Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Kategorie: Anekdoten (Seite 2 von 6)

Kleine amüsante Geschichten aus meinem Alltag.

Tabus im Setting

Tabus sind ein relativ häufiges Thema im Paysex, und ich habe auch schon einige Male darüber geschrieben (zuletzt vor drei Tagen über die „Frage nach Tabus“, für weitere Texte von mir dazu einfach „Tabus“ ins Suchfeld auf dieser Seite eingeben). Meist geht es dabei um sexuelle Tabus, also dass was die Sexarbeiterin ihrem Kunden beim Sex nicht anbieten möchte. Es gibt jedoch auch Tabus, die die Person des Kunden betreffen (Alter, Aussehen etc) oder das Setting.

Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, einen Kunden im Auto oder Outdoor zu treffen. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass ich keine Quickis mag und außerdem Wert auf einen Schutzraum für Sex lege, mich also gerne darauf verlasse ungestört zu sein und zu bleiben.

Auch Haus- und Hotelbesuche biete ich nicht an, überwiegend aus praktsichen Gründen (Fahrzeit und Aufwand), aber auch aus Sicherheitsfragen. Hotels sind noch sicher, aber bei einem Hausbesuch begibt sich die Sexarbeiterin schnell in eine unkontrollierbare Situation. Bei sehr guten Stammgästen habe ich schon mal begründete Ausnahmen gemacht und doch Hausbesuche gemacht. Es war okay, aber ich bevorzuge doch meine eigene Umgebung, in der ich diejenige bin, die durch das Setting die Stimmung beeinflusst.

Vorgestern hatte ich eine Anfrage, wo offensichtlich mein Profil nicht gelesen wurde, denn er fragte mich, ob ich ihn in einer Ferienwohnung besuchen würde. An sich keine ungewöhnliche Anfrage – wäre da nicht die Tatsache, dass er gleichzeitig erzählte, dass er dort mit seinem 7-jährigen Sohn Urlaub machen würde und ich ihn abends besuchen solle, wenn das Kind schläft. Ich habe selber keine Kinder und auch so gut wie nie mit Kindern zu tun, und die Vorstellung, Paysex zu haben, während im Nebenzimmer ein Kind schläft, dass jederzeit wach werden könnte, finde ich ganz furchtbar – und verantwortungslos vom Vater.

Generell ist das noch ein Punkt, der für mich deutlich gegen Hausbesuche spricht: Es gibt immer wieder Männer, die eine Sexarbeiterin zu sich nach Hause in die Familienwohnung einladen, während die Familie gerade in Urlaub ist. Das finde ich respektlos der Familie gegenüber! Wohnungen sind Rückzugsräume, und in dieser Situation ist in meinen Augen nicht nur der außereheliche Sex ein Vertrauensbruch, sondern noch mehr die Preisgabe von Schutzräumen an eine Fremde. Während ich die Frage der Untreue gut bei meinem Kunden lassen kann und mir da kein Urteil drüber bilde, möchte ich an dieser Form von Verrat nicht beteiligt sein.

Bordell-Diskussion

In den letzten Wochen habe ich immer wieder Schlafprobleme. Deswegen war ich froh, dass ich an diesem Abend um elf im Bett lag und auch relativ schnell einschlafen konnte. Umso mehr ärgerte ich mich, als mich um eins das Klingeln des Telefons weckte! Ja, ich sollte eigentlich in all den Jahren gelernt haben, es abends auszuschalten – vergesse es aber trotzdem regelmäßig. Als ich mich gerade nach dem Aufschrecken wieder einkuschelte, hallte der SMS-Ton der Mailbox durchs Zimmer. Jetzt war ich endgültig wach.

So kam es, dass ich nachts um eins über KM einen Termin für den nächsten Nachmittag absprach. Sein Argument, warum er ich so spät noch anrief: ich würde ja darauf bestehen, dass er den Termin einen Tag vorher vereinbart, am Morgen wäre also zu spät gewesen (nein, nachts um eins ist für mich nicht „einen Tag vorher“, um die Zeit habe ich meine Zeitplanung für den nächsten Tag längst fertig) und im übrigen würde ich ja noch als online angezeigt (ich logge mich nie aus, werde also fast durchgehend als online angezeigt).

Meine Standard-Ansage, wenn es um so kurzfristige Termine geht, ist: „Warum gehst du nicht lieber in ein Bordell, da kannst du auch ohne Termin hingehen.“, und ich bekam die übliche Standard-Antwort: „Die Frauen da fertigen einen alle nur schnell ab, das ist Geldverschwendung.“ Ich möchte deswegen hier ein wenig aus meiner Geschichte erzählen und eine Lanze für Bordelle brechen, ich habe nämlich auch schon in welchen gearbeitet (Privat-Club, Nachtclub und Appartement/ SM-Studio, von Laufhäusern und FKK-Clubs habe ich keine Ahnung).

Wenn ich in einem Bordell arbeite, habe ich einen ziemlich fixen Dienstplan. Ich komme zu einer bestimmten Zeit dort an. Dann nehme ich mir die Zeit, mich in Ruhe fertigzumachen, bin also immer frisch geduscht und rasiert, sexy angezogen und dezent geschminkt, und das Zimmer ist vorbereitet, um sofort mit einem Termin beginnen zu können. Dann sitze ich dort viele Stunden rum und schlage die Zeit tot, während ich mit Kunden warte; ich quatsche mit Kolleginnen, trinke zu viel Kaffee, surfe im Internet, lese vielleicht ein Buch. Ich freue mich über jeden Termin, da das heißt dass ich nicht umsonst Zeit verschwende.

Ich habe gerne in Bordellen gearbeitet, ich mochte die Atmosphäre und die Zusammenarbeit mit Kolleginnen. Damit aufgehört habe ich, weil es sich nur in Vollzeit lohnt, Sexarbeit in den letzten Jahren aber nicht mehr meine einzige Tätigkeit ist. Ganz damit aufhören möchte ich trotzdem nicht, da ich diese Arbeit immer noch sehr gerne mache und viele langjährige Stammgäste habe. Also versuche ich, Sexarbeit-Termine in meinen Alltag einzupassen. Dazu brauche ich im Normalfall etwas Vorlauf, da ich halt nicht automatisch da bin und auch nicht automatisch date-fertig und der Raum vorbereitet.

Bei spontanen Anfragen, gerade am Wochenende (unter der Woche ist es häufig entspannter), passiert jetzt folgendes: Ich muss spontan meinen ganzen Tag umplanen. In dem oben beschriebenen Fall sah das so aus: Bis ich nach dem Chat wieder einschlafen konnte, war es fast drei. Dafür hatte ich den Wecker eine Stunde eher gestellt – statt wie geplant 8-9 Stunden bekam ich nur noch knapp sieben Stunden Schlaf und war schon beim Aufstehen grummelig. Eigentlich war ich mit einer Freundin zu einem langen Ausritt verabredet, worauf ich mich sehr gefreut hatte; das sagte ich jetzt ab und ging stattdessen nur allein die übliche 40 Minuten-Standard-Runde mit meinem Pferd, um pünktlich zurück in der Wohnung zu sein. Dort angekommen war ich schlecht gelaunt durch die Enttäuschung und gestresst von der engen Zeit für Vorbereitungen. Ich kochte noch einen Kaffee und ging duschen, während ich überlegte, ob Rasur und Haare waschen wirklich nötig waren. Raum vorbereiten und los – ohne mir Gedanken über den Inhalt des Termins zu machen und mit dem Gefühl, dass jetzt „mal eben schnell“ zu machen, damit ich noch ein bisschen was vom Sonntag hätte.

Das soll jetzt nicht heißen, dass ich grundsätzlich ein Problem damit habe, sonntags Termine zu machen. Nur: wenn ich das vorher weiß, plane ich meinen freien Tag halt auf Samstag oder Montag, so dass er nicht ganz ausfällt. Umgeschmissene Planungen finde ich einfach immer frustrierend – lassen sich aber nicht vermeiden, denn manchmal macht das Geld einfach einen Unterschied für mich (im Moment sind es Steuerberater-Rechnungen, die meine Finanzen eng werden lassen).

Worauf ich eigentlich hinauswill mit diesem Text ist, dass Bordell-Termine nicht grundsätzlich schlechter sind als „private“ Verabredungen, und „private“ Verabredungen nicht unbedingt besser als Bordell-Termine. Theoretisch bin ich in beiden Szenarien gleich mit meinen Kunden umgegangen; praktisch war ich im Bordell sogar konzentrierter und besser vorbereitet als jetzt, wenn mein Alltag auch von anderen Dingen beansprucht wird. Unter diesen Voraussetzungen lief der Termin am Sonntag übrigens ziemlich gut – was beweist, wie gut ich bin in dem was ich mache.

Penisbilder

Neulich war es mal wieder so weit: ein Penisbild zum Frühstück. Im sonstigen Internet gilt das ungefragte Zusenden von Penisbildern mittlerweile als sexuelle Belästigung und ist strafbar. (Es kann sogar ziemlich unkompliziert online angezeigt werden.) Für Sexarbeiterinnen scheint das in den Augen vieler Kunden noch nicht zu gelten.

Diesmal gab es als erstes ein kurzes Anschreiben a la „Lust auf ein Date“, direkt gefolgt von einem Gesichtsbild. Als ich das dann freundlich benatwortet hatte, kam das Penisbild mit dem Kommentar „Gefällt?“ Ganz ehrlich, was soll ich dazu sagen?!

Ich gehöre auch als Sexarbeiterin zu den Frauen, die mit Penisbildern nichts anfangen können. Es hilft mir noch nicht mal, die Größe einzuschätzen (Zentimeterangaben übrigens auch nicht), und ich finde es auch weder sexy noch ästhetisch. Privat mag ich ästhetische Aktbilder, aber die müssen wirklich gut gemacht sein und kein Spiegel-Selfie (außer vielleicht der Körper ist wirklich perfekt, dann kann das nichts entstellen).

Generell zum Thema Bilder: Sie interessieren mich nicht. Keine Penisbilder, und auch Gesichtsbilder/ Schnappschüsse nicht besonders. Ich habe noch nie einen Kunden wegen seines Aussehens abgelehnt, und auch privat habe ich keinen bestimmten Typ, sondern gucke immer auf das Gesamtpaket, das einen Menschen ausmacht.

Ein nettes Lächeln auf einem Bild kann Sympathiepunkte sammeln – das tut ein durchdachtes Anschreiben und Zuverlässigkeit aber auch.

Gehalten werden

Letztens hatte ich ein längeres Treffen über drei Stunden. Es war nicht unser erstes Treffen, und er nutzte die Zeit mit mir, um Neues zu probieren und Bedürfnisse nach Nähe und Kontakt zu befriedigen. Demnach war es immer eine Mischung aus Sex, bizzaren Spielen, aber auch Massage und Nähe.

Bei diesem letzten Treffen ergab es sich, dass wir nach einer ersten Runde völlig zur Ruhe kamen. Ich war etwas nach oben gerutscht und er lag mit dem Kopf auf meiner Brust an mich geschmiegt, während meine Arme ihn hielten. Es wurde ganz still um uns. Ich entspannte so sehr, dass ich zwischendurch merkte wie ich begann wegzudriften.

Solche ganz ruhigen Momente sind selten bei meinen Dates, vor allem als längere Phase, wie es hier der Fall war. Meist reicht schon die Zeit nicht für viel länger als zehn Minuten zum Nachspüren, oder aber man kommt dann wieder ins Plaudern. So hatte dieses Erlebnis auch für mich eine ganz eigene Qualität.

Gehalten zu werden und Nähe zu spüren ist ein ganz altes, ja kindliches Bedürfnis, das gar nicht viel mit Sexualität zu tun hat. In vielen Therapieformen (Psychotherapie und/ oder Körpertherapie) spielt Körperkontakt und Nähe eine Rolle, es geht um das Gefühl gehalten zu werden und geborgen zu sein, das Grundbedürfnisse stillt und nachnährt. Bei einer Sexarbeiterin ist das absolut nicht das, was bei einem Treffen im Vordergrund steht – umso schöner, wenn es sich ergibt.

Manchmal passiert es einfach, dass bei einem Treffen mit einer Sexarbeiterin ganz andere Bedürfnisse erfüllt werden als die sexuellen Gründe, wegen denen man das Treffen ursprünglich vereinbart hat. Es bedarf Erfahrung der Sexarbeiterin, das dann zu gestalten und sich darauf einzulassen – dann ergeben sich ganz besondere Situationen und Erlebnisse für beide Beteiligten.

Nein heißt Nein

Heute ist der sehr volle, intensive erste Monat des Jahres sehr unrühmlich zu Ende gegangen. Ich habe viel erlebt und gemacht in diesem Monat: eine Ausbildung wieder aufgenommen, viele spannende Dates mit neuen und bekannten Kunden, einige Dinge in meinem Leben neu überdacht und Weichen für die Zukunft gestellt. Ein wenig fehlte mir dabei ruhige Zeit für mich. Vielleicht haben mich deshalb zwei Ereignisse der letzten Tage sehr getroffen.


Das erste war vorgestern. Ich hatte ein Treffen mit einem Stammkunden, den ich schon seit über zehn Jahre kenne. Vor zwei oder drei Jahren brachte er mir das erste Mal eine Flasche Wein mit, als kleine Aufmerksamkeit. Ich freute mich darüber und bedankte mich. Danach wurde es zur Gewohnheit: bei jedem Treffen bekam ich eine Flasche Wein, manchmal auch zwei, etwa alle sechs Wochen. Irgendwann wies ich ihn darauf hin, dass ich gar nicht so viel Wein trinke, sondern nur alle paar Monate mal eine Flasche aufmache, und sich bei mir die Flaschen langsam sammelten.

Er ging nicht weiter darauf ein und bei mir sammelten sich weiter die Flaschen. Manchmal machte ich eine auf, trank innerhalb eine Woche zwei oder drei Gläser davon, bevor der Rest verdarb und ich ihn wegschüttete (was ich schade fand). Ich schenkte einige Flaschen weiter an Freunde, da es mir zu viele wurden. Ich versuchte erneut, ihn darauf hinzuweisen, dass mir das zu viel Wein war. Aber für ihn gehört die abendliche Flasche Wein zum Alltag und es scheint ihm nicht verständlich, dass ich einen sehr vorsichtigen Umgang mit Alkohol habe und dieser in meinem Alltag eher keine Rolle spielt.

Im Dezember brachte er mir erst eine Flasche Glühwein mit, über die ich mich freute, und dann beim nächsten Treffen eine ganze Kiste mit sechs Flaschen. Das würde bei mir für viele Winter reichen! Zumal ich gerade mit einer Ärztin über die Einnahme eines HIV-Prophylaxe-Medikaments sprach und nichts davon halte, die Wirkung von Medikamenten durch Alkohol zu verändern. Ich schrieb meinem Kunden eine Nachricht, dass ich ab Januar keinen Alkohol mehr trinken würde und er mir bitte keinen Wein mehr mitbringen solle.

Beim ersten Treffen Januar brachte er mir stattdessen Schokolade mit, fing aber noch eine lange Diskussion mit mir an, ob ich denn wirklich keinen Alkohol dürfe und für wie lange (ich sagte dass ich mindestens ein Jahr keinen Alkohol trinken würde). Beim nächsten Treffen zwei Wochen später hielt er wieder eine Flasche Wein in der Hand. Als ich ihn darauf hinwies, dass ich doch keinen Alkohol trinke, stellte er die Flasche ab und sagte: „Kannst du ja aufbewahren.“ Einen Moment lang habe ich das geschluckt, dann bin ich richtig pampig geworden und habe ihm gesagt, dass ich das absolut daneben fand. Seine Reaktion: „Ich hab es ja nicht böse gemeint.“ Ich habe ihn dann die Flasche wieder mitnehmen lassen.

Ich habe viele Menschen in meinem Bekanntenkreis, die keinen Alkohol trinken, aus sehr unterschiedlichen Gründen. Und ich hasse es, wenn jemand darüber diskutieren muss! Es gibt gute Gründe gegen Alkohol: Wechselwirkungen mit Medikamenten, Alkoholprobleme in der Vergangenheit, religiöse Gründe, oder auch einfach das Gefühl, es körperlich oder psychisch nicht gut zu vertragen oder nicht zu mögen. Ich finde es schlimm, wenn jemand sich dafür rechtfertigen muss, und verstehe auch dieses Drängen von Außen überhaupt nicht.


Das zweite sehr unschöne Erlebnis hatte ich heute Morgen. Eigentlich war es nur eine Kleinigkeit, aber es war ein Tropfen der das Fass nach vielen Jahren zum Überlaufen brachte. Schon seit fast drei Jahren mache ich keine spontanen Termine mehr, da Sexarbeit nicht mehr mein einziger Beruf ist. Vorher hatte ich nachmittags feste Zeiten im Appartement, für Termine am Vormittag oder später am Abend brauchte ich auch Vorlauf. Schon zu dieser Zeit rief mich dieser Kunde häufig vormittags an und fragte nach einem spontanen Termin. Auch ihn kenne ich schon sehr lange und daher habe ich es manchmal möglich gemacht.

In den letzten Jahren ist das für mich noch schwieriger geworden und für jeden dieser Termine musste ich meine komplette Tagesplanung über den Haufen werfen. Immer wieder habe ich versucht ihm zu erklären, wie schwierig das für mich ist, und in den letzten Jahren auch mehr und mehr dieser Termine abgelehnt. Manchmal bin ich pampig geworden, dann war es für ein paar Wochen besser, bevor das Spiel wieder von vorne anfing.

In der letzten Woche hat er mich drei Mal angerufen, und ich habe ihm drei Mal erklärt, dass ich im Moment zu viel zu tun habe und spontane Termine absolut unmöglich sind und er bitte vernünftig mit Vorlauf einen Termin vereinbaren soll. Drei Mal allein in der letzten Woche! Heute Morgen rief er wieder an, und als ich ablehnte merkte er an, dass er ja jetzt in Urlaub fahre und wie schade und doof das wäre, dass ich keine Zeit mehr für ihn hätte. Da ist bei mir irgendwas gebrochen.

Die nächsten fünf Minuten habe ich ihn angeschrien, dass ich absolut genug von seinem Scheiß hätte, von seinem Disrespekt, seinem Egoismus, seiner Selbstzentriertheit, seiner Ignoranz, und dass Typen wie er der Grund wären, warum ich diese Arbeit irgendwann hinschmeißen würde, und dass er mich nie wieder anrufen solle. Mir ist klar, dass Schreiben nicht die Lösung ist – aber ehrlich gesagt ist es meiner Erfahrung nach so, dass das manchmal das einzige ist, was wirklich ankommt und ernstgenommen wird.

So endet jetzt also eine langjährige, tiefe Verbindung zu einem Stammkunden. Es tut mir nicht mal richtig leid, für mich war durch sein Verhalten echt das Ende meiner Geduld erreicht, und diese Termine haben dadurch häufig mehr Nerven gekostet, als durch den Verdienst aufgewogen wird.

Unfallanfällig

Für mich hat das neue Jahr etwas anders begonnen, als ich es mir gewünscht hätte. Meine letzte Woche war ziemlich voll, und irgendwie scheint dabei meine Konzentration und/ oder mein Glück auf der Strecke geblieben zu sein.

Am Dienstag bin ich von meinem Pferd gefallen (was eigentlich unmöglich sein sollte, so bequem wie er ist). Das Problem war nicht mal das runterfallen, sondern dass ich erst nach vorne auf den Hals gefallen bin und dabei der Schirm meines Reithelms abgebrochen ist. Direkt nach dem Sturz bin ich aufgestanden und wieder aufgestiegen, mit nur einer leichten Schwellung an der rechten Augenbraue. Im Laufe der folgenden Nacht ist diese Schwellung dann ins Augenlid geblutet, das jetzt geschwollen war – und dunkelblau verfärbt.

Als Sexarbeiterin ein blaues Auge zu haben, ist so ziemlich das Blödeste was passieren kann. Man wird sofort mit den üblichen Vorurteilen konfrontiert, von wegen gewalttätiger Zuhälter. Mein Freund hat da noch Scherze drüber gemacht, aber ich fand das gar nicht so lustig.

Es war dann nicht so schlimm wie erwartet. Direkt aufgefallen und darauf angesprochen hat mich nur ein einziger Kunde; den meisten fiel die dunkle Färbung im Schummerlicht meiner Wohnung gar nicht auf oder sie buchten es unter „verunglücktes Make-Up“. Sechs Tage später, als es schon nicht mehr so schlimm aussah, hatte ich einen Termin bei meiner Hausärztin. Die sah es auf den ersten Blick und sprach mich an: „Wer hat sie denn geschlagen?“ Da waren wohl doch die Vorurteile aktiv…

Um den unglücklichen Start in die Woche abzuschließen, ist mir am Freitagabend die Kette an meinem Fahrrad gerissen, was auch fast zu einem Sturz geführt hätte. Ich konnte mich fangen, bin aber mit der Wade auf die Pedale und mit den Hintern auf die Vorderkante des Sattels gefallen, was beides böse blaue Flecken verursacht hat (die meinen Kunden deutlich mehr auffallen als das blaue Augenlid).

Im Englischen sagt man: „She seems to be accident prone all of a sudden.“ („Sie scheint plötzlicher sehr unfallgefährdet zu sein.“) und fragt damit indirekt, ob es ein Problem mit Beziehungsgewalt gibt. Ich finde es gut, dass die Aufmerksamkeit dafür in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat und gerade medizinisches Personal geschult wird, darauf zu achten.

In meinem Leben hatte ich nie einen Partner, der gewalttätig war. Wohl aber immer mal wieder Phasen, in denen ich zu kleineren Unfällen neigte, einfach durch Pech oder durch stressbedingten Mangel an Konzentration. Es ist also für mich ein Zeichen, mich etwas zurückzunehmen, mehr zu schlafen und mich in Achtsamkeit zu üben.

Alkohol-Kultur

Heute Morgen hatte ich einen lieben Stammgast da, den ich schon sehr lange kenne. Diesmal drückte er mir spontan beim Reinkommen einen Champagner-Piccolo in die Hand: „Hier, vielleicht magst du ja.“ Mh, eigentlich war ich noch beim zweiten Kaffee…

Es ist mir dann gelungen, den Champagner wunderbar in unser Spiel einzubauen, und wir hatten eine tolle Session zusammen. Danach habe ich mir einen dritten Kaffee gekocht, und wir haben noch ein wenig geplaudert – u.a. darüber, wie sehr Alkohol in unsere Kultur eingebunden ist.

Wer mich kennt und/ oder schon mehr in meinem Blog gelesen hat, weiß, dass ich nur sehr wenig trinke und auch ein sehr gespaltenes Verhältnis zu dem Thema habe. Auch ich lande jedoch immer wieder in Situationen, in denen irgendwie das Gefühl herrscht, dass Alkohol jetzt dazugehören würde.

Ein großes Abendessen in einem schicken Restaurant – zumindest ein Glas Wein gehört dazu. Eine Feier zu Geburtstag, Beförderung o.a. – Anstoßen mit Sekt. Gemütlich Grillen im Garten – mit dem Bier in der Hand. Auch im Paysex gehört für manche Sekt oder Wein dazu – um die Stimmung zu entspannen und die Situation als etwas besonderes zu kennzeichnen.

Wer da an einem Glas Wasser nippt, wird häufig komisch angeschaut. Gegen die komischen Blicke bin ich immun, nicht aber gegen dieses Gefühl von „ach komm, das kannst du dir doch gönnen“. Zum Glück habe ich genug Menschen in meinem Umfeld, die auch überwiegend auf Alkohol verzichten, so dass sich die Versuchung nicht so häufig stellt.

Wiedererkennungswert

Ich bin jetzt seit 17 Jahren in Hamburg und mache schon fast genauso lange Sexarbeit in irgendeiner Form (erst neun Jahre Tantra-Massagen, dann fünf Jahre in Bizzar-Appartements, mittlerweile seit fast drei Jahren in eigener Wohnung). Da kommt es immer wieder mal vor, dass ich jemanden am Telefon frage: „Kennen wir uns schon?“, und die Antwort ist: „Ja, aber das ist fünf bis zehn Jahre her.“

Ich freue mich natürlich immer, wenn ich in guter Erinnerung geblieben bin. Von meiner Seite aus ist es allerdings so, dass ich meist jede Woche spannende Männer bei meiner Arbeit kennenlerne. Da ist es leider unmöglich, sich an jeden und alles zu erinnern!

Deswegen reagiere ich schnell genervt auf Anrufe, die beginnen mit: „Hej, hier ist Michael/ Jürgen/ [beliebigen weit verbreiteten Namen einsetzen]. Ich war vor vier Jahren mal bei Dir. Erinnerst du dich noch?“ Nein, ich erinnere mich nicht – zumindest garantiert nicht in diesem Moment. Manchmal kommen Erinnerungen wieder, wenn ich jemandem dann gegenüberstehe oder wenn sich im Gespräch Details ergeben. Häufig ist das aber auch nicht der Fall.

Gestern hatte ich folgenden Dialog: „Hi… Unser 1. Date ist ja leider nicht so gut gelaufen… hatte so das Gefühl…“ – „Ich habe keinen Plan, wann wir uns getroffen haben und wie das lief. Ist schon was her, oder?“ – „Letztes Jahr am 19. November.“ Das ist fast ein Jahr her! Wir haben dann noch ein wenig hin und her geschrieben, und er war eindeutig sauer, dass ich mich nicht genau erinnerte und auch nicht viel Energie hinein gegeben habe.

Ich erinnere mich an Stammkunden – also an Männer, die entweder regelmäßig kommen oder aber schon seit vielen Jahren immer wieder. Alle anderen muss ich leider bitten, mir ihre Wünsche und Vorstellungen noch mal zu schildern und sich neu auf eine Begegnung mit mir einzulassen – oder gerne auch daran zu arbeiten, Stammkunde zu werden.

Die miesen Tricks der Szene

Vor ein paar Tagen bin ich mal wieder darauf reingefallen: auf einen miesen Kunden-Trick. Ich hatte mich eh schon geärgert, da ein Termin am Vormittag kurzfristig abgesagt hatte, was ich auch noch zu spät gesehen hatte. Mein Vormittag war also ziemlich ruiniert. In dem Moment kam ein Anruf, ob ich nicht doch „ausnahmsweise“ kurzfristig einen Termin machen könnte. Ich sagte zu, es war ja eh alles vorbereitet.

Als er dann bei mir war, fiel ihm „ganz überraschend“ auf, dass er nur 80 Euro in der Tasche hatte. (Für die, die sich nicht auskennen: 80 Euro ist der übliche Preis für eine halbe Stunde.) Damit stellt er mich vor die Wahl: Ich kann darauf bestehen, dass ich keine Termine unter 1 Stunde mache, und ihn wieder wegschicken – habe aber schon Zeit und Aufwand investiert, die dann für nichts waren. Oder ich nehme das Geld und mache zähneknirschend einen Quicki, der allen meinen Grundsätzen widerspricht.

Ich habe mich (mal wieder) für die zweite Variante entschieden. Es war dann nicht mal eine halbe Stunde, sondern vielleicht zehn Minuten – für sowas komme ich nicht in Stimmung und war auch zu genervt von er Nummer, um mir Mühe zu geben. Wahrscheinlich war es nicht mal die 80 Euro wert – und ich frage mich, warum jemand sowas macht und nicht einfach ins Laufhaus geht, wo sie auch gerne für 60 Euro einen Quicki anbieten und das wahrscheinlich deutlich charmanter und gekonnter machen und ich. Kerben im Bettpfosten, so nach dem Motto: die hab ich jetzt auch noch gehabt?!

Und bevor jetzt wieder „not all men“ und „aber die Frauen machen auch“ kommt: ja, ich weiß, dass sich auch Anbieterinnen häufig nicht fair verhalten. Da ist besonders das Nachverhandeln vor Ort leider immer noch üblich, wo es dann plötzlich ein vielfaches des abgesprochenen Preises kostet, weil jede Kleinigkeit als Extra berechnet wird.

Fairer Umgang im Paysex scheint leider immer noch eher eine Ausnahme zu sein, das Motto ist zu häufig: möglichst viel für mich rausholen, für möglichst wenig Geld (Kunden) bzw möglichst wenig Aufwand (Anbieterinnen).

Höhere Gewalt und Zuverlässigkeit

Sommer in der Stadt. Überall ist es voll, gefühlt habe ich nie so viel im Stau gestanden wie in den letzten zwei Wochen, selbst mit dem Fahrrad ist es manchmal stressig. Seit Montag fährt auf der Veddel die S-Bahn nicht mehr richtig, wegen eines Brückenschadens an der nächsten Station. Ich habe dadurch diese Woche gleich drei Mal mein Yoga nicht geschafft, hatte das einfach zu spät mitgekriegt und dann nicht richtig umgeplant.

Es gibt also durchaus so etwas wie Höhere Gewalt, die dazu führt, dass man Termine nicht einhalten kann. Nur gehört zu meiner Definition von Höherer Gewalt nicht nur, dass man darauf keinen Einfluss hat, sondern auch, dass es völlig unvorhersehbar war. Ein Stau im Feierabendverkehr z.B. ist meist vorhersehbar, und von erwachsenen Menschen erwarte ich, dass sie dafür etwas Reservezeit einplanen.

Es sind meist eh die Männer, bei denen ich mir im Vorweg Gedanken mache, ob der Termin wohl klappt, die sich dann bei kurzfristiger Absage darauf berufen, dass sie „da aber nichts für können“. Heute Nachmittag hat mir jemand einen Termin weniger als 40 Minuten vorher abgesagt, weil auf der Arbeit etwas schiefgelaufen sei, das „hätte er ja nicht vorhersehen können“. Es kann in vielen Jobs Zwischenfälle geben, die dazu führen, dass man nicht pünktlich los kommt. Aber von ihm hörte ich das jetzt schon zum dritten Mal, er plante also grundsätzlich zu wenig Zeit ein – auf Kosten meiner Zeit. Ich werde keine weitere Chance geben, sondern auf weitere Termine mit ihm verzichten.

Vor ein paar Wochen hatte ich eine Ausrede, die mich richtig aufgeregt hat. Der Termin war schon mehrmals verschoben worden, über mehrere Monate (zuvor war er ein einziges Mal bei mir, erwartete aber von mir, dass ich während der ganzen Zeit den Kontakt per Mail hielt). Am Freitag ließ ich mir den Termin für Montag noch mal bestätigen, was er zusagte. Sonntagabend sehr spät kriegte ich plötzlich eine Nachricht: „Ich weiß nicht ob ich morgen schon mein Gehalt auf dem Konto habe, sonst kann ich nicht kommen.“ Wir hatten den 17. des Monats, eine völlig untypischen Tag um Gehalt zu bekommen. Montag hielt er mich dann den halben Tag hin, bevor er den Termin endgültig absagte – und sich darüber wunderte, dass ich mich aufregte, denn er „könne da ja nichts für“.

Doch, er kann da was für! Ich erwarte von erwachsenen Menschen, dass sie ihr Leben so weit im Griff haben, um ihre Zeitplanung und ihre Finanzen überblicken zu können – und ggf frühzeitig gegenzusteuern, indem sie Termine umlegen oder absagen. Kurz vor einem Termin finde ich sowas unreif und respektlos mir und meiner Zeit gegenüber, und verzichte dann gerne auf weiteren Kontakt – auch wenn ich dann die Böse bin.

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