Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Kategorie: Gesundheit (Seite 2 von 5)

Gesundheitsthemen mit Bezug auf Sexarbeit

Was bedeutet Gesundheit

In den letzten Wochen und Monaten habe ich mir so viel Gedanken über das Thema Gesundheit und Gesundheitsvorsorge gemacht wie wohl nie zuvor in meinem Leben. Viele dieser Gedanken sind noch nicht zu Ende gedacht und Entscheidungen noch nicht getroffen.

Die Corona-Pandemie scheint vorbei zu sein, zumindest wird es wohl keinen weiteren Lockdown geben (und hoffentlich auch keine weiteren Maßnahmen). Ich habe mir Anfang Dezember mit dem angepassten Impfstoff die zweite Booster-Impfung geben lassen. In Supermärkten u.ä. trage ich weiterhin meist eine Maske, und natürlich in öffentlichen Verkehrsmitteln. Trotzdem ertappe ich mich dabei, beim Gedanken an die lange Zugfahrt in meine Heimat zu Weihnachten von der Maske genervt zu sein. Vielleicht ist die Maske eh Heuchelei, den es gibt viel mehr Situationen, in denen ich keine Maske trage und das Risiko mindestens genauso hoch ist.

Im Oktober habe ich mich mal wieder mit dem Thema STI (sexuell übertragbare Krankheiten) beschäftigt, was ja bei meiner Tätigkeit ein Dauerthema ist. Einerseits scheine ich darüber alles zu wissen. Andererseits bleibt das Risiko trotzdem immer präsent und ist nie ganz auszuschließen, und wenn man mit Ärzten spricht, nimmt die Problematik eher zu, z.B. in Form von Antibiotika-resistenzen. Viele Menschen scheinen das Thema immer noch zu leicht zu nehmen, indem sie z.B. glauben gesund zu sein, solange sie keine Symptome haben, statt sich regelmäßig zu testen (wenn sie nicht zölibater oder streng monogam leben).

Letzte Woche war ich bei einer Hausärztin, zum ersten Mal seit fast zehn Jahren. Sie hat dann erst mal alle meine Impfungen aktualisiert und mir auch zu einer Grippe-Impfung geraten. Ob es wirklich hilft gegen die aktuelle Grippe-Welle? Bis jetzt bin ich gesund, während um mich herum die Hälfte der Menschen mit schweren Erkältungen kämpfen. Allerdings merke auch ich den Winter; ich fühle mich längst nicht so fit und aktiv wie noch im September, brauche deutlich mehr Ruhe und Schlaf und reagiere körperlich und psychisch empfindlich auf kleine Störungen.

Was heißt es eigentlich, gesund zu sein? Keine Infektionskrankheiten oder andere klar definierte Krankheiten zu haben? Oder sich fit, aktiv, leistungsfähig zu fühlen? Sich in seinem Körper wohl zu fühlen? Ich habe einige Menschen in meinem Umfeld, die ständig über ihren eigenen Grenzen leben: zu viel Arbeit, zu wenig Schlaf, nicht richtig auskurierte Infektionen etc. Ich zähle mich nicht dazu, aber auch ich mache mal ein Date, obwohl ich gerade wund oder überempfindlich bin, oder unterrichte Yoga mit Muskelkater, Müdigkeit, kleineren Verletzungen. Es ist ein schmaler Grad zwischen „zu viel“ und „zu faul“…

Aufklärung

In meinem letzten Beitrag habe ich mich über die schlechte Gesundheitsberatung bei der GESAH aufgeregt. Im Umgang mit Menschen, für die Sexualität und/ oder Gesundheitsfragen nicht zum beruflichen Alltag gehören, frage ich mich aber öfter mal: wie aufgeklärt sind die meisten Menschen eigentlich, wieviel Wissen haben sie?

Ich erinnere mich, dass ich während meiner Schulzeit irgendwann nur noch genervt war vom Thema Sexualkunde. Alle zwei Jahre stand es auf dem Lehrplan, mit wachsender Intensität, ergänzt durch Ausflüge zu Pro Familia. Doch wenn ich jetzt daran zurückdenke, was ich gelernt habe: biologische Grundlagen über Sex und Schwangerschaft, ziemlich viel über Verhütung, und ein wenig über HIV, wenig über andere STI.

Vor ein paar Jahren habe ich das beeindruckende Buch „Make Love“ von Ann-Marlene Henning gelesen (erschienen 2012). Sie geht sehr viel tiefgängiger und feinfühliger auf verschiedene Bereiche ein, neben der Biologie auch auf Fragen wie sexuelle Identität, Vorlieben, Erleben, Unsicherheiten, Consent, besondere Vorlieben und vieles andere. Ich möchte dieses Buch auch Erwachsenen von ganzem Herzen empfehlen! (Älteren Erwachsenen empfehle ich auch das Buch „Make more love“ über Sex im Alter.)

Ich habe mittlerweile ein ganzes Regal voll mit Büchern über Sex, SM, Beziehungen, Polyamory, Tantra u.a. Man kann es wohl als mein Lebensthema bezeichnen. Dadurch sind manche Dinge für mich selbstverständlich geworden; vor allem Wissen über Anatomie, sexuelle Gesundheit, Erregungskurven und individuelles Empfinden.

Immer wieder stolpere ich jedoch darüber, dass viel von dem Wissen, dass ich als allgemein bekannt voraussetze, das bei vielen Menschen doch nicht ist. Im Internet führen wir wilde Diskussionen über sexuelle Gesundheit, und mit meinen Kunden rede ich immer wieder über individuelle Anatomie und das Training von Empfindungen und Erregung.

Ich würde mir da mehr Interesse wünschen, das über das Konsumieren von Pornos und deren falschen Bildern hinausgeht. Nichts gegen Pornos, aber das ist als würde man Hochleistungssportlern beim Wettkampf zusehen und davon Trainingstipps für sein Fitnesstraining ableiten wollen. Wer nicht gerne liest, dem möchte ich die Seite www.joyclub.de empfehlen; diese betreibt seit einiger Zeit ein sehr interessantes Projekt „Sexeducation“, bei dem verschiedene Trainer Lifestreams (und Aufzeichnungen) zu unterschiedlichen Themen anbieten.

Lecktücher

Schon seit einiges Zeit habe ich bei meiner Ausstattung Lecktücher liegen, wurde jedoch noch nie danach gefragt. Das hat sich jetzt geändert, und ich habe das zum ersten Mal ausprobiert, bei einem Facesitting.

Erster Eindruck: ein mitteldünnes Stück Folie, von der Konsistenz wie ein Kondom. Ich habe meinen Intimbereich dünn mit Gleitgel bestrichen und es dann darübergelegt. Es hielt so einigermaßen, außen habe ich es etwas mit zwei Fingern fixiert. Das Tuch hätte gerne etwas größer sein dürfen, so dass es bis zum Ansatz der Oberschenkel reichte, um wirklich ganz abzudecken und etwas Spiel zum Verrutschen zu haben.

Das Gefühl beim Lecken war für mich erstaunlich angenehm, das Tuch störte mich nicht wirklich. Das Gefühl war fast so intensiv wie ohne. Ob er es (neben dem Gesundheitsaspekt) als positiv oder negativ empfunden hat, mich nicht schmecken zu können, sondern stattdessen den künstlichen Geschmack des Lecktuchs im Mund zu haben, kann ich nicht sagen. Mir geht es ja genauso, wenn ich beim Oralsex Kontome benutze, und da stört es mich mittlerweile kaum noch.

Dadurch dass ich mich dafür verantwortlich fühlte, dass das Tuch nicht verrutschte, war ich etwas abgelenkt und konnte mich nicht so fallen lassen wie sonst. Wenn ich diese Aufgabe an den Mann abgeben könnte, wäre es wohl für mich ein rundum angenehmes Erlebnis – und für beide ein absolut sicheres Vergnügen.

Das leidige Thema

Wir nähern uns dem Herbst, und damit kommt auch langsam das Thema Corona wieder hoch. Ich habe mich in den letzten Monaten daran gewöhnt, dass es vorbei ist. Das Leben fühlt sich fast wieder normal an, nur in der Bahn herrscht noch Maskenpflicht. Im Supermarkt habe ich trotzdem noch eine Maske getragen, aber seitdem ich von S-Bahn auf Fahrrad umgestiegen bin, muss ich mich jeden Morgen bewusst daran erinnern, überhaupt eine Maske in der Tasche zu haben.

In der letzten Woche sind mir dann wieder zwei Fälle von Impfgegnern über den Weg gelaufen – und ich habe keine Ahnung, wie ich weiter mit dem Thema umgehen will. Während der ganz akuten Zeit letztes Jahr und dieses Frühjahr habe ich konsequent alle Menschen gemieden, die nicht geimpft waren. Nicht mal wegen des Risikos, sondern einfach weil ich dieses Verhalten für verantwortungslos und únsozial halte.

Andererseits machen die meisten Menschen in meinem Umfeld irgendetwas, das sich nicht mit meinen Werten deckt. In den meisten Fällen wechseln wir dann das Thema und erkennen an, dass wir halt einfach unterschiedlicher Meinung sind. Sollte ich anfangen, dass beim Thema Corona genauso zu handhaben?

Die Aussagen von Ärzten und Wissenschaftlern sind größtenteils aus den aktuellen Nachrichten verschwunden, und ich habe mir bisher nicht die Mühe gemacht, bewusst danach zu suchen. Ich bin dreifach geimpft und zusätzlich genesen, und wenn möglich werde ich mir im November noch eine vierte Impfung geben lassen. Ich denke damit ist es dann gut, und ich habe keine Lust mehr, mein Leben einzuschränken und/ oder da ein Streitthema draus zu machen.

Lasst uns bitte einfach wieder ein halbwegs normales Leben führen, in dem auch Risiken ihren Platz haben. Leben ist leider lebensgefährlich…

Frauengesundheit

Wenn im Paysex über Gesundheit gesprochen wird, geht es meist um sexuell übertragbare Krankheiten wie HIV, Syphillis, Tripper, Chlamydien. Diese Krankheiten kommen vor, sind aber zum Glück doch relativ selten und lassen sich durch Kondome leicht vermeiden.

Viel problematischer sind für viele Sexarbeiterinnen gesundheitliche Probleme, die sich einfach aus der Menge der sexuellen Kontakte mit unterschiedlichen Männern ergeben. Wenn eine Frau anfällig dafür ist, kommt es schnell zu PIlzinfektionen, bakterieller Vaginose oder Blasenentzündung. Das ist nicht dramatisch und lässt sich meist sogar ohne Arztbesuch beheben. Es ist aber unangenehm und nervig.

Eigentlich sollte die betroffene Frau in einem solchen Fall ein paar Tage zu Hause bleiben und sich auskurieren. Tun aber ehrlich gesagt nur die wenigsten; Sexarbeiterinnen sind auf regelmäßiges Einkommen angewiesen, die Kosten (Appartementmiete etc) laufen weiter, und Unzuverlässigkeit kostet schnell Stammkunden. Also wird weiter gearbeitet – auf die Gefahr hin, die Gesundheit weiter zu riskieren.

Leider fällt mir auch immer wieder auf, dass vielen Männern diese Problematik so gar nicht bewusst ist. Viele Sexarbeiterinnen lassen sich nur sehr ungerne fingern – verständlich, denn diese Technik birgt das Risiko von Mikroverletzungen durch Fingernägel, die dann zu Infektionen führen können, und viele Männer achten auch einfach nicht darauf, sich regelmäßig die Hände zu waschen und nicht von eigenen Intimbereich in den der Sexarbeiterin zu greifen, oder aber den Analbereich zu berühren und dann wieder nach vorne zu gehen (beides erhöhtes Infektionsrisiko).

Eine erfahrene Sexarbeiterin lernt, ihren Körper zu lesen und im Idealfall frühzeitig Vorkehrungen zu treffen, um eine schlimmere Infektion zu vermeiden. Trotzdem möchte ich diese Thematik immer wieder den Kunden gegenüber ins Bewusstsein bringen, in der Hoffnung auf mehr Rücksicht und Hygienebewusstsein.

S.A.M. Health

Die meisten Menschen, die im Paysex unterwegs sind, legen Wert auf Safer Sex, zumindest was die Verwendung von Kondomen angeht. Viel weniger Gedanken machen sich die meisten über Oralsex oder über die Fragen, wo sie in welcher Reihenfolge ihre Finger haben. Dadurch bleibt immer ein Restrisiko, sich doch mit einer Krankheit anzustecken. Ich halte es dafür für alle Menschen, die wechselnde Partner haben, für wichtig, sich regelmäßig auf die verbreitetsten sexuell übertragbaren Kranheiten testen zu lassen.

Neben dem Hausarzt bieten diese Tests in den meisten Städten die AIDS-Beratungen an. Seit einigen Jahen gibt es außerdem die Möglichkeit, die Proben für diese Tests selbst zu Hause zu entnehmen und an ein Labor zu schicken. Das Projekt heißt „S.A.M. Health“. Ich habe es jetzt schon einige Male genutzt und bin zufrieden damit.

Nach einer Online-Registrierung und einem kurzen telefonischen Beratungsgespräch bekommt man Abstrichtupfer und ein kleines Röhrchen zur Blutabnahme nach Hause geschickt. Die Proben kann man (nach Anleitung) problemlos selbst entnehmen. Sie werden dann an das Labor geschickt, und innerhalb von drei Tagen hat man das Ergebnis per SMS auf dem Handy – ganz diskret. Mit 59 Euro entspricht der Preis in etwa dem, was man auch bei den Beratungsstellen zahlt, und ist deutlich günstiger als beim Hausarzt. Und man spart sich halt den Zeitaufwand für einen Arzttermin.

Ich möchte es allen meinen Kunden immer wieder nahe bringen, sich mit dem Thema zu beschäftigen und Verantwortung zu übernehmen.

samhealth.de

Covid-positiv

Jetzt hat es mich auch erwischt: seit gestern bin ich Covid-positiv. Ich habe mich Mitte letzter Woche bei einem Freund angesteckt, der am Wochenende davor auf Festival war. Sein Test war seit Freitagmorgen positiv. Kurz habe ich noch gehofft, mich nicht angesteckt zu haben, aber seit Samstag huste ich und seit gestern habe ich eindeutige Symptome. Im Moment fühlt es sich an wie eine normale Erkältung: Husten, Schnupfen, Kopfschmerzen. Ich bin selten krank und kann da schlecht mit umgehen, mir fällt jetzt schon die Decke auf den Kopf.

Gefühlt sind im Moment 20-30% der Menschen in meinem Bekanntenkreis Covid-positiv, es war also vielleicht nur eine Frage der Zeit bis ich mich auch anstecke. Dabei bin ich immer noch vorsichtig gewesen, trage weiterhin in Geschäften eine Maske und gehe nicht zu Großveranstaltungen. Auch ohne Anlass habe ich mich vor jedem Date getestet, nach dem Risikokontakt dann zwei Mal am Tag.

Wenn ich gerade die ganzen Bilder von Großveranstaltungen sehe oder von dem Gewusel in Zügen und an Urlaubsorten, frage ich mich, ob jetzt eine Durchseuchung gewollt ist. Warum haben wir uns dann eigentlich durch zwei Jahre Lockdowns durchgequält?! Die Impfquote finde ich immer noch erschreckend niedrig, man kann also noch nicht mal argumentieren, dass es „jetzt ja nicht mehr so schlimm ist“. Ein Freund von mir war trotz dreifacher Impfung 12 Tage positiv und kämpft jetzt mit einer Lungenentzündung…

Der Freund, bei dem ich mich angesteckt habe, war nach vier Tagen wieder negativ – vielleicht habe ich ja Glück und bin auch so schnell durch. Ich vermisse mein Leben jetzt schon!

Risikenbewertung

Mir gehen die Lockerungen der Corona-Verordnungen zu schnell. Die totale Aufhebung der 2G/3G-Regeln, das Fallen der Maskenpflicht an sehr vielen Orten… Es erinnert mich an den letzten Sommer. Da haben wir auch gedacht, es wäre vorbei, und im Herbst ging es (vorhersehbar) wieder los.

Gefühlt habe ich in meinem Bekanntenkreis gerade viele Corona-Fälle. Nicht so sehr in meinem Freundeskreis, aber in meinen Yoga-Gruppen fallen sagen regelmäßig Leute ab, weil sie Corona haben, und auch einige meiner Kunden erzählen, dass sie eine Infektion hinter sich haben.

Ich bin verunsichert und weiß nicht, wie ich mit der Situation umgehen soll. Einerseits genieße ich es, auch mal wieder an Yoga-Stunden teilzunehmen, bei denen 16 Menschen im Raum sind – die Energie ist so unglaublich toll! Andererseits wollte ich gerne zum Dom, habe aber davon Abstand genommen, als ich auf Bildern das Gedränge gesehen habe. Ebenso habe ich vor ein paar Tagen Konzertkarten verfallen lassen; mit 2G-Regel und Abstand wäre ich wohl hingegangen, aber so ist mir das Risiko in Konzertsaal, Kino etc noch zu groß.

Vor vielen Jahren hatte ich einen schweren Unfall (mit einem Motorroller), und seitdem denke ich anders über Risikobewertung. Ich frage mich nicht nur, wie gefährlich etwas ist, sondern auch, wie viel es mir wert ist. Beispiel Sportunfälle: Es kam für mich nie in Frage, das Reiten aufzugeben; beim Motorrad fahren, Ski fahren u.a. überwiegt für mich das Risiko den Nutzen – es ist mir einfach nicht wichtig genug, ich kann gut darauf verzichten.

Die gleiche Logik wende ich auch auf Infektionsrisiken an: Bei erotischen Treffen oder Yogastunden ist mir das Erlebnis das Risiko wert. Bei Konzerten oder Kino ist es das nicht. Im Moment genieße ich einfach den Frühling, meist eher außerhalb der Stadt. Die nächsten Veranstaltungskarten habe ich für den Sommer, ein verschobener Termin für die „Rocky Horror Show“; ich bin gespannt, wie dann mein Gefühl dazu sein wird.

Lockerungen

Im März läuft die aktuelle Corona-Verordnung aus, und so wird im Moment mal wieder über Lockerungen diskutiert. Die Maskenpflicht wird wohl bestehen bleiben, aber bei den 2G/3G-Regelungen wird es wahrscheinlich Lockerungen geben.

Ehrlich gesagt bin ich da kein Fan von. Ich bin geimpft und geboostert, die 2G+-Regel schränkt mich also nicht ein. Es sind überwiegend Impfgegner, die von diesen Lockerungen profitieren würden. Das finde ich unfair!

Vor ein paar Tagen schrieb mich wieder ein Mann an, den ich vor ein paar Monaten schon einmal abgelehnt hatte, da er nicht geimpft war, also die 2G-Regel nicht erfüllen konnte. Jetzt schrieb er, dass er ab März genesen ist und dann gerne einen Termin bei mir machen würde, und ob er dann noch einen Test brauchen würde. Ich habe den Termin wieder abgelehnt.

Die Querdenker reden immer davon, dass die Gesellschaft gespalten würde. Ich sehe das anders. Ich bin ein Fan davon, dass Handlungen (bzw Unterlassungen) Konsequenzen haben. Es steht also jedem zu, sich gegen eine Impfung zu entscheiden – dann müssen aber andere Maßnahmen getroffen werden, wie halt Masken, Abstand und regelmäßige Tests! Sich nur hinzustellen und gegen alles zu sein finde ich verantwortungslos.

Mir ist noch niemand begegnet, der nicht geimpft war und einen glaubhaften anderen Weg für sich gefunden hat. Ich bin geimpft und geboostert und teste mich trotzdem 4-5 Mal die Woche. Da will ich einfach keine Menschen in meinem Leben, die die Pandemie so gar nicht ernst nehmen und einfach weitermachen wie früher – und damit sich selbst und andere gefährden.

Egal welche Maßnahmen gesetzlich vorgeschrieben werden, bei mir wird wohl den Rest des Jahres 2G gelten. Wenn jemand nicht geimpft ist, erwarte ich eine glaubhafte Begründung (ohne Schwurbeleien, sondern mit realen medizinischen Gründen) und ein vernünftiges alternatives Schutzkonzept, damit ich über ein Treffen nachdenke.

Moderne Medizin

In den letzten Tagen habe ich auf Netflix eine Krimi-Serie geschaut, die im viktorianischen London spielt. Der Ermittler in dieser Serie ist an Syphillis erkrankt – eine Krankheit, die zur damaligen Zeit noch nicht heilbar war. Er steht also vor einer Zukunft, in der die Krankheit das Nervensystem angreifen und ihn in den Wahnsinn treiben wird. „Behandelt“ wurde Syphillis damals mit Quecksilber – das, wie wir heute wissen, hochgiftig ist, und u.a. auch Halluzinationen hervorruft.

Ich habe vor vielen Jahren in der Schule mal ein Referat über Syphillis gehalten. Damals galt es als rückläufige Krankheit, die gut behandelt werden kann. Mittlerweile ist sie wieder auf dem Vormarsch, nicht nur in Dritte-Welt-Ländern, sondern auch in Deutschland (ebenso wie Tripper und andere Geschlechtskrankheiten).

Ich bin ein großer Fan von Naturheilkunde und alternativen Heilverfahren. In den letzten Jahren ist es den Querdenkern jedoch gelungen, einen Keil zwischen die sonannte Schulmedizin und die Heilpraktiker-Szene zu treiben. Der Graben wird immer größer; Anhänger der Schulmedizin lehnen alternative Ansätze häufig komplett ab, und Anhänger von Heilpraktikern lehnen die Schulmedizin ab und verrennen sich immer mehr in alternative Methoden, die mehr mit Esoterik als mit Medizin gemein haben.

Wenn ich wählen muss, stehe ich auf der Seite der Schulmedizin. Ein Blick in die Geschichte zeigt, wie weit diese in den letzten 150 Jahren gekommen ist. Viele Krankheiten, die früher ein Todesurteil waren, sind heute heilbar oder können zumindest aufgehalten werden. Es ist erstaunlich, dass in knapp zwanzig Jahren wirksame Medikamente gegen AIDS entwickelt wurden, oder jetzt innerhalb von ein paar Monaten eine Impfung für Covid-19. Ich finde es schade, dass so vielen Menschen diese Leistung gar nicht mehr bewusst wird oder sogar abgetan wird. Viele Menschen gehen leichtfertig mit ihrer Gesundheit um – ohne sich bewusst zu machen, dass ihnen das nur möglich ist, weil unsere Medizin so weit entwickelt ist.

Gerade Syphillis war Anfang des 20. Jahrhunderts, vor der Entdeckung des Penicillins (und der danach folgenden Entwicklung anderer Antibiotika) eine ständige Bedrohung für Prostituierte und ihre Kunden. Kondome werden seit Mitte des 20. Jahrhunderts industriell gefertigt und problemlos erhältlich, und haben sich erst mit der AIDS-Pandemie der 80er Jahre durchgesetzt. Ich finde, diese Tatsachen sollte man sich häufiger mal bewusst machen und würdigen – und sogsamer mit der eigenen Gesundheitsvorsorge umgehen.

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