„Du bist eine sehr kluge Frau. Finde eine normale Arbeit. Dann können wir über uns reden.“ Das war eine der letzten Nachrichten, die ich von ihm bekommen habe, in diesen Wochen, in denen er sich mit viel Schweigen und wenigen Erklärungen von mir getrennt hat.

Diese Aussage ist an so vielen Stellen falsch, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Ich lasse als erstes die Frage zur Seite, wie wir es geschafft haben, monatelang so aneinander vorbei zu reden – Beziehungen sind immer komplexer, als es sich in wenige Sätze packen lässt. Viel mehr beschäftigt mich gerade die Frage, wieso er meint, ein automatisches Exklusiv-Recht auf meinen Körper und meine Sexualität zu haben.

Vor einigen Wochen habe ich folgendes in einem Buch gelesen: „Das Anrecht auf sexuellen Besitz. Als erotisches Eigentum verstehen wir die Befriedigung von sexuellen Bedürfnissen innerhalb der Ehe und den Anspruch auf den Körper und die Sexualität des*der Partner*in. Im Grunde genommen das, was wir bis heute in der seriellen Monogamie leben.“

Ich habe das Konzept der Monogamie ehrlich gesagt nie ganz verstanden, und mich in den letzten Jahren auch zumeist geweigert, irgendwem Versprechungen in diese Richtung zu geben. Immer wieder erstaunt es mich, wie viele Menschen Monogamie in einer Beziehung als Selbstverständlichkeit und Voraussetzung sehen – wo die Realität doch zumeist ganz anders aussieht.

Jemand hat sich mal die Mühe gemacht, sich mit Zahlen zum Thema Treue zu beschäftigen. Er fand, dass 90% aller Männer und 75% aller Frauen mindestens ein Mal in ihrem Leben fremdgehen, dass also in 2/3 alle Beziehungen Untreue vorkommt und die Chance, dass die eigene Beziehung wirklich monogam ist, bei unter 50% liegt. Trotzdem werden wohl die meisten Menschen automatisch behaupten: „Mein Partner macht sowas nicht.“ und da fest von überzeugt sein.

Ich war häufig „die Andere“, also die Frau, mit der Männer fremdgegangen sind (in meiner Rolle als Sexarbeiterin und ein paar Mal auch in meinem Privatleben). Ich bekomme mit, wie selbstverständlich manche Männer dies tun, und wie schwer sich manch andere damit tun, und ich bekomme mit, wieviel Aufwand dafür betrieben wird – und dass es wirklich so gut wie keine Möglichkeit gibt, es zu verhindern. (Da habe ich eine schöne Geschichte zu, die ich vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt in einem eigenen Text erzählen werde. Genauso wie Gründe und Methoden beim Fremdgehen einen Text für sich verdienen.)

Wenn Fremdgehen also eher Normalität als die Ausnahme ist, warum behaupten dann so viele Menschen stur das Gegenteil? Weil sie den anderen Menschen als ihren Besitz ansehen und nicht bereit sind, sich mit ihren eigenen Gefühlen (Verlustangst, Eifersucht etc) auseinanderzusetzen, und nur begrenzt die Verantwortung für die Sexualität der Beziehung übernehmen.

Bin ich verantwortlich für die Sexualität meines Partners? Die meisten Menschen würden das erst mal mit Nein beantworten. Das hängst zusammen mit den oben erwähnten „ehelichen Pflichten“, die zu recht abgeschafft wurden. Andererseits: wenn ich meinem Partner jegliche Sexualität außerhalb der Beziehung verbieten will, muss ich mich dann nicht verantwortlich fühlen für seine sexuelle Erfüllung? Versteht mich nicht falsch: Ich glaube nicht, dass ich jeden Wunsch meines Partners erfüllen muss. Aber ich muss gemeinsame Sexualität aktiv leben und gestalten und mich mit den Wünschen und Bedürfnissen auseinandersetzen.

Treue und gelebte Monogamie sind für mich ein Ideal und ein Geschenk. Etwas, woran jeder Mensch für sich in seiner Partnerschaft aktiv arbeiten kann, indem er sich immer wieder auf den Partner konzentriert und in Kontakt geht. Gleichzeitig sollten wir im Hinterkopf haben, wie menschlich es ist, auf diesem Gebiet zu versagen – und es dann vielleicht nicht als das große Drama sehen, sondern als Stolperstein. Um nach dem Stolpern wieder aufzustehen und weiterzumachen.

Zurück zu meiner zerbrochenen Beziehung: Ich habe mich in den letzten Monaten durchaus als monogam erlebt. Ich habe meine Sexualität und große Teile meines Lebens auf meinen Partner ausgerichtet. Ich war aber nicht bereit, für eine gerade begonnene Beziehung mein ganzes Leben über den Haufen zu werfen. Ich liebe meine Arbeit, ich mache sie gerne und bin gut darin, und sie gibt mir viele Freiheiten. Ich kann mir auch nicht mehr vorstellen, angestellt zu arbeiten. Ich habe die Option gesehen, mich noch mehr auf andere Tätigkeiten zu konzentrieren und die Sexarbeit vielleicht irgendwann auslaufen zu lassen. Aber das wäre ein langer Prozess gewesen, der einer Entwicklung in der Beziehung bedurft hätte – und garantiert nichts, was sich mal eben so zur Voraussetzung machen lässt.