Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Monat: November 2023

Geschichte: Blindfolded

Wir kannten uns schon viele, viele Jahre, und seine vorsichtige Anfrage, mal „etwas anderes auszuprobieren“ kam überraschend für mich. Vor einiger Zeit hatte ich eine Geschichte über eine soft-bizzare Session geschrieben, die wohl bei vielen Männern gut ankam und Kopfkino auslöste, auch bei ihm.

So stand er jetzt also hier in meinem Rahmen, die Hände zur Seite gefesselt, während meine Hände sanft über seinen Körper strichen. Ich griff nach einer Augenbinde und zog sie ihm über, während meine Hände durch sein Haar und über sein Gesicht strichen. Jetzt war er mir nicht nur ausgeliefert, sondern konnte noch nicht einmal sehen, was ich als nächstes tun würde.

Immer wieder tanzte ich um ihn herum, ließ meine Hände über seinen ganzen Körper gleiten, vom Rücken über die Brust, die Beine und Arme entlang, und ab und zu auch zwischen seine Beine, um ihn zu stimulieren. Ein sanftes und doch so aufregendes Spiel! Ich ergänzte meine Hände mit einem kleinen Flogger, nicht um ihn zu schlagen, sondern nur um die Lederschnüre über seine Haut gleiten zu lassen oder sanft dagegen zu wippen. Erst an seinen Armen, seinem Rücken, seiner Hüfte, dann an intimeren Stellen.

Als schließlich seine Lust deutlich sichtbar war und die ersten Tropfen seine Spitze benetzten, löste ich seine Hände und sagte: „Lass die Augenbinde noch auf. Lass dich von mir führen, zwei Schritte nach vorne stößt du gegen die Matte, da kannst du dann einfach nach unten zu mir kommen.“ Ich führte ihn mit mir und legte mich auf die Matte, während er über mir kniete.

Immer noch blind begann er, seine Hände und Lippen über meinen Körper wandern zu lassen. Erst forsch griff er nach meinen Brüsten, saugte an den Nippeln, um sich dann zurückzunehmen, um mehr zu genießen. Seine Hände wanderten an meinen Beinen und Armen entlang, und seine Lippen spielten mit meinen Zehen und Fingern. Ich wand mich längst lustvoll, als sein Mund meine Mitte fand.

Ich wies ihn darauf hin, dass er die Augenbinde jederzeit abnehmen könne, wenn er wolle, und er kam dieser Erlaubnis dankbar nach und zog die Binde hinunter. Kurz blinzelte er im Dämmerlicht, bevor er sich wieder meinem Körper zuwandte. Ich richtete mich auf und drückte gegen seine Brust, als Zeichen dass er sich auf den Rücken legen sollte. Dann revangierte ich mich für die erwiesenen Aufmerksamkeiten, indem ich seinen Penis tief in den Mund nahm.

Er griff nach mir, auf der Suche nach mehr Nähe, und bat: „Komm über mich.“ Ich streckte meinen Körper über seinem, doch er drehte mich, bis ich in der 69-Position über ihn hockte und er mich mit der Zunge verwöhnen konnte, während ich ihn stimulierte. So brachte ich ihn zu einem genussvollen Höhepunkt.

Same Procedure As Every Year

Heute war ich mal wieder zu dem jährlich vorgeschriebenen Gesundheitsberatungsgespräch laut Prostitutionsschutzgesetz. Es lief wie in den letzten Jahren, neuerdings mit offener Sprechstunde. Zehn Minuten Wartezeit (in der völlig leeren Behörde), dann ein ganz kurzes Gespräch (Smalltalk, „Hast du Fragen mitgebracht? – Nein.“, „Willst du Kondome mitnehmen? – Nein.“), dann wurde die Bescheinigung ausgedruckt, und nach vier Minuten war ich wieder raus.

Dieses Jahr habe ich mich erstmals bei dem Gedanken erwischt, ob ich das wirklich brauche und machen soll. Ich bin seit drei Jahren nicht mehr nach der Bescheinigung gefragt worden, und so wie ich arbeite ist das Risiko einer Kontrolle Null. Der einzige Grund, das noch fortzusetzen, ist dass ich halt eh im System bin, dann kann ich es auch weiterhin ordnungsgemäß machen.

Ab und zu werde ich mal von meinem Umfeld gefragt, ob ich Angst vor dem Nordischen Modell habe, das gerade propagiert wird. Ich habe da nur halb ein Auge drauf, hoffe natürlich wie fast alle anderen Sexarbeiterinnen dass es nicht kommt – aber mache mir da auch keine übermäßigen Sorgen drüber. Sexarbeit gab es immer und wird es immer geben, gesellschaftlich war sie nie richtig anerkennt, und die juristischen Feinheiten spielen im Alltag nur eine untergeordnete Rolle.

Sicherheitskonzepte im BDSM

In meinem Profil habe ich stehen: „Safer Sex & SSC“. Safer Sex ist für die meisten klar, aber nach SSC werde ich nur selten gefragt. SSC steht für Safe Sane Consensual – Sicher Vernünftig Einvernehmlich.

SSC ist die höchste Sicherheitsstufe im BDSM. Sie bedeutet im Grunde, dass man jederzeit sichergeht, einvernehmlich zu handeln und nur im Rahmen dessen, was garantiert ohne körperliche und psychische Verletzungen möglich ist.

Eine Stufe darunter ist RACK – Risk Aware Consensual Kink – Risikobewusstes einvernehmliches Spiel. Dabei ist allen Beteiligten bewusst, dass es in dieser Technik keine absolute Sicherheit gibt, sondern dass durchaus die Gefahr von Verletzungen besteht. Diese Gefahr wird weitestmöglich ausgeschlossen und das Restrisiko in Kauf genommen.

Noch eine Stufe darunter ist EDGE – Edgeplay – Grenzspiele. Das sind Spiele für Fortgeschrittene, die ihre körperlichen und psychischen Grenzen austesten wollen und dabei auch ein höheres Risiko von körperlichen Verletzungen oder psychischen Abstürzen in Kauf nehmen.

Und dann gibt es noch DEBRIS… über das ich hier eigentlich nicht reden möchte, denn es geht um das bewusste Verletzen des devoten Parts.

Vor kurzem hat mir mal jemand vorgeworfen, ich würde „keinen Spass machen“, da ich Wert auf solche theoretischen Grundlagen und ethischen Grundsätze lege; das war ihm alles zu wenig „einfach mal Spass haben“. Aber meiner Meinung nach sollte niemand diesen Spass mit Wunden bezahlen.

Im Pay-Bereich halte ich SSC für unerlässlich, da ich die meisten meiner Kunden nicht wirklich kenne und auch nicht so regelmäßig mit ihnen spiele, dass sich ein echtes Vertrauensverhältnis entwickeln kann. In Ausnahmefällen (und privat) bewege ich mich mal im RACK-Bereich. Edgeplay bleibt meinen erotischen Fantasien vorbehalten, dieses Risiko würde ich in der Realität nie eingehen.

Sichergestellt werden diese Rahmen übrigens durch ausgiebige Vor- und Nachgespräche und durch die Verwendung des Ampelsystems und/ oder eines Safeword. Ampelsystem heißt, dass ich zwischendurch nach einer Farbe frage. Bei den Antworten bedeutet „Grün“ = „Alles okay, mach weiter.“, „Gelb“ = „Ist okay, aber nicht mehr.“ und „Rot“ = „Stop, einen Schritt zurück.“. Ein Safeword kann individuell vor dem Spiel vereinbart werden, oder man nutzt das allgemein gültige Safeword „Mayday“. Bei Verwendung des Safewords muss das Spiel sofort abgebrochen werden.

A Life I Don’t Need A Vacation From

„My goal is to build a life I don’t need a vacation from.“

Schon seit vielen Jahren lebe ich nach diesem Motto: „Mein Ziel ist es, ein Leben zu schaffen, von dem ich keinen Urlaub brauche.“ Das gelingt mir immer besser.

Dieses Jahr war ich nicht in Urlaub, und ich habe es auch nicht vermisst. Wenn ich die letzten Jahre in Urlaub war, war das entweder zu einer Fortbildung oder um Zeit mit meinem Partner zu verbringen. Dieses Jahr habe ich Anfang des Jahres eine längere Fortbildung abgeschlossen; den Großteil davon an Wochenenden hier in Hamburg, den letzten Teil mit fünf Tagen in einem Seminarhaus im Wendland. Danach habe ich einen ruhigen Sommer hier in Hamburg verbracht.

Ich mag mein Leben, und ich mag meinen Alltag. Ich arbeite unregelmäßig, meist weniger als die meisten Menschen mit Anstellung, dafür zu ungewöhnlichen Zeiten. Dazwischen kann ich die Zeit für mich nutzen. Mein Leben hat einen sehr eigenen Rhythmus entwickelt, in dem sich aktive und ruhigere Phasen sehr natürlich entwickeln und abwechseln.

Dazu kommt, dass Hamburg eine Großstadt ist, die fast alles bieten, womit man seine Freizeit verbringen kann. Ich mag sowohl die Dinge, mit denen ich regelmäßig meinen Alltag fülle, als auch ein paar Mal im Jahr neue Dinge zu erleben, oder liebgewonnene Orte wiederzubesuchen. Darüber habe ich nicht häufig das Bedürfnis, völlig fremde Gegenden zu besuchen – zumindest nicht als Selbstzweck.

Als Selbständige habe ich keinen bezahlten Urlaub, sondern ich muss nicht nur die Reisekosten finanzieren, sondern auch den Verdienstausfall in der Zeit einplanen. Dazu kommen die vielen Dinge, die ich umplanen muss: Vertretung für meine Yogastunden finden, die Versorgung meines Pferdes organisieren. Beim Reisen ändert sich meist der komplette Ablauf: Schlafrhythmen, Bewegung, Ernährung. Das alles führt dazu, dass ich Reisen im Moment eher als Stress empfinde.

Wenn ich auf Social Media sehe, wie viel manche Menschen unterwegs sind, komme ich mir langweilig vor. Aber es ist mein Leben – eins, das ich so sehr genieße, dass ich keinen Urlaub davon brauche.

Monetarisieren

In letzter Zeit bekomme ich immer wieder Nachrichten von kaufmich, dass ich mein Profil „monetarisieren“ solle – und bin reichlich irritiert davon. Meist ignoriere ich diese Nachrichten einfach, aber ich frage mich schon, wo das die Plattform in nächster Zeit hinführen wird.

Angefangen hat es im Lockdown, als viele Anbieterinnen versucht haben, sich durch den Verkauf von Bildern und Videos über Wasser zu halten. Dafür bot und bietet kaufmich keine Möglichkeiten, das musste immer über andere Wege abgewickelt werden. Die von kaufmich eingeführte Bezahlmöglichkeit erscheint mir wenig attraktiv, weder für Anbieterinnen noch für Kunden.

Schon seit einer ganzen Weile hat kaufmich einzelne Funktionen beschränkt. Bei der Nachrichten-Funktion war das schon immer so, und seit einigen Jahren ist auch die Telefonnummer nicht mehr sofort sichtbar, sondern muss separat angezeigt werden. Ich habe bisher nie ganz durchschauen können, was wovon abhängig war – Kunden konnten nur begrenzt Nachrichten schreiben ohne Premium-Mitgliedschaft, oder die Nummer wurde nicht angezeigt, wenn ich keine Premium-Mitgliedschaft habe, oder was auch immer.

Jetzt bietet kaufmich die Möglichkeit, dass ich meine Nachrichten-Funktion und die Anzeige der Telefonnummer sperre und diese nur gegen einen „Tipp (Trinkgeld)“ sichtbar sind – angeblich würde mir das Zeit sparen, da so nur Kunden meine Kontaktdaten kriegen, die ernsthaft an einem Termin interessiert sind. Ich halte das für totalen Quatsch! Ja, ich kriege auch mal Nachrichten oder Anrufe, die eigentlich keine Antwort wert sind – aber in so geringer Zahl, dass der Zeitaufwand minimal ist. Ansonsten finde ich es ziemlich normal, dass nicht aus jeder Anfrage auch ein Termin wird; manchmal passt es einfach nicht, inhaltlich oder zeitlich, und das sagt nichts über die Ernsthaftigkeit der Anfrage aus.

Kaufmich ist für mich eine Werbeplattform, in den letzten Jahren die einzige, die für mich einigermaßen funktioniert. Als Dienstleisterin muss ich auf mich aufmerksam machen, und es gehört meiner Meinung nach zu meinem Job, Fragen zu beantworten und auch einfach mal ein kurzes Gespräch zu führen, damit jemand einen ersten Eindruck von mir bekommt und danach seine Entscheidung treffen kann. Jeder Konakt vor dem Termin hilft Vertrauen aufzubauen, sowohl für mich als auch für den Kunden, und ist daher in meinen Augen unverzichtbar. Ich würde meine Termine nicht über ein Online-Formular (wie den Date-Manager) machen wollen.

Als nächster Schritt sollen jetzt bestimmte Bilder nicht mehr für alle sichtbar sein, sondern auch nur noch gegen Extra-Zahlung. Auch das halte ich für Quatsch! Bilder sind ein wichtiger Teil der Werbung, und wenn ich mit meinen Bildern Geld verdienen möchte, gibt es dafür bessere Plattformen als kaufmich. Ich verstehe nicht so richtig, wo diese Zerfaserung von Profilen hinführen soll – diese Extra-Zahlungen verärgern in meinen Augen die Kunden so sehr, dass sie den minimalen Extra-Verdienst nicht wert sind.

Weltenwechsel

Samstagmorgen um acht vertrete ich die Yogastunde einer Freundin. Nach ihrem Konzept habe ich eine Stunde zum Thema „Ahimsa“ gestaltet – Gewaltlosigkeit, sich selbst und anderen gegenüber. Ich leite die Teilnehmer durch eine einführende Meditation, dann Bewegungen, Atemübungen, Entspannung. Ich liebe es, einen Flow zu entwickeln, der jeden Schüler dort begleitet, wo er gerade ist, und gleichzeitig eine gemeinsame Energie in der Gruppe schafft.

Selbst mache ich nur einen Teil der Übungen mit. Zwischendurch bewege ich mich immer wieder durch den Raum, korrigiere, helfe, beobachte. Wenn ich vorne stehe und mich selbst bewege, ist jede Bewegung vertraut, hundertfach geübt. Sie bringen mich in meinen Körper als mein Zuhause.

Nach der Stunde stehe ich noch vorne am Tresen, spreche mit Schülern und mit einigen anderen Yogalehrerinnen, die zu einer Fortbildung ins Studio gekommen sind. Eigentlich hatte ich diese Fortbildung für mich auch geplant, es dann aber auf nächstes Jahr geschoben, so dass ich jetzt in meine Wohnung fahre.

Um elf habe ich eine Session. Im Minikleid empfange ich meinen Kunden, mache Smalltalk und ein kurzes Vorgespräch. Wir kennen uns schon, aber unsere letzte Session ist lange her. Trotzdem sind mir Stimmung und Abläufe so vertraut wie zuvor der Verlauf der Yogastunde, und ich genieße es genauso.

Ich stelle ihn in den Rahmen, spiele mit leichten Berührungen, die sich dann zum Schmerz steigern. Ich beobachte jede seiner Reaktionen, richte mich danach und lasse mich davon inspirieren. Nutze meine Hände, Fingernägel, einen Flogger, eine Gerte. Streichle ihn sanft und schlage überraschend zu.

Als ich vor ihm knie und Seile um seinen Körper wickle, frage ich mich kurz, was die Frauen im Yogastudio wohl denken würden, wenn sie mich so sehen könnten. Diese Welt scheint so völlig anders – und doch bin beides Ich, fühle ich mich in beiden Welten zu Hause, und sind die Gefühle von Konzentration und Hingabe an den Moment gleich.

Ich setze die Session fort mit einer Massage, lasse meinen Körper über seinen gleiten, und verwöhne seinen ganzen Körper mit seinen Händen und Lippen. Auch als ich ihm meinen Körper überlasse, seine Hände auf meiner Haut und seinen Körper über mir genieße, ist das kein Bruch im Gefühl. Immer noch bin ich diejenige, die gestaltet und leitet.

Immer wieder verzweifle ich an dem Versuch, meine Welten in Einklang zu bringen. Sie wirken so weit voneinander entfernt – doch in mir und in meinen Gefühlen sind sie sich oft ganz nah.