Seit einigen Wochen gibt es einen neuen Mann in meinem Leben. Ich führe schon seit vielen Jahren keine monogamen Beziehungen mehr und kommuniziere das auch sehr klar, wenn ich jemanden kennenlerne. Meine Sexarbeit ist aber immer noch mal ein eigenes Thema, das ich durchaus immer noch schwierig finde. Das fängt schon an bei der Frage: wann erzähle ich davon? So früh wie möglich. Andererseits: wenn das Date sowieso nicht so gut läuft und/ oder es abzusehen ist, dass da nichts längerfristiges draus wird, lege ich eigentlich keinen Wert darauf, dass jemand das von mir weiß.
Diesmal hat es sich ergeben, dass ich schon in den ersten Minuten des Dates davon erzählt habe. Ich hatte kurzfristig noch mal verschoben wegen eines Arbeitstermins, der dann aber doch nicht stattgefunden hat, so dass es bei der ursprünglichen Absprache blieb; seine logische erste Frage war daher: „Was machst du denn beruflich?“, und ich habe aus einem Impuls heraus geantwortet: „Die offizielle Antwort wäre jetzt: Yoga und Massagen. Aber eigentlich mache ich erotische Dates.“ Nach einer kurzen Erklärung ließen wir das Thema erst mal ruhen und sprachen über anderes.
Später sprach er es dann noch mal an: „Erzähl mir doch, wie du das machst mit deinen Dates.“ Wie ich das mache… es ging nicht um die technischen Abläufe, sondern um die Frage, wie ich emotional damit umgehe, wie es sich anfühlt. In mir hatte ich die ganzen unschönen Bilder, die in den Medien von Prostitution gezeichnet werden und die er wohl kannte, und die standen im krassen Gegensatz zu dem Gefühl, dass ich bei meinen Dates habe. Davon erzählte ich dann: von Wohlwollen, von Begegnungen, vom Eingehen auf Bedürfnisse, vom Gefühl etwas geben zu können, dass dem anderen gerade wichtig ist. Von der Fähigkeit, andere Menschen einfach so annehmen und akzeptieren zu können und dabei meine eigenen Vorlieben und Bedürfnisse in den Hintergrund zu stellen.
In den nächsten Wochen war meine Arbeit dann kein Thema mehr, außer was zeitliche Absprachen anging. Ab und zu bat er mich, ihm Bescheid zu sagen, wenn ich mit meinen Terminen fertig war. Beim ersten Mal wies ich ihn darauf hin, dass ich zu über 80% Stammkunden treffe und mich absolut sicher fühle – aber es war wohl nicht das, was ihn beschäftigte. Vorgestern saßen wir abends noch lange im Garten, und er brachte das Thema wieder auf: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich da so wenig Probleme mit habe.“ Er sprach weiter: „Ich würde mir ja wünschen, dass es keine Frauen gibt, die das machen müssen. Aber ohne Zuhälter ist das wohl okay.“ Beide Gedanken sind für mich ziemlich weit weg. Vor allem merke ich, wie sehr ich mich da in einer Welt bewege, die sehr vielen Menschen völlig fremd ist.
Den Gedanken, dass es in einer idealen Welt keine Prostitution gibt, kann ich nachvollziehen – parallel zu dem Gedanken, dass es in einer idealen Welt Dinge wie Armut, Hunger, Einsamkeit etc nicht gibt. In meinen Gedanken bezieht sich das auf beide Seiten: nicht nur, dass es keine Frauen gibt, die das machen, sondern ich wünsche mir auch, dass es keine Männer gibt, für die der Besuch einer Prostituierten nötig ist. Genau davon erzähle ich dann: davon, dass ich zwar Kunden habe, die den Besuch bei mir als Wellness ansehen; dass ich aber genauso viele Kunden habe, die sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht haben, sondern für die dahinter ein langer Weg voll verdrängter Bedürfnisse und Leidensdruck steht – und trotzdem ganz viel Liebe und Respekt für Frau und Familie, in der halt nur einfach die erotischen und körperlichen Wünsche nicht (mehr) erfüllt werden können.
Von Prostitution ging unser Gespräch dann zu BDSM – noch eine Blase, in der ich mich selbstverständlich bewege, die aber vielen Menschen völlig fremd ist. Wie erklärt man Emotionen und Flow, wenn etwas von Außen so hässlich aussehen kann? Ich werde ihn wohl nicht überzeugt haben, genauso wenig wie ich es bei anderen Menschen kann. Aber vielleicht für ein wenig mehr Toleranz geworben.
In einer so engen Begegnung wie mit diesem Mann kann ich solche Gespräche genießen, da sie auch in mir viele Gedanken und Reflektionen auslösen. Generell suche ich solche Gespräche nicht – weil es halt so schwierig ist, etwas zu erklären, was für mich auf einer emotionalen Ebene stattfindet und für mich wenig mit den äußeren Bildern zu tun hat. Vielleicht ist meine Welt einfach zu weit weg von den Erfahrungen, die die meisten anderen Menschen machen…