Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Kategorie: Dies und das (Seite 2 von 12)

Geplauder aus meinem Alltag

World Sexual Health Day

Am 4. September ist World Sexual Health Day, also der Welttag der sexuellen Gesundheit. Dieser Tag wurde 2010 von der World Association for Sexual Health (WAS) ins Leben gerufen.

Unter sexueller Gesundheit versteht die WAS nicht nur Safer Sex, sondern ein viel breiteres Spektrum: Sexualle Rechte füralle, Gleichheit der Geschlechter, REduzierung von sexueller Gewalt, freier Zugang zu Sex-Bildung, der Kampf gegen sexuelle Krankheiten, Bahndlung sexueller Dysfunktionen etc.

2023 ist das Motto des World Sexual Health Day „Konsens“. Die WAS schreibt dazu: „Einvernehmlichkeit ist ein wesentliches Element jeder gesunden sexuellen Handlung, und wir müssen und selbst und andere darüber aufklären, wassie bedeutet, wie man sie ausdrückt und wie man sie erreicht. Darüber hinaus ist es wichtig, die Autonomie und die Entscheidungen eines jeden in sexuellen Angelegenheiten zu respektieren und zu schätzen, unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung und anderen Faktoren.“

kaufmich hat in seinem Magazin einen Artikel über den World Sexual Health Day geschrieben (https://www.kaufmich.com/magazin/community/gesund-mit-kaufmich/?_fromLogin=1), der aber natürlich „Pro Paysex“ geschrieben ist. Gerade über Konsens wird im Bezug auf Paysex ja viel diskutiert: Es gibt eine Fraktion von Menschen, die Konsens im Paysex generell abspricht, und es gibt eine Gruppe Sexarbeiterinnen, die sagen dass nirgendwo Konsens so klar geregelt wird wie im Paysex.

Sowohl Safer Sex und sexuelle Gesundheit als auch Konsens sind Themen, die mich seit vielen Jahren immer wieder beschäftigen und zu denen auch einiges an Gedanken hier im Blog zu finden sind.

Herbstgefühl

Jetzt habe ich eine gute Woche nicht geschrieben und bin damit ziemlich aus meinem Takt. Ich fand den ganzen Sommer 2023 körperlich anstrengend; mein Körper reagiert nicht gut auf schnelle Wetterwechsel und ich hatte häufig mit meinem Kreislauf zu kämpfen.

Wenn ich jetzt morgens aus dem Haus gehe, fühlt es sich schon nach Herbst an. Der Herbst ist meine liebste Jahreszeit; die Tage, wenn man noch im Pullover unterwegs sein kann und das Wetter zu langen Waldspaziergängen einlädt, bevor einen der Winter dann ganz ins Haus zwingt.

In meinem Zimmer hatte ich heute zum ersten Mal den Heizstrahler wieder an, für den Kuschel-Faktor während einer Massage. Ich freue mich darauf, wenn es draußen bald dunkel ist und sich mein Zimmer nach einem Rückzugsraum anfühlt, einem Bollwerk gegen die kalte Jahreszeit, und vielleicht auch ein bisschen gegen die emotionale Kälte der Gesellschaft.

Zensur

Einer der Gründe, warum ich diesen Blog auf einer eigenen Website führe und nicht mehr bei kaufmich, war, dass kaufmich immer wieder Beiträge gesperrt hat aus verschiedenen Gründen (die häufig für mich nicht nachvollziehbar waren).

Vor ein paar Tagen ist mir etwas ähnliches auf einer anderen Plattform passiert. Ich hatte dort den Artikel veröffentlicht, den ich zum Thema PrEP geschrieben hatte. In dem Artikel geht es nicht nur um meine Überlegungen zur PrEP-Einnahme, sondern auch in großen Teilen darum, warum ich PrEP nicht für einen Ersatz für Safer Sex halte. Trotzdem wurde der Artikel abgelehnt – mit der Begründung, ich würde zu ungeschütztem Sex aufrufen und das sei auf dieser Plattform nicht erlaubt.

Diese Entwicklung erlebe ich in den letzten Jahren leider immer wieder: Dinge, die nach moralischen Standards nicht sein sollen, werden zensiert und damit auch negiert.

Ich muss dann immer an Amerika denken, dass in vielen Orten ein sehr religiöses Land ist, in dem das Ideal der Ehe hochgehalten wird. Das führt dazu, dass es nur sehr wenig Sexualkunde-Unterricht gibt – und die Zahl der Teenager-Schwangerschaften hoch ist.

Sexualkunde-Unterricht gibt es zum Glück in Deutschland, hiergeht es eher um andere Dinge: Safer Sex wird propagiert, also verbieten wir jede weitere Diskussion darüber, keine Kondome zu verwenden. Das ist jedoch an der Realität vorbei! Es gibt immer Menschen, die Sex ohne Kondom haben werden, und manche auch außerhalb von monogamen Beziehungen. Mir ist es lieber, diese Menschen machen sich vorher Gedanken über das Risiko und über dessen Minimierung auf anderen Wegen (z.B. durch STI-Tests), als das Thema komplett zu negieren und damit als einzige Option eine „mir wird schon nichts passieren“-Einstellung zu lassen.

Genauso ist es meiner Meinung nach mit der Diskussion ums Nordische Modell. Ich glaube nicht daran, dass es jemals eine Welt ohne Prostitution geben wird. In meinen Augen macht es also mehr Sinn, darüber zu reden, wie wir sie für alle Beteiligten sicher gestalten können, statt sie einfach komplett zu verbieten und damit in den Untergrund zu drängen.

Diskussionen zu verbieten und damit Probleme zu negieren führt nur zu noch mehr Problemen, nicht zu deren Lösung! Ich spreche lieber über Realitäten als Ideale – und über Veränderungsstrategien.

Neue Fotos

Heute Morgen habe ich mir endlich wieder die Zeit (und Motivation) genommen, um mit meinem Fotografen loszuziehen und neue Bilder zu machen. Er macht schon seit 15 Jahren meine Bilder, und wir sind ein eingespieltes Team und haben meist viel Spaß beim Shooting.

Trotzdem muss ich mich da in den letzten Jahren immer irgendwie zu zwingen. Wie manchen Menschen schon in meiner Wohnung auffällt, habe ich nur wenige Spiegel, da ich lieber ins Gefühl gehe als nach außen auf mein Aussehen zu achten. Wenn wir Fotos machen, sind da auch immer sehr viele dabei, auf denen ich mir so gar nicht gefalle. Deswegen kosten mich Shootings in den letzten Jahren immer Überwindung.

Wie immer sind aber auch ein paar wirklich schöne Fotos dabei, und ich freue mich darauf, sie Euch in der nächsten Woche zeigen zu können.

Gerüche

Eines der ersten Dinge, die man als Sexarbeiterin lernt, ist, kein Parfüm zu benutzen. (Auch wenn ich weiß, dass nicht alle Sexarbeiterinnen sich daran halten und das im Escort nicht so eng gesehen wird wie bei kürzeren Dates.) Viele unserer Kunden sind verheiratet, und Frauen sind häufig viel geruchsempfindlicher als Männer, so dass ein fremder Geruch schnell verräterisch sein kann.

Phasenweise benutze ich Duftkerzen in meinem Raum, und selbst das ist schon negativ aufgefallen (wenn auch nicht so schlimm wie der Zigarettengeruch, der immer in dem Studio hing, in dem ich vor Corona gearbeitet habe). Im Sommer verzichte ich darauf, und bei mir selber achte ich darauf, immer frisch geduscht zu sein, benutze aber maximal ein Deo.

Viele Kunden denken jedoch nicht daran, dass das mit dem Geruch auch umgekehrt passiert. Ich bin selber sehr geruchsempfindlich. Eigentlich mag ich es, wenn meine Kunden angenehm riechen. Wenn der Geruch aber nach dem Termin noch im Raum hängt, stört mich das. Auch ich selber mag nicht den Geruch eines Kunden an mir haben. Früher hatte ich mit meinem Ex die Absprache, nie ungeduscht nach Hause zu kommen. Mittlerweile finde ich es einfach auch für mich selbst unangenehm und gehe deswegen meist nicht nur vor einem Termin, sondern auch danach komplett duschen.

MySize-Kondome

Kondome in unterschiedlichen Größen sind ja immer noch die Ausnahme; von den meisten Firmen gibt es nur eine Einheitsgröße und vielleicht noch XL. Ich kenne auch nur wenige Männer, die sich jemals ernsthaft Gedanken darüber gemacht haben, welche Kondome sie benutzen – privat keinen einzigen, in der Sexarbeit habe ich das bei zwei Männern erlebt.

Seit einiger Zeit benutze ich neben den Standard-Kondomen von London die Kondome von MySize. Dort gibt es sieben verschiedene Größen, meist greife ich nach meiner Schätzung eine heraus. Richtig sinnvoll ist das eigentlich nur im Randbereich, also wenn ich extra kleine oder extra große Kondome brauche. Die Qualität ist überzeugend – etwas dicker als normale Kondome und sitzen gut.

Für mich als Frau machen verschiedene Kondome keinen Unterschied, und es fällt mir schwer zu beurteilen, wie groß der Mehrwert für einen Mann ist – und wer überhaupt Lust auf solche Experimente hat. Idealerweise sollte sich jeder Mann mal damit beschäftigen, mit welchen er am besten klar kommt (ich besorge auch gerne noch andere). Den meisten fehlt die Initiative dazu, und sie sehen es wohl auch nicht als so nötig an.

Von einigen Männern habe ich jedoch in den letzten Monaten die Rückmeldung bekommen, dass MySize-Kondome einen Unterschied im Gefühl machen und Sex mit Kondom damit deutlich unkomplizierter ist als mit Standard-Kondomen.

(Re-Post vom 22.12.21)

Juhu, Sommer!

Genießt Ihr auch das tolle Wetter so?!

Letzte Woche war ich von Montag bis Freitag im Wendland zu einem Yoga-Retreat. Wir waren alle überrascht von dem tollen Wetter und haben und gefreut, viele der Meditationen im Garten machen zu können oder bei einem Waldspaziergang. Ich hatte noch warm gepackt, mit Pullovern und Decken, und war umso überraschter, plötzlich im T-Shirt auf der Wiese zu sitzen. (Meine Haut hat mir verziehen, dass ich keine Sonnencreme dabei hatte.)

Seit Freitagnachmittag bin ich wieder in Hamburg, und das Wetter hält. Ich bin mit dem Fahrrad zum Yoga gefahren und zum Stall, habe beim Reiten auf dem Außenplatz bei 22 Grad geschwitzt (und mein Pferd noch mehr) und habe Sonntagmorgen mit einem Kaffee bei meinem besten Freund auf dem Balkon gesessen. Von mir aus kann das jetzt bis November so bleiben! (Ja, ich weiß, die Natur braucht auch mal Regen.)

Emotional fühlt es sich für mich an, als wäre ein Schalter umgelegt worden. Ich hatte einen schweren Winter und habe im Februar und März mit Winterdepressionen gekämpft. Jetzt geht es mir deutlich besser und ich kann Dinge gelassen nehmen, die mich noch vor wenigen Wochen völlig aus der Bahn geworfen hätten.

Ich freue mich auf einen tollen Sommer und hoffe, dass es Euch genauso geht!

Selbstexperiment Atem

Eines der ersten Dinge, die ich in meiner Tantra-Ausbildung vor vielen Jahren gelernt habe, sind die drei Schlüssel zur Lust: Atem, Stimme und Bewegung. Es ist schwierig bis unmöglich, Lust und Ekstase im Körper wirklich zu spüren und auszuleben, wenn man seinen Gefühlen nicht Ausdruck verleiht – über heftigeres Atmen, über Töne und über Bewegungen.

Im Yoga beschäftigen wir uns sehr viel mit dem Atem. Ich praktiziere schon seit vielen Jahren bestimmte Atemübungen, die die Stimmungen im Laufe des Tages beeinflussen und die Energie anheben. Seit 1,5 Jahren achte ich vermehrt darauf, nicht durch den Mund zu atmen, sondern ausschließlich durch die Nase. In meinen Yogastunden gelingt mir das häufig, aber es kostet viel Konzentration.

In einem Buch habe ich jetzt gelesen, dass man versuchen kann, die Lippen zuzukleben, um die Mundatmung zu unterbinden und so den Körper umzugewöhnen. Das versuche ich jetzt abends wenn ich zu Hause bin und nachts im Bett. Vor ein paar Tagen lag ich also abends im Bett, den Mund mit einem Klebeband verschlossen, und spielte noch auf meinem Tab herum.

Aus einer Laune heraus startete ich einen erotischen Film und griff dabei nach meinem Vibrator. Das ist ein häufiges Einschlaf-Ritual von mir; ein Orgasmus hilft mir meist beim Einschlafen, wenn ich noch unruhig bin. Doch diesmal fiel es mir schwer. Zuerst verstand ich nicht, wieso mein Körper nicht wie gewohnt reagierte. Es ist ja nicht so, dass ich laut stöhne, wenn ich mit mir alleine bin. Und doch sind es viele kleine, fast unbewusste Dinge, die meiner Lust Ausdruck verleihen: ein Zurücknehmen des Kopfes, ein verstärktes Ausatmen, ein Beben der Lippen – alles Dinge, die ich durch das Klebeband unterbunden hatte.

Ich habe es trotzdem zu einem Orgasmus geschafft, und beim nächsten Mal werde ich daran denken, das Klebeband vorher zu entfernen. Für mich war das aber eine total spannende Beobachtung, wie so etwas kleines wie Atem, Stimme, Bewegung, das mit absolut selbstverständlich geworden ist und über das ich schon seit Jahren nicht mehr nachgedacht habe, doch das ganze Lustgeschehen beeinflusst. Eine sinnvolle Erinnerung!

Buch: „Modern Whore“

Vor ein paar Monaten hat mich jemand auf die kanadische Sexarbeiterin und Künstlerin Andrea Werhun aufmerksam gemacht. Ich habe ihr Buch gekauft, aber es lag dann erst mal ungelesen im Regal. Über Weihnachten habe ich es mit in den Urlaub genommen – und war begeistert davon!

Andrea Werhun hat während ihres Studiums zwei Jahre als Escort gearbeitet und später bis zur Pandemie in einem Strip-Club. Sie erzählt voller Begeisterung von ihrer Arbeit, vom Sex, von spannenden Begegnungen mit Kunden. Aber auch von den negativen Seiten: von Angst, von Übergriffen, von zu viel Alkohol. Für mich ist es das, was sie glaubwürdig und authentisch macht.

Neben dem Text besticht das Buch durch tolle Fotos, auf denen Andrea Werhun sich sehr vielseitig zeigt und in verschiedene Rollen schlüpft. Sie sieht sich selber als Künstlerin. Bei ihrer Arbeit ist sie Performerin, die eine bestimmte Rolle spielt. Darüber hinaus ist sie Autorin, und seit der Pandemie bietet sie mit „Hire A Muse“ einen sehr vielseitigen Service an.

Zusammen mit der Fotografin, die die Bilder für das Buch gemacht hat, hat sie außerdem zwei Kurzfilme realisiert: „Modern Whore“ über ihre Arbeit als Escort und „Last Night at the Strip Club“ über das Ende ihrer Stripper-Karriere durch die Pandemie und ihre Arbeit im Social Distancing. Beide Filme kann man kostenlos auf ihrer Homepage sehen.

www.andreawerhun.com

Jahresende

Before the year ends, I just want to let you know that I am proud of you. That despite everything you’ve been through this year, you made it out stronger. Kinder. Softer. Please believe that in this hard cold world you are a gem. You are a real one. And I hope next year is kind to you. You deserve all the happiness it can give. (r.m.drake)

Bevor das Jahr endet, möchte ich dich wissen lassen, dass ich stolz auf dich bin. Trotz allem was du dieses Jahr durchgemacht hast, bist du stärker daraus hervorgegangen. Freundlicher. Sanfter. Bitte glaube daran, dass du in dieser harten, kalten Welt ein Edelstein bist. Du bist jemand, der wahrhaftig ist. Und ich hoffe, dass nächste Jahr wird freundlich zu dir sein. Du verdienst all die Freude, die es dir geben kann.

Jetzt sind wir mitten in den Raunächten und damit in der Zeit, die sich anbietet, das vergangene Jahr zu reflektieren und Pläne fürs kommende Jahr zu machen. Ich halte nicht viel von guten Vorsätzen, die zum neuen Jahr getroffen werden; meist sind das nur Lippenbekenntnisse, die Mitte Januar schon wieder vergessen sind. Für mich ist Leben eher ein ständiger Veränderungsprozess, und ich kann jederzeit die Richtung ändern (insgesamt oder in Nuancen).

2022 war für mich noch geprägt von den Nachwirkungen der Corona-Pandemie. Ich hatte nicht den Mut, wirklich etwas Neues anzufangen, da ich mich ständig gefragt habe, ob es nicht doch zum Winter wieder Einschränkungen geben wird. Auch hat sich durch die Corona-Zeit vieles verändert, und es ist mir noch nicht gelungen, alle diese Veränderungen zu beachten und meine Arbeit danach auszurichten. Auch Gesundheitsthemen waren und sind für mich gerade noch sehr präsent und nicht abschließend geklärt.

2023 startet für mich mit der Hoffnung auf einen deutlichen Blick nach vorne. Ich wünsche mir ein gutes Jahr, voller Freude und Begegnungen. Ich wünsche mir Bewegung und Leichtigkeit und Kraft und Mut.

Ich wünsche allen meinen Kunden einen guten Rutsch ins neue Jahr und einen guten Start in 2023!

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