Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Kategorie: Anekdoten (Seite 3 von 6)

Kleine amüsante Geschichten aus meinem Alltag.

Nein heißt Nein

Heute ist der sehr volle, intensive erste Monat des Jahres sehr unrühmlich zu Ende gegangen. Ich habe viel erlebt und gemacht in diesem Monat: eine Ausbildung wieder aufgenommen, viele spannende Dates mit neuen und bekannten Kunden, einige Dinge in meinem Leben neu überdacht und Weichen für die Zukunft gestellt. Ein wenig fehlte mir dabei ruhige Zeit für mich. Vielleicht haben mich deshalb zwei Ereignisse der letzten Tage sehr getroffen.


Das erste war vorgestern. Ich hatte ein Treffen mit einem Stammkunden, den ich schon seit über zehn Jahre kenne. Vor zwei oder drei Jahren brachte er mir das erste Mal eine Flasche Wein mit, als kleine Aufmerksamkeit. Ich freute mich darüber und bedankte mich. Danach wurde es zur Gewohnheit: bei jedem Treffen bekam ich eine Flasche Wein, manchmal auch zwei, etwa alle sechs Wochen. Irgendwann wies ich ihn darauf hin, dass ich gar nicht so viel Wein trinke, sondern nur alle paar Monate mal eine Flasche aufmache, und sich bei mir die Flaschen langsam sammelten.

Er ging nicht weiter darauf ein und bei mir sammelten sich weiter die Flaschen. Manchmal machte ich eine auf, trank innerhalb eine Woche zwei oder drei Gläser davon, bevor der Rest verdarb und ich ihn wegschüttete (was ich schade fand). Ich schenkte einige Flaschen weiter an Freunde, da es mir zu viele wurden. Ich versuchte erneut, ihn darauf hinzuweisen, dass mir das zu viel Wein war. Aber für ihn gehört die abendliche Flasche Wein zum Alltag und es scheint ihm nicht verständlich, dass ich einen sehr vorsichtigen Umgang mit Alkohol habe und dieser in meinem Alltag eher keine Rolle spielt.

Im Dezember brachte er mir erst eine Flasche Glühwein mit, über die ich mich freute, und dann beim nächsten Treffen eine ganze Kiste mit sechs Flaschen. Das würde bei mir für viele Winter reichen! Zumal ich gerade mit einer Ärztin über die Einnahme eines HIV-Prophylaxe-Medikaments sprach und nichts davon halte, die Wirkung von Medikamenten durch Alkohol zu verändern. Ich schrieb meinem Kunden eine Nachricht, dass ich ab Januar keinen Alkohol mehr trinken würde und er mir bitte keinen Wein mehr mitbringen solle.

Beim ersten Treffen Januar brachte er mir stattdessen Schokolade mit, fing aber noch eine lange Diskussion mit mir an, ob ich denn wirklich keinen Alkohol dürfe und für wie lange (ich sagte dass ich mindestens ein Jahr keinen Alkohol trinken würde). Beim nächsten Treffen zwei Wochen später hielt er wieder eine Flasche Wein in der Hand. Als ich ihn darauf hinwies, dass ich doch keinen Alkohol trinke, stellte er die Flasche ab und sagte: „Kannst du ja aufbewahren.“ Einen Moment lang habe ich das geschluckt, dann bin ich richtig pampig geworden und habe ihm gesagt, dass ich das absolut daneben fand. Seine Reaktion: „Ich hab es ja nicht böse gemeint.“ Ich habe ihn dann die Flasche wieder mitnehmen lassen.

Ich habe viele Menschen in meinem Bekanntenkreis, die keinen Alkohol trinken, aus sehr unterschiedlichen Gründen. Und ich hasse es, wenn jemand darüber diskutieren muss! Es gibt gute Gründe gegen Alkohol: Wechselwirkungen mit Medikamenten, Alkoholprobleme in der Vergangenheit, religiöse Gründe, oder auch einfach das Gefühl, es körperlich oder psychisch nicht gut zu vertragen oder nicht zu mögen. Ich finde es schlimm, wenn jemand sich dafür rechtfertigen muss, und verstehe auch dieses Drängen von Außen überhaupt nicht.


Das zweite sehr unschöne Erlebnis hatte ich heute Morgen. Eigentlich war es nur eine Kleinigkeit, aber es war ein Tropfen der das Fass nach vielen Jahren zum Überlaufen brachte. Schon seit fast drei Jahren mache ich keine spontanen Termine mehr, da Sexarbeit nicht mehr mein einziger Beruf ist. Vorher hatte ich nachmittags feste Zeiten im Appartement, für Termine am Vormittag oder später am Abend brauchte ich auch Vorlauf. Schon zu dieser Zeit rief mich dieser Kunde häufig vormittags an und fragte nach einem spontanen Termin. Auch ihn kenne ich schon sehr lange und daher habe ich es manchmal möglich gemacht.

In den letzten Jahren ist das für mich noch schwieriger geworden und für jeden dieser Termine musste ich meine komplette Tagesplanung über den Haufen werfen. Immer wieder habe ich versucht ihm zu erklären, wie schwierig das für mich ist, und in den letzten Jahren auch mehr und mehr dieser Termine abgelehnt. Manchmal bin ich pampig geworden, dann war es für ein paar Wochen besser, bevor das Spiel wieder von vorne anfing.

In der letzten Woche hat er mich drei Mal angerufen, und ich habe ihm drei Mal erklärt, dass ich im Moment zu viel zu tun habe und spontane Termine absolut unmöglich sind und er bitte vernünftig mit Vorlauf einen Termin vereinbaren soll. Drei Mal allein in der letzten Woche! Heute Morgen rief er wieder an, und als ich ablehnte merkte er an, dass er ja jetzt in Urlaub fahre und wie schade und doof das wäre, dass ich keine Zeit mehr für ihn hätte. Da ist bei mir irgendwas gebrochen.

Die nächsten fünf Minuten habe ich ihn angeschrien, dass ich absolut genug von seinem Scheiß hätte, von seinem Disrespekt, seinem Egoismus, seiner Selbstzentriertheit, seiner Ignoranz, und dass Typen wie er der Grund wären, warum ich diese Arbeit irgendwann hinschmeißen würde, und dass er mich nie wieder anrufen solle. Mir ist klar, dass Schreiben nicht die Lösung ist – aber ehrlich gesagt ist es meiner Erfahrung nach so, dass das manchmal das einzige ist, was wirklich ankommt und ernstgenommen wird.

So endet jetzt also eine langjährige, tiefe Verbindung zu einem Stammkunden. Es tut mir nicht mal richtig leid, für mich war durch sein Verhalten echt das Ende meiner Geduld erreicht, und diese Termine haben dadurch häufig mehr Nerven gekostet, als durch den Verdienst aufgewogen wird.

Unfallanfällig

Für mich hat das neue Jahr etwas anders begonnen, als ich es mir gewünscht hätte. Meine letzte Woche war ziemlich voll, und irgendwie scheint dabei meine Konzentration und/ oder mein Glück auf der Strecke geblieben zu sein.

Am Dienstag bin ich von meinem Pferd gefallen (was eigentlich unmöglich sein sollte, so bequem wie er ist). Das Problem war nicht mal das runterfallen, sondern dass ich erst nach vorne auf den Hals gefallen bin und dabei der Schirm meines Reithelms abgebrochen ist. Direkt nach dem Sturz bin ich aufgestanden und wieder aufgestiegen, mit nur einer leichten Schwellung an der rechten Augenbraue. Im Laufe der folgenden Nacht ist diese Schwellung dann ins Augenlid geblutet, das jetzt geschwollen war – und dunkelblau verfärbt.

Als Sexarbeiterin ein blaues Auge zu haben, ist so ziemlich das Blödeste was passieren kann. Man wird sofort mit den üblichen Vorurteilen konfrontiert, von wegen gewalttätiger Zuhälter. Mein Freund hat da noch Scherze drüber gemacht, aber ich fand das gar nicht so lustig.

Es war dann nicht so schlimm wie erwartet. Direkt aufgefallen und darauf angesprochen hat mich nur ein einziger Kunde; den meisten fiel die dunkle Färbung im Schummerlicht meiner Wohnung gar nicht auf oder sie buchten es unter „verunglücktes Make-Up“. Sechs Tage später, als es schon nicht mehr so schlimm aussah, hatte ich einen Termin bei meiner Hausärztin. Die sah es auf den ersten Blick und sprach mich an: „Wer hat sie denn geschlagen?“ Da waren wohl doch die Vorurteile aktiv…

Um den unglücklichen Start in die Woche abzuschließen, ist mir am Freitagabend die Kette an meinem Fahrrad gerissen, was auch fast zu einem Sturz geführt hätte. Ich konnte mich fangen, bin aber mit der Wade auf die Pedale und mit den Hintern auf die Vorderkante des Sattels gefallen, was beides böse blaue Flecken verursacht hat (die meinen Kunden deutlich mehr auffallen als das blaue Augenlid).

Im Englischen sagt man: „She seems to be accident prone all of a sudden.“ („Sie scheint plötzlicher sehr unfallgefährdet zu sein.“) und fragt damit indirekt, ob es ein Problem mit Beziehungsgewalt gibt. Ich finde es gut, dass die Aufmerksamkeit dafür in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat und gerade medizinisches Personal geschult wird, darauf zu achten.

In meinem Leben hatte ich nie einen Partner, der gewalttätig war. Wohl aber immer mal wieder Phasen, in denen ich zu kleineren Unfällen neigte, einfach durch Pech oder durch stressbedingten Mangel an Konzentration. Es ist also für mich ein Zeichen, mich etwas zurückzunehmen, mehr zu schlafen und mich in Achtsamkeit zu üben.

Alkohol-Kultur

Heute Morgen hatte ich einen lieben Stammgast da, den ich schon sehr lange kenne. Diesmal drückte er mir spontan beim Reinkommen einen Champagner-Piccolo in die Hand: „Hier, vielleicht magst du ja.“ Mh, eigentlich war ich noch beim zweiten Kaffee…

Es ist mir dann gelungen, den Champagner wunderbar in unser Spiel einzubauen, und wir hatten eine tolle Session zusammen. Danach habe ich mir einen dritten Kaffee gekocht, und wir haben noch ein wenig geplaudert – u.a. darüber, wie sehr Alkohol in unsere Kultur eingebunden ist.

Wer mich kennt und/ oder schon mehr in meinem Blog gelesen hat, weiß, dass ich nur sehr wenig trinke und auch ein sehr gespaltenes Verhältnis zu dem Thema habe. Auch ich lande jedoch immer wieder in Situationen, in denen irgendwie das Gefühl herrscht, dass Alkohol jetzt dazugehören würde.

Ein großes Abendessen in einem schicken Restaurant – zumindest ein Glas Wein gehört dazu. Eine Feier zu Geburtstag, Beförderung o.a. – Anstoßen mit Sekt. Gemütlich Grillen im Garten – mit dem Bier in der Hand. Auch im Paysex gehört für manche Sekt oder Wein dazu – um die Stimmung zu entspannen und die Situation als etwas besonderes zu kennzeichnen.

Wer da an einem Glas Wasser nippt, wird häufig komisch angeschaut. Gegen die komischen Blicke bin ich immun, nicht aber gegen dieses Gefühl von „ach komm, das kannst du dir doch gönnen“. Zum Glück habe ich genug Menschen in meinem Umfeld, die auch überwiegend auf Alkohol verzichten, so dass sich die Versuchung nicht so häufig stellt.

Wiedererkennungswert

Ich bin jetzt seit 17 Jahren in Hamburg und mache schon fast genauso lange Sexarbeit in irgendeiner Form (erst neun Jahre Tantra-Massagen, dann fünf Jahre in Bizzar-Appartements, mittlerweile seit fast drei Jahren in eigener Wohnung). Da kommt es immer wieder mal vor, dass ich jemanden am Telefon frage: „Kennen wir uns schon?“, und die Antwort ist: „Ja, aber das ist fünf bis zehn Jahre her.“

Ich freue mich natürlich immer, wenn ich in guter Erinnerung geblieben bin. Von meiner Seite aus ist es allerdings so, dass ich meist jede Woche spannende Männer bei meiner Arbeit kennenlerne. Da ist es leider unmöglich, sich an jeden und alles zu erinnern!

Deswegen reagiere ich schnell genervt auf Anrufe, die beginnen mit: „Hej, hier ist Michael/ Jürgen/ [beliebigen weit verbreiteten Namen einsetzen]. Ich war vor vier Jahren mal bei Dir. Erinnerst du dich noch?“ Nein, ich erinnere mich nicht – zumindest garantiert nicht in diesem Moment. Manchmal kommen Erinnerungen wieder, wenn ich jemandem dann gegenüberstehe oder wenn sich im Gespräch Details ergeben. Häufig ist das aber auch nicht der Fall.

Gestern hatte ich folgenden Dialog: „Hi… Unser 1. Date ist ja leider nicht so gut gelaufen… hatte so das Gefühl…“ – „Ich habe keinen Plan, wann wir uns getroffen haben und wie das lief. Ist schon was her, oder?“ – „Letztes Jahr am 19. November.“ Das ist fast ein Jahr her! Wir haben dann noch ein wenig hin und her geschrieben, und er war eindeutig sauer, dass ich mich nicht genau erinnerte und auch nicht viel Energie hinein gegeben habe.

Ich erinnere mich an Stammkunden – also an Männer, die entweder regelmäßig kommen oder aber schon seit vielen Jahren immer wieder. Alle anderen muss ich leider bitten, mir ihre Wünsche und Vorstellungen noch mal zu schildern und sich neu auf eine Begegnung mit mir einzulassen – oder gerne auch daran zu arbeiten, Stammkunde zu werden.

Die miesen Tricks der Szene

Vor ein paar Tagen bin ich mal wieder darauf reingefallen: auf einen miesen Kunden-Trick. Ich hatte mich eh schon geärgert, da ein Termin am Vormittag kurzfristig abgesagt hatte, was ich auch noch zu spät gesehen hatte. Mein Vormittag war also ziemlich ruiniert. In dem Moment kam ein Anruf, ob ich nicht doch „ausnahmsweise“ kurzfristig einen Termin machen könnte. Ich sagte zu, es war ja eh alles vorbereitet.

Als er dann bei mir war, fiel ihm „ganz überraschend“ auf, dass er nur 80 Euro in der Tasche hatte. (Für die, die sich nicht auskennen: 80 Euro ist der übliche Preis für eine halbe Stunde.) Damit stellt er mich vor die Wahl: Ich kann darauf bestehen, dass ich keine Termine unter 1 Stunde mache, und ihn wieder wegschicken – habe aber schon Zeit und Aufwand investiert, die dann für nichts waren. Oder ich nehme das Geld und mache zähneknirschend einen Quicki, der allen meinen Grundsätzen widerspricht.

Ich habe mich (mal wieder) für die zweite Variante entschieden. Es war dann nicht mal eine halbe Stunde, sondern vielleicht zehn Minuten – für sowas komme ich nicht in Stimmung und war auch zu genervt von er Nummer, um mir Mühe zu geben. Wahrscheinlich war es nicht mal die 80 Euro wert – und ich frage mich, warum jemand sowas macht und nicht einfach ins Laufhaus geht, wo sie auch gerne für 60 Euro einen Quicki anbieten und das wahrscheinlich deutlich charmanter und gekonnter machen und ich. Kerben im Bettpfosten, so nach dem Motto: die hab ich jetzt auch noch gehabt?!

Und bevor jetzt wieder „not all men“ und „aber die Frauen machen auch“ kommt: ja, ich weiß, dass sich auch Anbieterinnen häufig nicht fair verhalten. Da ist besonders das Nachverhandeln vor Ort leider immer noch üblich, wo es dann plötzlich ein vielfaches des abgesprochenen Preises kostet, weil jede Kleinigkeit als Extra berechnet wird.

Fairer Umgang im Paysex scheint leider immer noch eher eine Ausnahme zu sein, das Motto ist zu häufig: möglichst viel für mich rausholen, für möglichst wenig Geld (Kunden) bzw möglichst wenig Aufwand (Anbieterinnen).

Höhere Gewalt und Zuverlässigkeit

Sommer in der Stadt. Überall ist es voll, gefühlt habe ich nie so viel im Stau gestanden wie in den letzten zwei Wochen, selbst mit dem Fahrrad ist es manchmal stressig. Seit Montag fährt auf der Veddel die S-Bahn nicht mehr richtig, wegen eines Brückenschadens an der nächsten Station. Ich habe dadurch diese Woche gleich drei Mal mein Yoga nicht geschafft, hatte das einfach zu spät mitgekriegt und dann nicht richtig umgeplant.

Es gibt also durchaus so etwas wie Höhere Gewalt, die dazu führt, dass man Termine nicht einhalten kann. Nur gehört zu meiner Definition von Höherer Gewalt nicht nur, dass man darauf keinen Einfluss hat, sondern auch, dass es völlig unvorhersehbar war. Ein Stau im Feierabendverkehr z.B. ist meist vorhersehbar, und von erwachsenen Menschen erwarte ich, dass sie dafür etwas Reservezeit einplanen.

Es sind meist eh die Männer, bei denen ich mir im Vorweg Gedanken mache, ob der Termin wohl klappt, die sich dann bei kurzfristiger Absage darauf berufen, dass sie „da aber nichts für können“. Heute Nachmittag hat mir jemand einen Termin weniger als 40 Minuten vorher abgesagt, weil auf der Arbeit etwas schiefgelaufen sei, das „hätte er ja nicht vorhersehen können“. Es kann in vielen Jobs Zwischenfälle geben, die dazu führen, dass man nicht pünktlich los kommt. Aber von ihm hörte ich das jetzt schon zum dritten Mal, er plante also grundsätzlich zu wenig Zeit ein – auf Kosten meiner Zeit. Ich werde keine weitere Chance geben, sondern auf weitere Termine mit ihm verzichten.

Vor ein paar Wochen hatte ich eine Ausrede, die mich richtig aufgeregt hat. Der Termin war schon mehrmals verschoben worden, über mehrere Monate (zuvor war er ein einziges Mal bei mir, erwartete aber von mir, dass ich während der ganzen Zeit den Kontakt per Mail hielt). Am Freitag ließ ich mir den Termin für Montag noch mal bestätigen, was er zusagte. Sonntagabend sehr spät kriegte ich plötzlich eine Nachricht: „Ich weiß nicht ob ich morgen schon mein Gehalt auf dem Konto habe, sonst kann ich nicht kommen.“ Wir hatten den 17. des Monats, eine völlig untypischen Tag um Gehalt zu bekommen. Montag hielt er mich dann den halben Tag hin, bevor er den Termin endgültig absagte – und sich darüber wunderte, dass ich mich aufregte, denn er „könne da ja nichts für“.

Doch, er kann da was für! Ich erwarte von erwachsenen Menschen, dass sie ihr Leben so weit im Griff haben, um ihre Zeitplanung und ihre Finanzen überblicken zu können – und ggf frühzeitig gegenzusteuern, indem sie Termine umlegen oder absagen. Kurz vor einem Termin finde ich sowas unreif und respektlos mir und meiner Zeit gegenüber, und verzichte dann gerne auf weiteren Kontakt – auch wenn ich dann die Böse bin.

Bizzare Session

Manchmal überrasche ich nicht nur meinen Kunden, sondern auch mich selber. So ist es mir am Montag ergangen.

Wer mich ein bisschen länger kennt, weiß, dass ich manchmal ziemlich zickig sein kann. Spontanität zählt so gar nicht zu meinen Stärken, und wenn die Anfrage dann noch über KM kommt statt übers Telefon, fällt meine Antwort schon mal ziemlich unfreundlich aus. Zum Glück ließ er sich nicht davon abschrecken, sondern schrieb noch eine nette Antwort und rief mich dann wie gefordert an.

Jetzt hatte ich also am Montagmorgen, kurz nach meiner Yogastunde, einen Termin für ein erotisches Date. Nicht nur irgendein erotisches Date, mit Soft Sex und Massage, wie ich es in den letzten Monaten bevorzuge, sondern ein Date für bizzare Spiele, bei dem ich dominant sein sollte.

Meist lehne ich solche Termine ab oder mache zumindest sehr deutlich, dass das nicht mein Schwerpunkt ist. Ich bin von meiner Ausstrahlung her nicht dominant. Früher konnte ich das teilweise durch die Studio-Umgebung ausgleichen, aber in meinem kleinen Massage-Zimmer fällt es auf. Hinzu kommt, dass ich auch nicht mehr viel Ausstattung für diesen Bereich habe.

Aber diesmal lief es total gut! Wenn ich in der richtigen Stimmung bin, kann ich durchaus bestimmend und auch sadistisch sein. Kombiniert mit meinem guten Gefühl für Menschen und Stimmungen und meinem Einfühlungsvermögen, kann ich damit in einen richtigen Flow kommen. So war es diesmal. Wir hatten eine Stunde lang eine intensive Session, aus der wir beide strahlend rausgingen.

So starte ich dann doch gerne in die Woche!

Das Gute im Menschen

In der Sexarbeit ist es immer noch üblich, dass das Geld zu Beginn des Treffens bezahlt wird. Diese Regel geht auf die Zeit zurück, als Prostitution als sittenwidrig galt und Geld aus Prostitution daher nicht auf Rechtswegen eingeklagt werden konnte. Mittlweile ist das anders (seit Einführung des Prostitutionsgesetzes zum 01.01.2002 *), doch diese Gewohnheit wurde beibehalten – meiner Meinung nach häufig ein Zeichen des gegenseitigen Misstrauens, dass zwischen Sexarbeiterinnen und ihren Kunden herrscht. (Und nebenbei: auch wenn es theoretisch möglich ist, bei Unstimmigkeiten die Polizei zu rufen und das gerichtlich zu klären, will das kaum eine Sexarbeiterin.)

Ich möchte hier ein bisschen aus meinen Erfahrungen plaudern, die sind nämlich überwiegend ganz anders. Anlass für diesen Blog ist ein Erlebnis, das ich letzte Woche hatte. Ich hatte einen Termin am Freitagmorgen recht früh, mit einem Kunden den ich in der Woche zuvor zum ersten Mal getroffen hatte. Vierzig Minuten vor dem Termin bekam ich eine SMS: Er müsse den Termin leider absagen, sein Corona-Schnelltest sei gerade positiv gewesen. Ich habe schon ein paar Mal darüber geschrieben, dass ich solche kurzfristigen Absagen häufig als Ausrede empfinde und dann keine zweite Chance gebe. Diesem Mann habe ich das jedoch sofort geglaubt, beruhend auf dem bisherigen Kontakt. Es ging sogar noch weiter: Nachdem ich ihm gute Besserung gewünscht habe, bestand er darauf, mir das Geld für den Termin zu überweisen. Ich habe erst versucht das abzulehnen, ihm dann jedoch meine Verbindung gegeben.

Das war in meinen ganzen Jahren als Sexarbeiterin erst das zweite Mal, dass mir jemand einen gebuchten Termin bezahlt hat, weil er kurzfristig absagen musste. Halt, stimmt nicht ganz, zwei Mal hatte ich das auch bei langjährigen Stammkunden, aber da ging es um etwas anderes: bei dem einen hatte ich extra ein Zimmer gebucht, das er dann bezahlt hat, und bei dem anderen es ist zum x-ten Mal vorgekommen, dass ihm kurzfristig was dazwischen gekommen ist, und diesmal bestand ich auf das Geld (für einen Termin, nicht für alle ausgefallenen). Sonst fällt es bei Stammgästen unter Kulanz, wenn wirklich mal was dazwischen kommt (ist ja dann meist ein echter Notfall), oder bei Neukunden ist es halt mein Pech.

Zurück zum Thema vom Anfang: Ich bestehe nicht darauf, das Geld zu Beginn des Termins zu bekommen. Viele Kunden geben es mir von sich aus am Anfang. Manchmal passiert es, dass jemand das danach vergisst und ich sanft erinnere. Zwei oder drei Mal ist es sogar schon passiert, dass wird es beide vergessen haben. Jedes Mal bekam ich innerhalb von einer Stunde einen Anruf: „Ich hab dir gar kein Geld gegeben! Wie machen wir das jetzt?“ Ich habe das Geld jedes Mal bekommen, per Überweisung oder beim nächsten Treffen.

Ja, ich bin auch schon um Geld betrogen worden – drei oder vier Mal, in über fünfzehn Jahren. Da war es dann meist nicht mal das Geld (obwohl das in einem Fall echt auch weh tat), sondern viel mehr das Gefühl, betrogen und nicht repektiert worden zu sein. Das hat mir auf Wochen den Spass an der Arbeit verdorben, und ich musste mich zwingen, nicht jedem weiteren Kunden mit Misstrauen zu begegnen. Wenn ich darüber nachdenke, wie häufig ich von Menschen in „seriösen“ Berufen höre, dass sie hinter ihrem Geld herlaufen – egal ob es Handwerker, Ärzte u.a. – ist das bei mir harmlos. Also: Ich habe echt tolle Kunden! Danke!


* Bitte nicht verwechseln: Es gibt das Prostitutionsgesetz (ProstG) von 2002, durch das Prostitution in Deutschland legal wurde. Darin wird Prostitution als Dienstleistung definiert und es sollte den sozialen Status von Prosituierten verbessern. Seitdem können sich Prostituierte z.B. gesetzlich krankenversichern – und eben auch ihren Lohn einklagen. Seit 2017 gibt es zusätzlich das Prostitutionsschutzgesetzt (ProstSchG), dass Sexarbeitenden und den Betreibern von Prostitutionsbetrieben eine Reihe von Pflichten auferlegt, u.a. die Registrierung von Sexarbeitenden und eine Genehmigungspflicht für Betreiber. Dieses Gesetz wird von vielen als Schikane empfunden und die angebliche Schutzwirkung für Sexarbeitende wird stark angezweifelt.

Eifersucht

Ich habe wohl gerade nach über zehn Jahren einen Kunden verloren, der in den letzten Jahren mindestens 1-2 Mal im Monat bei mir war. Das lässt mich etwas traurig, aber vor allem ratlos zurück.

Am Anfang ist es mir gar nicht so aufgefallen. Bemerkt habe ich es dann irgendwann im Dezember, als die Zeit zwischen den Terminen plötzlich lang wurde. Dann ein kurzer Anruf, dass er wegen der steigenden Corona-Zahlen gerade nicht mehr kommen möchte, aber nächstes Jahr wieder, und bis dahin frohe Weihnachten und einen guten Rutsch.

Ich schickte ihm dann einen Neujahrs-Gruss, den er auch erwiederte. Dann erst mal nichts mehr. Normalerweise melde ich mich von mir aus gar nicht bei Kunden, also beließ ich es dabei. Aufgefallen ist es mir schon.

Vor ein paar Tagen dann ein Anruf, den ich im ersten Anlauf verpasst habe. Ich schrieb eine kurze SMS: „Ich bin jetzt wieder erreichbar, und ich habe auch morgen früh Zeit, wenn Du magst.“ Er rief dann noch mal an: Danke für das Angebot, aber er wolle jetzt nur mal mit mir reden.

Worum es ging: Ich hatte ihm einige Wochen zuvor einen Link zu meinem Blog geschickt. Einfach so, weil wir gerade so nett geplaudert hatten und ich dachte, es könne ihn interessieren. Der Blog enthält ja u.a. Geschichten über erotische Begegnungen, Berichte über Begegnungen, und auch einen Link zu meinem Profil bei kaufmich, auf dem es Berichte über mich gibt.

Ihm ist jetzt sehr bewusst geworden, dass ich ja auch noch andere Männer treffe – und das hat ihn irritiert und abgeschreckt. Für mich war das im ersten Moment ziemlich lächerlich. Später begann ich, mich darüber zu wundern, wie sehr jemand sich selbst täuschen kann. Rein vom Kopf her muss ihm die ganze Zeit klar gewesen sein, dass ich halt Sexarbeiterin bin, aber emotional hat er das völlig ausgeblendet – bis er in meinem Blog darüber gestolpert ist.

Ich hoffe, dass er sich wieder fängt, denn ich mochte unsere regelmäßigen Begegnungen und auch den Kontakt. Andererseits bin ich ein großer Fan von Ehrlichkeit und werde niemanden darin unterstützen, sich selbst etwas vorzumachen.

Hoffentlich Fake

Manchmal landen sehr skurille Anfragen in meinem Postfach:

Hey Liebes, ich hab dein Profil gelesen und bin sehr begeistert. Eine Freundin von mir möchte sich sehr gerne prostituieren und deshalb Erfahrungen sammeln. Wenn du Interesse hast kann ich sie n abend oder nacht mal zu dir geben. Du kannst an dem Abend so viele Typen über sie drüber wie es geht. Die Kohle die die Typen bezahlen kannst du haben. Die Preise kannst du natürlich festlegen für Sie. Sie wird nur gefickt. Wenn du Interesse hast melde dich gerne mal.“

Bei dieser Mail mache ich mir ernsthaft Sorgen um das Wohlergehen der Frau. Mein erster Gedanke war, dass es sich um ein Paar in einer SM-Beziehung handelt, das sich aus diesem Szenario einen zusätzlichen Kick erhofft. Da wäre es aber grob fahrlässig von dem Mann, seine Partnerin einfach so einer fremden Person zu überlassen, ohne weitere Regeln und Kontrolle.

Die noch viel unschönere Variante ist, dass das rein der Erniedrigung der Frau dient und sie wenig Einfluss darauf hat. Das wäre Zuhälterei und Missbrauch und somit beides strafbar. Ein solches Szenario hat für mich auch nichts zu tun mit „Erfahrungen in der Prostitution sammeln“. Gerade bei ersten Erfahrungen sollte es meiner Meinung nach darum gehen, zu lernen, eigene Grenzen zu achten und die Kontrolle über die Situation zu behalten. „Einfach nur gefickt werden“ ist die schlimmste Art von Klischee!

Ein Freund von mir, dem ich davon erzählte, ging davon aus, dass die ganze Mail Fake ist und da nicht viel hinter steht. Ich hoffe, dass er recht hat.

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