsäule, auf dem ganzen Rücken, auf dem Po und die Beine hinunter. Auch die Füße ließ ich natürlich nicht aus. Wie er jetzt so vor mir lag, glänzend zum Öl, war es sehr verführerisch mit meinem ganzen Körper über seinen zu gleiten, den Kontakt zu spüren, einen gemeinsamen Atem zu finden.

Ich bat ihn sich umzudrehen und massierte dann Hände und Arme, Bauch und Brust, die Vorderseite der Oberschenkel. Dann goß ich erneut Öl in meine Hände und strich ganz sanft über sein Geschlecht. Berührte jeden Teil davon, strich die Ansätze der Beine entlang, Perineum, berührte die Hoden, strich langsam über seinen Penis…

Trotz der Lust, die meine Berührungen an dieser Stelle bei ihm entfachten, blieb die Stimmung sanft und entspannt. Er war so tief in seinem Körper verwurzelt und im Fühlen, dass die sanften Berührungen ihm ein völlig neues Erleben schenkten – und der Orgasmus absolut zur Nebensache wurde.

Sexueller Besitz

„Du bist eine sehr kluge Frau. Finde eine normale Arbeit. Dann können wir über uns reden.“ Das war eine der letzten Nachrichten, die ich von ihm bekommen habe, in diesen Wochen, in denen er sich mit viel Schweigen und wenigen Erklärungen von mir getrennt hat.

Diese Aussage ist an so vielen Stellen falsch, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Ich lasse als erstes die Frage zur Seite, wie wir es geschafft haben, monatelang so aneinander vorbei zu reden – Beziehungen sind immer komplexer, als es sich in wenige Sätze packen lässt. Viel mehr beschäftigt mich gerade die Frage, wieso er meint, ein automatisches Exklusiv-Recht auf meinen Körper und meine Sexualität zu haben.

Vor einigen Wochen habe ich folgendes in einem Buch gelesen: „Das Anrecht auf sexuellen Besitz. Als erotisches Eigentum verstehen wir die Befriedigung von sexuellen Bedürfnissen innerhalb der Ehe und den Anspruch auf den Körper und die Sexualität des*der Partner*in. Im Grunde genommen das, was wir bis heute in der seriellen Monogamie leben.“

Ich habe das Konzept der Monogamie ehrlich gesagt nie ganz verstanden, und mich in den letzten Jahren auch zumeist geweigert, irgendwem Versprechungen in diese Richtung zu geben. Immer wieder erstaunt es mich, wie viele Menschen Monogamie in einer Beziehung als Selbstverständlichkeit und Voraussetzung sehen – wo die Realität doch zumeist ganz anders aussieht.

Jemand hat sich mal die Mühe gemacht, sich mit Zahlen zum Thema Treue zu beschäftigen. Er fand, dass 90% aller Männer und 75% aller Frauen mindestens ein Mal in ihrem Leben fremdgehen, dass also in 2/3 alle Beziehungen Untreue vorkommt und die Chance, dass die eigene Beziehung wirklich monogam ist, bei unter 50% liegt. Trotzdem werden wohl die meisten Menschen automatisch behaupten: „Mein Partner macht sowas nicht.“ und da fest von überzeugt sein.

Ich war häufig „die Andere“, also die Frau, mit der Männer fremdgegangen sind (in meiner Rolle als Sexarbeiterin und ein paar Mal auch in meinem Privatleben). Ich bekomme mit, wie selbstverständlich manche Männer dies tun, und wie schwer sich manch andere damit tun, und ich bekomme mit, wieviel Aufwand dafür betrieben wird – und dass es wirklich so gut wie keine Möglichkeit gibt, es zu verhindern. (Da habe ich eine schöne Geschichte zu, die ich vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt in einem eigenen Text erzählen werde. Genauso wie Gründe und Methoden beim Fremdgehen einen Text für sich verdienen.)

Wenn Fremdgehen also eher Normalität als die Ausnahme ist, warum behaupten dann so viele Menschen stur das Gegenteil? Weil sie den anderen Menschen als ihren Besitz ansehen und nicht bereit sind, sich mit ihren eigenen Gefühlen (Verlustangst, Eifersucht etc) auseinanderzusetzen, und nur begrenzt die Verantwortung für die Sexualität der Beziehung übernehmen.

Bin ich verantwortlich für die Sexualität meines Partners? Die meisten Menschen würden das erst mal mit Nein beantworten. Das hängst zusammen mit den oben erwähnten „ehelichen Pflichten“, die zu recht abgeschafft wurden. Andererseits: wenn ich meinem Partner jegliche Sexualität außerhalb der Beziehung verbieten will, muss ich mich dann nicht verantwortlich fühlen für seine sexuelle Erfüllung? Versteht mich nicht falsch: Ich glaube nicht, dass ich jeden Wunsch meines Partners erfüllen muss. Aber ich muss gemeinsame Sexualität aktiv leben und gestalten und mich mit den Wünschen und Bedürfnissen auseinandersetzen.

Treue und gelebte Monogamie sind für mich ein Ideal und ein Geschenk. Etwas, woran jeder Mensch für sich in seiner Partnerschaft aktiv arbeiten kann, indem er sich immer wieder auf den Partner konzentriert und in Kontakt geht. Gleichzeitig sollten wir im Hinterkopf haben, wie menschlich es ist, auf diesem Gebiet zu versagen – und es dann vielleicht nicht als das große Drama sehen, sondern als Stolperstein. Um nach dem Stolpern wieder aufzustehen und weiterzumachen.

Zurück zu meiner zerbrochenen Beziehung: Ich habe mich in den letzten Monaten durchaus als monogam erlebt. Ich habe meine Sexualität und große Teile meines Lebens auf meinen Partner ausgerichtet. Ich war aber nicht bereit, für eine gerade begonnene Beziehung mein ganzes Leben über den Haufen zu werfen. Ich liebe meine Arbeit, ich mache sie gerne und bin gut darin, und sie gibt mir viele Freiheiten. Ich kann mir auch nicht mehr vorstellen, angestellt zu arbeiten. Ich habe die Option gesehen, mich noch mehr auf andere Tätigkeiten zu konzentrieren und die Sexarbeit vielleicht irgendwann auslaufen zu lassen. Aber das wäre ein langer Prozess gewesen, der einer Entwicklung in der Beziehung bedurft hätte – und garantiert nichts, was sich mal eben so zur Voraussetzung machen lässt.

Preise und Marketing

Dies wird ein sehr verletzlicher Text. In den letzten Jahren habe ich versucht, es mir abzugewöhnen, mich zu verteidigen oder rechtfertigen. Manchmal habe ich aber immer noch das Bedürfnis, mich zu erklären und dazu einzuladen, eine Situation auch ein mal aus meinem Blickwinkel zu sehen.

Heute bekam ich einige anonyme Nachrichten von einem Mann, der meines Wissens nach nie bei mir gewesen ist, also nichts über mich und meine Arbeit wusste außer dem, was in meinem Anzeigenprofil steht. Er warf mich Betrug vor und sagte, ich würde versuche meine Kunden für dumm zu verkaufen, gefolgt von einem hämischen „Für Nutten läuft’s wohl auch nicht mehr so gut!“ und dem Hinweis, dass er im Forum schon alle vor mir gewarnt hätte. Meistens gelingt es mir, solche Nachrichten zu löschen und abzuschütteln, aber heute hatte ich einen Tag, an dem es mich getroffen hat.

Der Auslöser dieser Tirade war, dass ich ja zum 1.3. meine Preise erhöht habe, und jetzt habe ich gerade zum ersten Mal in meiner Laufbahn ein Angebot mache und Nachlässe gewähre auf meine Preise, nämlich 50 Euro Nachlass auf jeden Termin an einem Samstag, Sonntag oder Feiertag im Mai. Hintergrund ist, dass ich im Normalfall 85 Prozent meiner Termine unter der Woche mache (und es meist auch genieße, das Wochenende für mich zu haben); im Mai bin ich jedoch eine Woche von Montag bis Freitag auf einem Seminar und habe auch sonst einige Termine mit meiner anderen Arbeit, so dass mir nicht so viele Tage für Dates zur Verfügung stehen. Deswegen habe ich versucht, einen Anreiz zu schaffen für meine Kunden, ihre Dates mit mir aufs Wochenende zu legen.

Die Interpretation des Schreibers war jedoch, dass ich die Preise erhöht hätte und jetzt Nachlässe gewähre, also im Endeffekt dasselbe Geld verlange, es aber als Nachlass verkaufe/ bewerbe. Das war nie meine Absicht und erst Recht habe ich da nicht dran gedacht, als ich die Preise angehoben habe. Wie ich im März schon geschrieben habe, hängt der Preisanstieg mit den gestiegenen Kosten in allen Lebensbereichen zusammen, und ist meine erste Preiserhöhung seit neun Jahren.

Nochmal konkret zu meiner Preisgestaltung: Vor Corona, als ich noch im Studio Glamoresse gearbeitet habe, hatte ich gestaffelte Preise: 100 Euro für Massagen, 150 Euro für zärtlilche Erotik, 200 Euro für bizzare Erotik, 200-250 Euro für SM-Spiele. Ich gebe mich jedoch gern dem Fluss des Spiels hin und finde es eher nervig, mir schon am Anfang zu überlegen, in welcher Preiskategorie wir uns denn wohl bewegen werden, und/ oder zwischendrin zu unterbrechen mit „Da krieg ich aber mehr Geld für!“. Also habe ich meinen Preis 2020 pauschal auf 150 Euro festgelegt, unabhängig vom Inhalt. Jetzt habe ich ihn angehoben auf 200 Euro.

Als ich vor der Preiserhöhung bei kaufmich gesurft habe, hatte ich den Eindruck, dass schon relativ viele Anbieterinnen bei 200 Euro sind. Seitdem habe ich jedoch von mehreren Seiten gehört, dass das nicht der Fall ist, sondern ich damit schon eher zum höherpreisigen Segment gehöre. Ich halte den Preis jedoch für absolut gerechtfertigt unter dem Aspekt, dass es ein Pauschalpreis ist und garantiert keine weiteren Kosten dazukommen. Wie schon erwähnt liegt sonst rein die zärtliche Erotik bei 150 Euro die Stunden. Viele Anbieterinnen berechnen Aufschläge für Anal, NS, Dominanz u.ä. Ich könnte also problemlos 150 Euro die Stunde nehmen und dann Extras dazuberechnen, dann wäre mein Preis wahrscheinlich in vielen Fällen sogar deutlich über 200 Euro. (Ungefähr 70 Prozent meiner Termine enthalten mehr oder weniger bizzare Elemente.)

Ansonsten gilt auch einfach: Mein Spiel, meine Regeln! Ich bin Dienstleisterin und mache ein Angebot, dass einen bestimmten Preis hat. Wem dieser Preis zu hoch ist, der kann gerne schauen, ob er ein ähnliches Angebot bei einer anderen Sexarbeiterin zu einem günstigeren Preis findet (wahrscheinlich schon, ob mit dem gleichen Können und professionellen Umgang sei dahingestellt). Last but not least: Stammkunden verliere ich durch die Preiserhöhung nicht, die wissen was sie an mir haben, und ein Großteil meiner Termine sind Stammkunden.

Penisbilder

Neulich war es mal wieder so weit: ein Penisbild zum Frühstück. Im sonstigen Internet gilt das ungefragte Zusenden von Penisbildern mittlerweile als sexuelle Belästigung und ist strafbar. (Es kann sogar ziemlich unkompliziert online angezeigt werden.) Für Sexarbeiterinnen scheint das in den Augen vieler Kunden noch nicht zu gelten.

Diesmal gab es als erstes ein kurzes Anschreiben a la „Lust auf ein Date“, direkt gefolgt von einem Gesichtsbild. Als ich das dann freundlich benatwortet hatte, kam das Penisbild mit dem Kommentar „Gefällt?“ Ganz ehrlich, was soll ich dazu sagen?!

Ich gehöre auch als Sexarbeiterin zu den Frauen, die mit Penisbildern nichts anfangen können. Es hilft mir noch nicht mal, die Größe einzuschätzen (Zentimeterangaben übrigens auch nicht), und ich finde es auch weder sexy noch ästhetisch. Privat mag ich ästhetische Aktbilder, aber die müssen wirklich gut gemacht sein und kein Spiegel-Selfie (außer vielleicht der Körper ist wirklich perfekt, dann kann das nichts entstellen).

Generell zum Thema Bilder: Sie interessieren mich nicht. Keine Penisbilder, und auch Gesichtsbilder/ Schnappschüsse nicht besonders. Ich habe noch nie einen Kunden wegen seines Aussehens abgelehnt, und auch privat habe ich keinen bestimmten Typ, sondern gucke immer auf das Gesamtpaket, das einen Menschen ausmacht.

Ein nettes Lächeln auf einem Bild kann Sympathiepunkte sammeln – das tut ein durchdachtes Anschreiben und Zuverlässigkeit aber auch.

Schattenwelten

Vor kurzem habe ich den Begriff „Schattenwelt“ im Zusammenhang mit Sexarbeit gelesen. Genauso erlebe ich es gerade auch wieder vermehrt: dass ich mich in einer Welt bewege, die für mich selbstverständlich ist, die aber sehr weit weg ist von den Erfahrungen der meisten Menschen und demnach für viele absolut unvorstellbar. Das gilt nicht nur für Sexarbeit, sondern für viele Szenen, die sich mit Sexualität beschäftigen, die etwas abseits der Norm liegt: SM, Fetische, Swinger, alternative Beziehungsformen etc.

Ich bewege mich in vielen dieser Bereiche selbstverständlich, und mich kann nur Weniges irritieren. Sexualität hat für mich etwas Spielerisches, und ich habe Sex mit großer Selbstverständlichkeit, ohne es immer ganz ernst zu nehmen. Das kann andere Menschen enorm irritieren.

Gerade bin ich mal wieder in einer Situation, in der ich mir überlegen muss, wieviel ich von mir und meinem Leben erzählen möchte. Wenn ich mich Menschen verbunden fühle, kommt irgendwann der Punkt, an dem ich mir überlegen muss, ob ich die Begegnung fortführen kann, ohne von meinem Umgang mit Sexualität zu erzählen und dem großen Stellenwert, den das Thema in meinem Leben hat, oder ob das Verschweigen dieses Teils meines Lebens dazu führt, dass die Begegnung immer an der Oberfläche bleibt, derjenige mich nie wirklich kennenlernt und es sich irgendwann unecht anfühlt.

Ich habe die Entscheidung schon in beide Richtungen getroffen, und häufig bewege ich mich irgendwo in der Mitte. Haben Menschen überhaupt ein Recht darauf, das von mir zu wissen? Manche Menschen fühlen sich betrogen, wenn ich es verschweige und sie später durch Zufall darüber stolpern. Bei Affären oder gar Partnern (also Menschen mit denen ich privat Sexualität teile) mag das richtig sein. Bei platonischen Freunden finde ich nicht, dass ich verpflichtet bin, das von mir zu erzählen.

Bisher bin ich zum Glück nur selten komplett abgelehnt worden, wenn ich von diesem Teil meines Lebens erzählt habe. Meist begegne ich vorsichtiger Neugier, oder auch mal Zurückhaltung und „ich will es lieber nicht so genau wissen“. Beides ist okay für mich, und ich kann von dort aus weitermachen und den Fokus wieder auf andere Dinge richten.

Buchempfehlung: „Give a fck“

Letztes Jahr ist ein Buch erschienen, dass meiner Meinung nach einen wichtigen Beitrag zu den aktuellen Diskussionen über Sexarbeit in Deutschland leistet. Die Journalistin Catrin Altzschner, bekannt für einen Podcast über Sexualität und Beziehungen („Intimbereich“ bei 1Live/WDR) hat sich der Aufgabe angenommen, neutral verschiedene Sexarbeiter*innen zu Wort kommen zu lassen und so die unterschiedlichen Aspekte von Sexarbeit zu sammeln. Darüber hinaus macht sie sich eigene Gedanken zu Themen, die unser Denken über Sexarbeit und den Umgang damit beeinflussen können.

Zu Wort kommen einige Sexarbeiter*innen, die mir aus dem Umfeld des BesD (Berufsverband Sexarbeit e.V.) und/ oder von ihren Social Media Profilen vertraut sind, aber auch (teile ehemalige) Sexarbeiter*innen, die nicht im Licht der Öffentlichkeit stehen (wollen). Den Anfang macht Madame Kali, die ich sehr bewundere für ihren Einsatz für selbstbestimmte Sexarbeit. Auch Master Andre, ein bekannter Dominus und Escort aus Berlin, und Nina de Vries, die Vorreiterin im Bereich Sexualassistenz, kommen zu Wort. Darüber hinaus Personen, die sich weniger medienwirksam präsentieren und andere Aspekte von Sexarbeit beleuchten: Daria, die froh über ihren Ausstieg ist; Nicole und Sarah, die ihr Geld auf der Straße verdienen; Andrada, die es aus Rumänien in ein Bordell im Ruhrgebiet verschlagen hat, und Lena, die sich eine Zeit lang als Sugarbabe ausprobiert hat.

Catrin Altzschner geht darüber hinaus nicht so sehr auf den aktuellen politischen Streit zwischen Vereinen, die sich für das Nordische Modell einsetzen, und selbstbestimmten Sexarbeiter*innen (überwiegend vertreten durch den BesD), die für mehr gleichberechtigte Legalität kämpfen, ein, sondern beschäftigt sich stattdessen mit der Frage, welchen Einfluss andere gesellschaftliche Themen auf Sexarbeit haben. Sie spricht über privaten sexuellen Tauschhandel, Armut, den Heilige-Hure-Komplex, die Frage wie die Gesellschaft generell mit weiblicher Lust umgeht, über Menschenhandel und Pornografie. Dabei liefert sie viele neue Denkanstösse, ohne eigene Standpunkte überzubetonen.

Das Buch ist leicht zu lesen, ich hatte es in wenigen Stunden durch – und werde es garantiert noch häufiger zur Hand nehmen, um bestimmte Themen vertiefend zu reflektieren. Leseempfehlung für alle, die sich für Zusammenhänge und Vielfalt interessieren.

Musikgeschmack

„Music is sex“, heißt es manchmal, und ich stimme dem zu: Musik kann wahnsinnig erotisch sein und beeinflusst in jedem Fall die Stimmung. So ist die Frage, was für Musik ich bei einem Treffen spiele, auch häufig nicht ganz unbedeutend.

Mein eigenes Musikgeschmack ist relativ breit gefächert, aber auch häufig etwas beliebig. Ich höre etwas Neues oder denke an Musik von früher, und dann höre ich diese Musik für einige Tage oder Wochen, bevor mir etwas Anderes begegnet.

Für Musik bei Treffen gibt es zwei unterschiedliche Strategien: Ich stimme die Musik entweder auf die Stimmung ab, die ich bei dem Treffen erzeugen möchte, oder auf meine eigene Stimmung an dem Tag. Beides beeinflusst sich gegenseitig.

In dem Studio, in dem ich einige Jahre gearbeitet habe, gab es im SM-Raum eine eigene Musik – perfekt auf die Stimmung abgestimmt, sie nahm jeden sofort mit in diese düster-erotische Welt. Nur: irgendwann konnten wir Frauen dort die immer selbe Platte einfach nicht mehr hören!

In meinem Zimmer jetzt läuft häufig Kuschelrock, keltische Klänge oder sanfte Ambient-Musik. Ab und zu spiele ich noch die Yoga-Musik, die ich früher bei Tantra-Massagen genutzt habe. Reine Instrumental-Entspannungs-Musik nur noch sehr selten, das trägt mich zu wenig. Ab und zu spiele ich mal ein Album eines Künstlers, der mich gerade beschäftigt (solange es ruhig genug ist).

Ab und zu treten auch Kunden mit Musikwünsche an mich heran. 80er-Musik ist ziemlich beliebt. Ich habe aber auch schon zu einer keltischen Musik massiert, zu Opern oder sogar mal zu Heavy Metall.

Geschichte: Music is se..nsual

„Darf ich dich um etwas bitten?“ Ich nickte, lächelte und sah ihn erwartungsvoll an. „Du hattest mal eine Playlist mit 80er-Liebesliedern laufen, die hätte ich gerne wieder. Und würdest du dich bitte noch nicht ausziehen.“ Etwas ratlos griff ich nach meinem Tab. Meine Musik lief meist über einen Streaming-Kanal und ich hatte keine Ahnung, auf welchem ich jetzt so schnell 80er-Musik finden sollte. Relativ schnell fand ich eine Playlist „Lovesongs der 80er und 90er“ – das sollte passen!

„Everything I do I do it for you“ sang Bryan Adams im Hintergrund, als er aus dem Bad kam und mich in den Arm nahm. Seine Hände strichen über meinen Körper in dem engen roten Kleid, er drückte mich an sich und wir wiegten uns leicht im Takt der Musik. Ich musste lächeln, da ich daran dachte, dass ich wohl seit Teenager-Zeiten keinen solchen Blues mehr getanzt hatte. Ich lehnte den Kopf an seine Schulter, und seine Lippen glitten ganz sanft über mein Schlüsselbein.

„And I never gonna dance again…“ flüstert George Michael in einem „Careless Whisper“. Er drehte mich von sich weg, so dass ich mich mit dem Rücken gegen seine Brust lehnen kann. Seine Hände strichen über meine Taille nach oben, berührten kurz meine Brüste, wanderten dann wieder nach unten.

Von Robby Williams „Angels“ bekam ich nicht so viel mit, da er mir das Kleid über den Kopf zog und mich aufs Bett legte. Seine Lippen folgten der Spur seiner Hände über meinen Körper. Ich griff nach seinem Körper, wollte ihn berühren, doch meinen Bemühungen blieben müssig. „It’s no sacrifice…“ sang Elton John, und nein, mit einem Opfer hatte das hier nichts zu tun. Zu sehr war ich mit seinen Berührungen auf meiner Haut beschäftigt und seiner Zunge, die sich den Weg zwischen meine Beine suchte.

Während er mich verwöhnte, ließ ich meine Hand zwischen seine Beine gleiten und umfasste seinen Penis, um ihn sanft zu stimulieren. „That’s the way love goes“ besang Janet Jackson dazu im Hintergrund, und ich musste an die sinnlichen Bilder des Musikvideos denken, dass ich vor so langer Zeit im Fernsehen gesehen hatte.

Die Stimmung war so angeheizt, dass selbst die Backstreet Boys mit ihrem „I don’t care who you are, what you did, as long as you love me“ sie nicht stören konnten. Sein Köper bewegte sich über mir, sein Atem auf meiner Haut, der zu einem Stöhnen würde, während ich ihn weiter streichelte, bis sein Sperma auf meine Haut spritzte.

Danach lagen wir aneinander gekuschelt und ließen uns von Tina Turner erklären, dass „it’s only physical… what’s love got to do with it“.

Lust auf ein Date

Immer wieder führe ich Diskussionen darüber, warum ich denn keine spontanen Termine mache und dass derjenige aber nur spontan kann. Meist ist das Argument, dass man sich zeitlich nicht festlegen kann (beruflich oder familiär). Manchmal ist das Argument aber auch, dass man halt gerade jetzt Lust auf Erotik hat – und morgen vielleicht schon nicht mehr.

Ehrlich gesagt mag ich dieses Argument überhaupt nicht. Wir sollten alle als Kinder gelernt haben, dass wir nicht alles sofort und nach unseren Launen haben können. Das funktioniert noch nicht mal beim Essen, und bei Erotik mit einem anderen Menschen erst recht nicht; insgesamt spielt unsere Konsumwelt zwar mit dem ständigen Versprechen von sofortiger Bedürfnisbefriedigung, mir fällt aber nichts ein, wo das wirklich möglich ist.

Für mich hat sofortige Bedürfnisbefriedigung beim Sex auch immer was von Druckabbau, vor allem im Paysex. Mit Erotik hat das nichts zu tun, und mit Begegnung auch nicht. Das ist also schon seit vielen Jahren nicht mehr das, was ich anbieten will. Im Privatleben würde man ein solches Verhalten „Bootie Call“ nennen, und es wird zu Recht belächelt. Das kann man vielleicht als Single mit viel Zeit und vielen oberflächlichen Kontakten so halten, aber in den meisten Beziehungen und auch Affären muss man sich verabreden.

Ich mag es auch, mich auf einge erotische Begegnung freuen und vorbereiten zu können, sowohl privat als auch bei bezahlten Dates. Lust ist für mich auch etwas, das ich aktiv aufbaue und gestalte, und nichts auf das ich wie eine inspirierende Eingebung warte.

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