Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Monat: November 2020

Kosenamen

Dies ist eine Kopie, der Text wurde ursprünglich veröffenlicht auf meinem Profil „TraumfrauHH“ bei kaufmich.com.


Kosenamen sind eigentlich etwas, das sehr engen Beziehungen vorbehalten ist – ein Zeichen für Vertrautheit, Nähe, Zärtlichkeit. Kosenamen entwickeln sich mit der Zeit und sind meist sehr persönlich, geboren aus der Geschichte zwischen zwei Personen.

Im Paysex sind allgemeingültige Kosenamen allerdings erschreckend weit verbreitet: Frauen, die mit „Hallo Süßer“ ans Telefon gehen, und Männer, die Frauen mit „Hey Sexy“ anschreiben. Wenn ich eine Kollegin dabei beobachtet habe, war mir meist klar, dass wir keine engen Freudinnen werden – das Niveau ist einfach zu unterschiedlich. Genauso bin ich meist versucht, Mails von Männern, die mich so ansprechen, gleich wieder zu schließen.

Mit „Traumfrau“ angesprochen zu werden, ist für mich ein Grenzbereich, schließlich ist das mein Profilname. Lieber ist mir Tina, der Name, mit dem ich mich in meinem Profil vorstelle. Ich schreibe Kunden auch nicht mit ihrem Profilnamen an, sondern mit dem Namen, den sie (hoffentlich) in ihrer ersten Mail nennen.

Für mich ist es ein Zeichen von Respekt, jemandem mit seinem Namen anzusprechen und auch den eigenen Namen zu nennen. Es gibt Menschen, die sprechene in Date ab und treffen sich, ohne Namen zu nennen. Das finde ich furchtbar – klar ist im Paysex nicht immer der andere persönlich gemeint, aber den anderen durch seinen Namen wenigstens als Menschen wahrzunehmen und nicht nur als Hure/ Freier finde ich wichtig.

Lockdown-Widersprüche

Dies ist eine Kopie, der Text wurde ursprünglich veröffenlicht auf meinem Profil „TraumfrauHH“ bei kaufmich.com.


Ich habe die zweite Woche des Lockdowns genutzt, um mich um die Verlängerung meiner Anmeldung nach dem Prostitutionsschutzgesetz von 2017 zu kümmern. Komischer Fakt: So gut wie alle Behörden sind zu oder nur eingeschränkt geöffnet, Anträge laufen online oder man bekommt nur bei Sonderbedarf einen Termin. Für die FABEA*Pro (Anmeldung) und die GESAH (Gesundheitsberatung) gilt das nicht, trotz des herrschenden Prositutionsverbots im Lockdown; ich konnte einfach wie gewohnt einen Termin machen.

An meine Anmeldung 2017 habe ich keine guten Erinnerungen. Dort gab es eine lange Belehrung über Sicherheit und Weisungsbefugnisse – die offenbar völlig an der Realität vorbeigingen. Deswegen ging ich mit sehr gemischten Gefühlen zu meinem Termin am Montag. Diesmal war es aber ziemlich entspannt. Ich saß hinter einer Plexiglasscheibe und plauderte über die Corona-Einschränkungen und wie ich zurechtkäme, während eine Praktikantin meine Daten in den Computer eingab und die neuen Pässe ausdruckte. Was ich noch neu lernte: Wenn ich irgendwann komplett mit der Sexarbeit aufhören, reicht es nicht, die Anmeldung nicht mehr zu verlängern, sondern ich muss mich aktiv abmelden. Gibt mir kein gutes Gefühl…

Mittwoch der Termin zur Gesundheitsberatung war ebenso kurz und unkompliziert. Statt über Gesundheitsthemen gab es ein kurzes Gespräch über Corona-Einschränkungn, und erst auf meinen Hinweis, dass ich in diesem Jahr noch zu keinen STI-Tests war, weil das Casa Blanca zu ist (bzw nur für Sonderfälle/ Notfälle geöffnet, zu denen ich mich nicht zähle), sprachen wir kurz über STI-Tests und Risiken und die Beraterin ermutigte mich, mich trotzdem um einen Termin im Casa Blanca zu bemühen.

In den letzten Monaten bin ich nur sehr wenig in der Hamburger Innenstadt gewesen, und jetzt im Bereich Hauptbahnhof/ Spitaler Straße/ Mönckebergstraße unterwegs zu sein, fand ich eher abschreckend. Dort herrscht Maskenpflicht und es sind viele Sicherheitskräfte und Polizisten unterwegs, die das kontrollieren. Außerdem hat in meinen Augen die Zahl der Obdachlosen massiv zugenommen, vor den Geschäften und teilweise mitten in der Fußgängerzone. Es waren nicht so viele Menschen unterwegs wie sonst, einfacher Shopping-Bummel scheint im Moment überhaupt keiner mehr zu machen. Es standen einige wenige Stände, die wohl jetzt schon versuchen, den ausfallenden Weihnachtsmarkt zu kompensieren (ich bezweifle, dass ihnen das gelingen wird). Eine ziemlich bedrückende Atmosphäre, ich war froh als ich wieder in der Bahn nach Hause saß.

Für mich ist das Jahr gefühlt schon zu Ende. Ich habe alle geplanten Touren zu meiner Familie inkl. Weihnachten abgesagt und werde zu Hause bleiben und mich um mich selbst kümmern. Vielleicht lockert sich der Lockdown ja noch so weit, dass ich ein paar Dates machen kann im Dezember – quasi als Weihnachtsgeschenke.

Paysex als Beziehungssuche

Dies ist eine Kopie, der Text wurde ursprünglich veröffenlicht auf meinem Profil „TraumfrauHH“ bei kaufmich.com.


Wenn mich jemand anschreibt, schaue ich mir meist auch das Profil desjenigen an. Die meisten Profile von Kunden sagen nicht viel aus, aber einige sind sorgfältig angelegt und aussagekräftigt. Überrascht war ich, als ich vor einigen Zeit in einem Kunden-Profil gelesen habe: „Ich suche nur was Ernstes für eine langfristige Beziehung. Kein finanzielles Interesse!“ Da hat wohl jemand den Sinn von kaufmich so gar nicht verstanden!

So direkt passiert es selten, aber es kommt schon ab und zu vor, dass sich Kunden von der Begegnung mit einer Sexarbeiterin mehr erhoffen – echte Zuneigung, Gefühle, privatae Treffen, bis hin zu einer Beziehung. Einige Sexarbeiterinnen nutzen dafür den unschönen Begriff „Liebeskasper“.

Für mich unterscheide ich da zwei Arten. Manche Männer, die zu einer Sexarbeiterin gehen, sind in ihrem Leben einsam – nicht nur was Körperlichkeit und Sexualität angeht, sondern auch generell was Kontakte (Freundschaften etc) angeht. Bei einer Sexarbeiterin bekommen sie plötzlich volle, ungeteilte Aufmerksamkeit und Zuwendung – da fällt es dann leicht, die Bedürfnisse auf diese Frau zu projezieren und sich mehr von dieser Zuwendung und Aufmerksamkeit zu erhoffen, ohne dafür bezahlen zu müssen. Die Frau wird in diesem Fall zur Projektionsfläche, ihre eigenen Wünsche und ihre Persönlichkeit spielen kaum eine Rolle.

Manchmal passiert es auch, dass sich ein Mann wirklich in eine Sexarbeiterin verliebt. Es soll vorkommen, dass sie diese Gefühle erwiedert und sich daraus wirklich eine Beziehung entwickelt. (Ob das funktionieren kann, ist ein anderes Thema.) Sehr viel häufiger ist es jedoch so, dass die Frau die Gefühle nicht erwiedert. Wenn sie fair ist, sagt sie das so und bittet den Mann, nicht mehr zu ihr zu kommen. Einige lassen den Kunden weiterhin kommen und verdienen so Geld. Es gibt sogar Frauen, die halbgare Versprechen machen, um den Kunden bei der Stange zu halten und so Geld zu verdienen – die unschönste Art, mit so einer Situation umzugehen.

Alles in allem ist Paysex aber nicht zur Beziehungssuche geeignet. Für Sexarbeiterinnen ist es Arbeit, und egal wie sehr sie ihren Job genießen, so trennen doch fast alle zwischen Beruf und Privatleben. Als Kunde mit der Hoffnung auf eine Beziehung in ein Paysex-Date zu gehen ist der beste Weg, enttäuscht, frustriert und verletzt zu werden.

Buch: „La Maison“ von Emma Becker

Dies ist eine Kopie, der Text wurde ursprünglich veröffenlicht auf meinem Profil „TraumfrauHH“ bei kaufmich.com.


Vor zwei Wochen habe ich von einem Kunden das Buch „La Maison“ von Emma Becker geschenkt bekommen. Das Buch war auf der (virtuellen) Frankfurter Buchmesse vorgestellt worden und wurde danach auch in den Medien viel besprochen. Obwohl Emma Becker das Buch als Roman bezeichnet, soll es auf vielen ihrer eigenen Erfahrungen basieren.

Die Protagonistin kommt von Paris nach Berlin und arbeitet dort in dem Bordell „La Maison“, einem sehr familiären Bordell mit einer besonderen Atmosphäre. Es wird erzählt von den Mädchen, den Kunden, dem Umgang der Menschen dort miteinander… viele kleine Geschichten, die ein buntes, vielschichtiges Bild zeichnen. In vielen dieser Geschichten habe ich mich wiedergefunden, vor allem wenn es um die Stimmung der Mädchen unter sich ging, und bei der Mischung aus liebevoller Zuwendung und Genervtheit, mit der die Mädchen mit den Kunden umgehen.

Irritiert hat mich, dass das Buch sehr sprunghaft erzählt wird. Es folgt keiner zeitlichen Linie, sondern springt von Thema zu Thema, von Geschichte zu Geschichte, scheinbar ohne roten Faden. Zum Schluss hin fand ich das anstrengend, da hätte ich mir etwas mehr Spannungsbogen und Erzählstrang gewünscht. Trotzdem ist es ein tolles Buch, das ich weiterempfehle!

Ich habe übrigens auch Emma Beckers ersten Roman „Monsieur“ gelesen; er hat mich vor vielen Jahren sehr beeindruckt und einen festen Platz in meinem Bücherregal. Dort erzählt sie von der Affäre einer jungen Frau mit einem wesentlich älteren Arzt, einem Freund ihrer Eltern, und wie diese sich in die Affäre verrennt, während er immer wieder auf Abstand geht. Hierfür eine ganz klare Leseempfehlung an alle, die auf tiefschichtige erotische Romane stehen!