Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Kategorie: Anekdoten (Seite 3 von 6)

Kleine amüsante Geschichten aus meinem Alltag.

Die miesen Tricks der Szene

Vor ein paar Tagen bin ich mal wieder darauf reingefallen: auf einen miesen Kunden-Trick. Ich hatte mich eh schon geärgert, da ein Termin am Vormittag kurzfristig abgesagt hatte, was ich auch noch zu spät gesehen hatte. Mein Vormittag war also ziemlich ruiniert. In dem Moment kam ein Anruf, ob ich nicht doch „ausnahmsweise“ kurzfristig einen Termin machen könnte. Ich sagte zu, es war ja eh alles vorbereitet.

Als er dann bei mir war, fiel ihm „ganz überraschend“ auf, dass er nur 80 Euro in der Tasche hatte. (Für die, die sich nicht auskennen: 80 Euro ist der übliche Preis für eine halbe Stunde.) Damit stellt er mich vor die Wahl: Ich kann darauf bestehen, dass ich keine Termine unter 1 Stunde mache, und ihn wieder wegschicken – habe aber schon Zeit und Aufwand investiert, die dann für nichts waren. Oder ich nehme das Geld und mache zähneknirschend einen Quicki, der allen meinen Grundsätzen widerspricht.

Ich habe mich (mal wieder) für die zweite Variante entschieden. Es war dann nicht mal eine halbe Stunde, sondern vielleicht zehn Minuten – für sowas komme ich nicht in Stimmung und war auch zu genervt von er Nummer, um mir Mühe zu geben. Wahrscheinlich war es nicht mal die 80 Euro wert – und ich frage mich, warum jemand sowas macht und nicht einfach ins Laufhaus geht, wo sie auch gerne für 60 Euro einen Quicki anbieten und das wahrscheinlich deutlich charmanter und gekonnter machen und ich. Kerben im Bettpfosten, so nach dem Motto: die hab ich jetzt auch noch gehabt?!

Und bevor jetzt wieder „not all men“ und „aber die Frauen machen auch“ kommt: ja, ich weiß, dass sich auch Anbieterinnen häufig nicht fair verhalten. Da ist besonders das Nachverhandeln vor Ort leider immer noch üblich, wo es dann plötzlich ein vielfaches des abgesprochenen Preises kostet, weil jede Kleinigkeit als Extra berechnet wird.

Fairer Umgang im Paysex scheint leider immer noch eher eine Ausnahme zu sein, das Motto ist zu häufig: möglichst viel für mich rausholen, für möglichst wenig Geld (Kunden) bzw möglichst wenig Aufwand (Anbieterinnen).

Höhere Gewalt und Zuverlässigkeit

Sommer in der Stadt. Überall ist es voll, gefühlt habe ich nie so viel im Stau gestanden wie in den letzten zwei Wochen, selbst mit dem Fahrrad ist es manchmal stressig. Seit Montag fährt auf der Veddel die S-Bahn nicht mehr richtig, wegen eines Brückenschadens an der nächsten Station. Ich habe dadurch diese Woche gleich drei Mal mein Yoga nicht geschafft, hatte das einfach zu spät mitgekriegt und dann nicht richtig umgeplant.

Es gibt also durchaus so etwas wie Höhere Gewalt, die dazu führt, dass man Termine nicht einhalten kann. Nur gehört zu meiner Definition von Höherer Gewalt nicht nur, dass man darauf keinen Einfluss hat, sondern auch, dass es völlig unvorhersehbar war. Ein Stau im Feierabendverkehr z.B. ist meist vorhersehbar, und von erwachsenen Menschen erwarte ich, dass sie dafür etwas Reservezeit einplanen.

Es sind meist eh die Männer, bei denen ich mir im Vorweg Gedanken mache, ob der Termin wohl klappt, die sich dann bei kurzfristiger Absage darauf berufen, dass sie „da aber nichts für können“. Heute Nachmittag hat mir jemand einen Termin weniger als 40 Minuten vorher abgesagt, weil auf der Arbeit etwas schiefgelaufen sei, das „hätte er ja nicht vorhersehen können“. Es kann in vielen Jobs Zwischenfälle geben, die dazu führen, dass man nicht pünktlich los kommt. Aber von ihm hörte ich das jetzt schon zum dritten Mal, er plante also grundsätzlich zu wenig Zeit ein – auf Kosten meiner Zeit. Ich werde keine weitere Chance geben, sondern auf weitere Termine mit ihm verzichten.

Vor ein paar Wochen hatte ich eine Ausrede, die mich richtig aufgeregt hat. Der Termin war schon mehrmals verschoben worden, über mehrere Monate (zuvor war er ein einziges Mal bei mir, erwartete aber von mir, dass ich während der ganzen Zeit den Kontakt per Mail hielt). Am Freitag ließ ich mir den Termin für Montag noch mal bestätigen, was er zusagte. Sonntagabend sehr spät kriegte ich plötzlich eine Nachricht: „Ich weiß nicht ob ich morgen schon mein Gehalt auf dem Konto habe, sonst kann ich nicht kommen.“ Wir hatten den 17. des Monats, eine völlig untypischen Tag um Gehalt zu bekommen. Montag hielt er mich dann den halben Tag hin, bevor er den Termin endgültig absagte – und sich darüber wunderte, dass ich mich aufregte, denn er „könne da ja nichts für“.

Doch, er kann da was für! Ich erwarte von erwachsenen Menschen, dass sie ihr Leben so weit im Griff haben, um ihre Zeitplanung und ihre Finanzen überblicken zu können – und ggf frühzeitig gegenzusteuern, indem sie Termine umlegen oder absagen. Kurz vor einem Termin finde ich sowas unreif und respektlos mir und meiner Zeit gegenüber, und verzichte dann gerne auf weiteren Kontakt – auch wenn ich dann die Böse bin.

Bizzare Session

Manchmal überrasche ich nicht nur meinen Kunden, sondern auch mich selber. So ist es mir am Montag ergangen.

Wer mich ein bisschen länger kennt, weiß, dass ich manchmal ziemlich zickig sein kann. Spontanität zählt so gar nicht zu meinen Stärken, und wenn die Anfrage dann noch über KM kommt statt übers Telefon, fällt meine Antwort schon mal ziemlich unfreundlich aus. Zum Glück ließ er sich nicht davon abschrecken, sondern schrieb noch eine nette Antwort und rief mich dann wie gefordert an.

Jetzt hatte ich also am Montagmorgen, kurz nach meiner Yogastunde, einen Termin für ein erotisches Date. Nicht nur irgendein erotisches Date, mit Soft Sex und Massage, wie ich es in den letzten Monaten bevorzuge, sondern ein Date für bizzare Spiele, bei dem ich dominant sein sollte.

Meist lehne ich solche Termine ab oder mache zumindest sehr deutlich, dass das nicht mein Schwerpunkt ist. Ich bin von meiner Ausstrahlung her nicht dominant. Früher konnte ich das teilweise durch die Studio-Umgebung ausgleichen, aber in meinem kleinen Massage-Zimmer fällt es auf. Hinzu kommt, dass ich auch nicht mehr viel Ausstattung für diesen Bereich habe.

Aber diesmal lief es total gut! Wenn ich in der richtigen Stimmung bin, kann ich durchaus bestimmend und auch sadistisch sein. Kombiniert mit meinem guten Gefühl für Menschen und Stimmungen und meinem Einfühlungsvermögen, kann ich damit in einen richtigen Flow kommen. So war es diesmal. Wir hatten eine Stunde lang eine intensive Session, aus der wir beide strahlend rausgingen.

So starte ich dann doch gerne in die Woche!

Das Gute im Menschen

In der Sexarbeit ist es immer noch üblich, dass das Geld zu Beginn des Treffens bezahlt wird. Diese Regel geht auf die Zeit zurück, als Prostitution als sittenwidrig galt und Geld aus Prostitution daher nicht auf Rechtswegen eingeklagt werden konnte. Mittlweile ist das anders (seit Einführung des Prostitutionsgesetzes zum 01.01.2002 *), doch diese Gewohnheit wurde beibehalten – meiner Meinung nach häufig ein Zeichen des gegenseitigen Misstrauens, dass zwischen Sexarbeiterinnen und ihren Kunden herrscht. (Und nebenbei: auch wenn es theoretisch möglich ist, bei Unstimmigkeiten die Polizei zu rufen und das gerichtlich zu klären, will das kaum eine Sexarbeiterin.)

Ich möchte hier ein bisschen aus meinen Erfahrungen plaudern, die sind nämlich überwiegend ganz anders. Anlass für diesen Blog ist ein Erlebnis, das ich letzte Woche hatte. Ich hatte einen Termin am Freitagmorgen recht früh, mit einem Kunden den ich in der Woche zuvor zum ersten Mal getroffen hatte. Vierzig Minuten vor dem Termin bekam ich eine SMS: Er müsse den Termin leider absagen, sein Corona-Schnelltest sei gerade positiv gewesen. Ich habe schon ein paar Mal darüber geschrieben, dass ich solche kurzfristigen Absagen häufig als Ausrede empfinde und dann keine zweite Chance gebe. Diesem Mann habe ich das jedoch sofort geglaubt, beruhend auf dem bisherigen Kontakt. Es ging sogar noch weiter: Nachdem ich ihm gute Besserung gewünscht habe, bestand er darauf, mir das Geld für den Termin zu überweisen. Ich habe erst versucht das abzulehnen, ihm dann jedoch meine Verbindung gegeben.

Das war in meinen ganzen Jahren als Sexarbeiterin erst das zweite Mal, dass mir jemand einen gebuchten Termin bezahlt hat, weil er kurzfristig absagen musste. Halt, stimmt nicht ganz, zwei Mal hatte ich das auch bei langjährigen Stammkunden, aber da ging es um etwas anderes: bei dem einen hatte ich extra ein Zimmer gebucht, das er dann bezahlt hat, und bei dem anderen es ist zum x-ten Mal vorgekommen, dass ihm kurzfristig was dazwischen gekommen ist, und diesmal bestand ich auf das Geld (für einen Termin, nicht für alle ausgefallenen). Sonst fällt es bei Stammgästen unter Kulanz, wenn wirklich mal was dazwischen kommt (ist ja dann meist ein echter Notfall), oder bei Neukunden ist es halt mein Pech.

Zurück zum Thema vom Anfang: Ich bestehe nicht darauf, das Geld zu Beginn des Termins zu bekommen. Viele Kunden geben es mir von sich aus am Anfang. Manchmal passiert es, dass jemand das danach vergisst und ich sanft erinnere. Zwei oder drei Mal ist es sogar schon passiert, dass wird es beide vergessen haben. Jedes Mal bekam ich innerhalb von einer Stunde einen Anruf: „Ich hab dir gar kein Geld gegeben! Wie machen wir das jetzt?“ Ich habe das Geld jedes Mal bekommen, per Überweisung oder beim nächsten Treffen.

Ja, ich bin auch schon um Geld betrogen worden – drei oder vier Mal, in über fünfzehn Jahren. Da war es dann meist nicht mal das Geld (obwohl das in einem Fall echt auch weh tat), sondern viel mehr das Gefühl, betrogen und nicht repektiert worden zu sein. Das hat mir auf Wochen den Spass an der Arbeit verdorben, und ich musste mich zwingen, nicht jedem weiteren Kunden mit Misstrauen zu begegnen. Wenn ich darüber nachdenke, wie häufig ich von Menschen in „seriösen“ Berufen höre, dass sie hinter ihrem Geld herlaufen – egal ob es Handwerker, Ärzte u.a. – ist das bei mir harmlos. Also: Ich habe echt tolle Kunden! Danke!


* Bitte nicht verwechseln: Es gibt das Prostitutionsgesetz (ProstG) von 2002, durch das Prostitution in Deutschland legal wurde. Darin wird Prostitution als Dienstleistung definiert und es sollte den sozialen Status von Prosituierten verbessern. Seitdem können sich Prostituierte z.B. gesetzlich krankenversichern – und eben auch ihren Lohn einklagen. Seit 2017 gibt es zusätzlich das Prostitutionsschutzgesetzt (ProstSchG), dass Sexarbeitenden und den Betreibern von Prostitutionsbetrieben eine Reihe von Pflichten auferlegt, u.a. die Registrierung von Sexarbeitenden und eine Genehmigungspflicht für Betreiber. Dieses Gesetz wird von vielen als Schikane empfunden und die angebliche Schutzwirkung für Sexarbeitende wird stark angezweifelt.

Eifersucht

Ich habe wohl gerade nach über zehn Jahren einen Kunden verloren, der in den letzten Jahren mindestens 1-2 Mal im Monat bei mir war. Das lässt mich etwas traurig, aber vor allem ratlos zurück.

Am Anfang ist es mir gar nicht so aufgefallen. Bemerkt habe ich es dann irgendwann im Dezember, als die Zeit zwischen den Terminen plötzlich lang wurde. Dann ein kurzer Anruf, dass er wegen der steigenden Corona-Zahlen gerade nicht mehr kommen möchte, aber nächstes Jahr wieder, und bis dahin frohe Weihnachten und einen guten Rutsch.

Ich schickte ihm dann einen Neujahrs-Gruss, den er auch erwiederte. Dann erst mal nichts mehr. Normalerweise melde ich mich von mir aus gar nicht bei Kunden, also beließ ich es dabei. Aufgefallen ist es mir schon.

Vor ein paar Tagen dann ein Anruf, den ich im ersten Anlauf verpasst habe. Ich schrieb eine kurze SMS: „Ich bin jetzt wieder erreichbar, und ich habe auch morgen früh Zeit, wenn Du magst.“ Er rief dann noch mal an: Danke für das Angebot, aber er wolle jetzt nur mal mit mir reden.

Worum es ging: Ich hatte ihm einige Wochen zuvor einen Link zu meinem Blog geschickt. Einfach so, weil wir gerade so nett geplaudert hatten und ich dachte, es könne ihn interessieren. Der Blog enthält ja u.a. Geschichten über erotische Begegnungen, Berichte über Begegnungen, und auch einen Link zu meinem Profil bei kaufmich, auf dem es Berichte über mich gibt.

Ihm ist jetzt sehr bewusst geworden, dass ich ja auch noch andere Männer treffe – und das hat ihn irritiert und abgeschreckt. Für mich war das im ersten Moment ziemlich lächerlich. Später begann ich, mich darüber zu wundern, wie sehr jemand sich selbst täuschen kann. Rein vom Kopf her muss ihm die ganze Zeit klar gewesen sein, dass ich halt Sexarbeiterin bin, aber emotional hat er das völlig ausgeblendet – bis er in meinem Blog darüber gestolpert ist.

Ich hoffe, dass er sich wieder fängt, denn ich mochte unsere regelmäßigen Begegnungen und auch den Kontakt. Andererseits bin ich ein großer Fan von Ehrlichkeit und werde niemanden darin unterstützen, sich selbst etwas vorzumachen.

Hoffentlich Fake

Manchmal landen sehr skurille Anfragen in meinem Postfach:

Hey Liebes, ich hab dein Profil gelesen und bin sehr begeistert. Eine Freundin von mir möchte sich sehr gerne prostituieren und deshalb Erfahrungen sammeln. Wenn du Interesse hast kann ich sie n abend oder nacht mal zu dir geben. Du kannst an dem Abend so viele Typen über sie drüber wie es geht. Die Kohle die die Typen bezahlen kannst du haben. Die Preise kannst du natürlich festlegen für Sie. Sie wird nur gefickt. Wenn du Interesse hast melde dich gerne mal.“

Bei dieser Mail mache ich mir ernsthaft Sorgen um das Wohlergehen der Frau. Mein erster Gedanke war, dass es sich um ein Paar in einer SM-Beziehung handelt, das sich aus diesem Szenario einen zusätzlichen Kick erhofft. Da wäre es aber grob fahrlässig von dem Mann, seine Partnerin einfach so einer fremden Person zu überlassen, ohne weitere Regeln und Kontrolle.

Die noch viel unschönere Variante ist, dass das rein der Erniedrigung der Frau dient und sie wenig Einfluss darauf hat. Das wäre Zuhälterei und Missbrauch und somit beides strafbar. Ein solches Szenario hat für mich auch nichts zu tun mit „Erfahrungen in der Prostitution sammeln“. Gerade bei ersten Erfahrungen sollte es meiner Meinung nach darum gehen, zu lernen, eigene Grenzen zu achten und die Kontrolle über die Situation zu behalten. „Einfach nur gefickt werden“ ist die schlimmste Art von Klischee!

Ein Freund von mir, dem ich davon erzählte, ging davon aus, dass die ganze Mail Fake ist und da nicht viel hinter steht. Ich hoffe, dass er recht hat.

Absagen und Ausreden

Es gab eine Zeit vor einigen Jahren, als ich gescherzt habe, dass der Weg zu mir sehr gefährlich sein müsse und ich meine Kunden vielleicht warnen sollte. Der Grund dieses Scherzes waren die regelmäßigen Absagen, die sehr kurzfristig erfolgten mit der Begründung: „Ich hatte gerade einen Autounfall.“

Die gerade moderne Version von „Ich hatte eine Autounfall.“ ist „Mein Corona-Test war positiv.“ Versteht mich nicht falsch: Ich bin dankbar für jeden, der achtsam mit diesem Thema umgeht, sich regelmäßig testen lässt und sich in Quarantäne begibt wenn ein Test positiv ist.

Ich habe jedoch nach all den Jahren ein ziemlich gutes Gefühl für die Zuverlässigkeit von Menschen. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, eine Ahnung, die mich daran zweifeln lässt, dass jemand einen Termin mit mir ernst nimmt, oder ihn als Option ansieht und demnach die hohe Wahrscheinlichkeit einer kurzfristigen Absage besteht.

Mein Problem ist, dass solche Ahnungen natürlich nicht 100% zuverlässig sind. Wenn ich solche Termine dann regelmäßig von mir aus absagen würde, würde ich auch die Kunden verpassen, die dann doch kommen. Ich lebe also damit, dass mir 2-3 Mal im Monat so jemand meinen Tag durcheinander bringt.

Bei kurzfristigen Absagen werden dann Ausreden bemüht, damit ich evtl doch noch eine weitere Chance auf einen Termin gebe: „Ich hatte einen Autounfall.“, „Ich muss leider doch länger arbeiten.“, „Mein Corona-Test war positiv.“ und ähnliches – ich kann es nicht nachprüfen, und solche Dinge können ja wirklich passieren.

Beim ersten Mal ist das dann halt mein Problem und mir bleibt nichts anders als der Versuch, mich nicht zu sehr frustrieren zu lassen. Ich gebe aber bei sowas nur selten zweite Chancen, außer bei guten Stammgästen.

Anekdoten

Anekdoten sind ein beliebtes Thema in der Sexarbeit. Für die meisten Menschen ist diese Welt so fremd, dass sie neugierig sind aus Geschichten aus unserem Leben – je ausgefallener desto besser. Dass das dann häufig nicht mehr viel mit dem Alltag zu tun hat, ist nicht so wichtig…

Auch wenn ich mit Kolleginnen zusammen sitze, passiert es ab und zu, dass wir uns über Superlative auslassen: die ekligste Session, der nervigste Kunde, das peinlichste Missgeschick… Zugegeben: das geht manchmal ganz schön unter die Gürtellinie – und weit jenseits der Grenzen des guten Geschmacks.

Wenn ich hier Anekdoten schreibe, lege ich Wert darauf, nicht zu sehr über Kunden herzuziehen. Ja, manches Verhalten ist nervig, und manche Wünsche sind komisch – aber häufig steckt eher Ungeschicklichkeit als böse Absicht dahinter. Und sich über erotische Vorlieben lustig zu machen, ist eh daneben (was nicht heißt, dass ich sie nicht ablehnen darf).

Über meine geschriebenen Anekdoten können alle Beteiligten lachen (wenn sich jemand darin wiedererkennt), oder zumindest hoffentlich über Verhalten reflektieren. Alles andere behalte ich für mich, oder vielleicht mal für ein privates Gespräch – wenn ich weiß, dass mein Gegenüber das entsprechend einordnen kann.

Worauf man alles achten muss

Wichtigste Regel als Sexarbeiterin: Keine Spuren hinterlassen! Zum Glück habe ich eh keine Vorliebe für auffällige Düfte, starkes Make-up o.ä., so dass sich meine Kunden darüber keine Gedanken machen müssen. Wenn jemand sehr vorsichtig ist, rate ich dazu, ein eigenes Duschgel mitzubringen – aber auch das ist bei mir relativ geruchsneutral, ebenso wie Massageöl o.ä.

Ich spiele nicht mehr viel im SM-Bereich, so dass Spuren in Form von blauen Flecken, Striemen o.ä. eigentlich nicht vorkommen. Generell wird sowas vorher angesprochen, und die meisten Kunden sind sich des Risikos bewusst (und meistens lässt sich auch eine andere Ausrede finden, falls es doch mal einen blauen Flecken gibt).

Gestern schrieb mich ein Kunde ein paar Stunden nach dem Date an: er hätte Ausschlag auf dem Oberarm, woran das liegen könne? Ich habe es in alle den Jahren noch nie gehabt, dass jemand auf etwas, das ich benutzt habe (Öl, Gleitmittel, Kondome, Body Lotion etc) allergisch reagiert hat. Hier ließ sich die Lösung aber schnell finden: Ich hatte am Abend vorher meine Haare gefärbt! Und während des Dates eine ganze Weile entspannt an in gekuschelt gelegen, den Kopf auf seinem Oberarm.

Ich bin immer noch erstaunt, dass das eine solche allergische Reaktion hervorrufen konnte, obwohl die Haare trocken waren. Er hat es zum Glück locker genommen; es war wohl auch nicht schmerzhaft und ging schnell wieder weg.

Machtspiel

Ich hatte vor ein paar Tagen einen Chat-Kontakt, der mich am Anfang irritiert, später dann geärgert hat. Das Profil kannt ich nicht, und es enthielt zwar ein Bild, auf dem war jedoch nicht viel zu erkennen. Er schrieb mich mit einem nichtssagenden Spruch an, den ich erst konterte, um dann gleich zu korrigieren: „Das passt wohl nicht mit uns beiden, denn ich deinem Profil steht, dass du immer über Nacht zu dir einlädst – ich biete weder Hausbesuche noch Overnight an.“

Dann stellt sich heraus, dass wir uns wohl für ziemlich langer Zeit schon mal getroffen hatten – und er wurde patzig, weil ich mich nicht an ihn erinnerte. (Nein, nach mehreren Jahren ist das selten der Fall, und wenn dann erkenne ich dich vielleicht bei einem Treffen wieder, aber nicht am Telefon oder per Mail.)

Dem folgte ein wirrer Dialog, in dem er versuchte, mich zu einem Reeperbahnbummel zu überreden, und ich das ablehnte, weil sowas nicht mein Ding ist – mache ich privat nur selten, während Corona erst recht nicht, und ich treffe nur ungern Kunden außerhalb meiner Räume. Er versuchte mich zu überzeugen: erst indem er darauf hinwies, dass ich zu unflexibel sei, dann indem er mir mehr Geld bot, und dann mit Betteln, dass er das aber unbedingt mit mir machen wolle.

Ab irgendeinem Punkt merkte ich, dass ich innerlich abschaltete und generell mir kein Treffen mehr mit ihm vorstellen konnte. Das übersehen manche Kunden, wenn sie im Vorweg so eine Unruhe reinbringen: es geht nicht um eine technische Dienstleistung, sondern auch ich muss mit einem guten Gefühl in so ein Treffen gehen, sonst kommt da nichts Vernünftiges bei rum. Wenn ich mich vorher schon verunsichert oder genervt fühle, macht das fast keinen Sinn mehr.

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