In den letzten Wochen hatte ich wieder ein paar Gespräche mit Kunden, die sich überhaupt nicht vorstellen konnten, dass ich privat in einer Beziehung lebe bzw dass es Männer gibt, die es tolerieren, dass ihre Partnerin Sexarbeiterin ist. Kleiner Hinweis: Die Anzahl der Sexarbeiterinnen, die in einer festen Beziehung leben, ist wohl genauso hoch wie die Zahl der Kunden, die verheiratet sind.
Erst mal finde ich es ziemlich eng gedacht oder sogar sexistisch, wenn ein Mann zwar selber zu einer Sexarbeiterin geht, diese Frau dann aber im Privatleben unter „geht gar nicht“ fällt. Andererseits ist es halt auch kein „Job wie jeder andere“, sondern hat großen Einfluss auf meinen Sexualität, was sich auch in meinem Privatleben zeigt (sowohl positiv als auch negativ).
Mit Anfang zwanzig, als ich noch relativ neu in der Sexarbeit war, konnte auch ich mir nur schlecht vorstellen, dass sich diese Tätigkeit mit einer festen Beziehung vereinbaren lässt und/ oder dass es Männer gibt, die das akzeptieren. Da war ich insgesamt noch viel schambehafteter, nicht nur was Sexarbeit anging, sondern auch was generell meine Promiskuität betraf.
Einige Male habe ich für einen Mann (bzw für die Möglichkeit auf eine Beziehung) den Job hingeworfen – und es jedesmal innerhalb von kurzer Zeit bereut und dann damit die Beziehung belastet. Mit Ende zwanzig begegnete ich zum ersten Mal dem Begriff Polyamory und begann mich damit zu beschäftigen, dass Beziehungen auch eng und verbindlich sein können, ohne zwangsläufig monogam zu sein.
In den letzten zwölf Jahren habe ich in längeren, engen Beziehungen gelebt (drei Beziehungen von 3 Jahren, 6 Jahren und 2,5 Jahren Dauer), in denen ich jeweils von Anfang an gesagt habe, dass ich keine Verprechen auf sexuelle Exklusivität gebe, wohl aber auf Priorisierung und klare Absprachen. Das hat wunderbar funktioniert und meine Arbeit war in keiner dieser Beziehungen ein übermäßiges Thema.
Nach einer (friedlichen) Trennung im Frühjahr 2022 hatte ich mich eigentlich auf eine längere Phase gefreut, in der ich meinen Alltag allein gestalte. Seit dem Spätsommer gibt es jedoch wieder einen Mann in meinem Leben, der mehr und mehr Einfluss darauf hat – und der meine Arbeit sehr skeptisch betrachtet. Im Moment ist es für mich ein spannender Prozess zu erforschen, wie weit wir uns aufeinander einlassen und die Ansichten des anderen respektieren oder zumindest tolerieren können…
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