Sexarbeit ist kein Thema, über das ich leicht rede. Zu sehr ist es mit Vorurteilen behaftet. Manchmal habe ich einfach keine Lust auf Erklärungen, die sich zu schnell nach Rechtfertigungen anfühlen, und auf moralisch-emotionale Diskussionen, bei denen man doch keinen gemeinsamen Nenner findet. Das klingt jetzt sehr negativ – ich habe durchaus auch schon häufig Toleranz und Interesse erfahren. Insgesamt ist es ein Thema, das sich schnell in den Vordergrund drängt und nie einfach so erwähnt und wieder abgehakt werden kann.

Es gab und gibt unterschiedliche Phasen in meinem Leben, wie ich mit dem Thema umgegangen bin. Mit Anfang 20 habe ich da fast allen gegenüber ein Geheimnis draus gemacht. Dann, mit Mitte/ Ende 20, hatte ich eine Phase, in der es mir wichtig war, möglichst vielen Menschen in meinem Umfeld davon zu erzählen. Ich hatte das Gefühl, dass mich jemand nicht richtig kennen würde, wenn er das nicht von mir wüsste, und das demnach der Kontakt nicht „echt“ sei, wenn ich es verheimliche.

Später gab es Phasen, da habe ich fast gar nicht mehr darüber geredet. Mein Schwerpunkt hatte sich von klassischer Prostitution hin zu Tantra-Massagen verschoben, und das war ja schon fast seriös. Ich hatte nicht das Gefühl, dass das noch ein wichtiger Teil von mir war, und habe dementsprechend selten darüber gesprochen. In den letzten Jahren bin ich ja nun nicht mehr nur im Bereich Tantra-Massagen/ Erotische Massagen unterwegs, sondern mehr in Bereichen, die wirklich eindeutig Sexarbeit sind. Die Menschen in meinem Freundeskreis wissen das, Freizeit-Bekannte nicht – so einfach.

Im Moment lerne ich jedoch gerade relativ viele neue Menschen kennen, dadurch dass ich wieder mehr weggehe und auch bewusst neue Kontakte suche. Ich erwische mich dann dabei, wie ich ganz begeistert von meiner Tätigkeit als Yogalehrerin und Masseurin erzähle und das Thema Sexarbeit gedanklich ganz weit in den Hintergrund schiebe. Dabei frage ich mich immer wieder, wie echt der Kontakt ist und ob ich nicht ein falsche Bild von mir vorspiegle. Es fällt mir gerade schwer, mich den Fragen und Urteilen auszusetzen, die auf eine solche Enthüllung folgen – und vielleicht auch der Ablehnung.

Gleichzeitig wächst die Angst, ungewollt geoutet zu werden, etwa indem irgendwo in meinen Erzählungen ein Widerspruch drin ist oder einfach indem mich jemand gründlich googelt. Ich habe (noch) keine Antwort für diese Fragen, Gedanken und Gefühle; es ist einfach etwas, das mich gerade (mal wieder) sehr beschäftigt.