Ich muss mich heute mal aufregen. An sich hatte ich ein sehr ruhiges, schönes Wochenende. Ich hatte keine Dates (war es wohl zu warm für), war dafür viel beim Yoga, hatte einen Reitlehrgang, war Fahrrad fahren und in der Stadt unterwegs. Trotzdem bin ich jetzt am Montagmorgen arg getriggert.
Angefangen hat es mit Nachrichten eines guten Freundes, der sich gerade in einem tiefen Prozess befindet und mich zur Zielscheibe seiner Projektionen macht. Einerseits findet er es toll, wie ich mit Körperlichkeit und Sexualität umgeht, und stellt mich damit auf einen Podest. Anderereseits muss dann eine starke Abgrenzung stattfinden, weil mein Verhalten bei ihm alte Gefühle von Scham und Unzulänglichkeit auslöst. Dieses plötzliche Kippen, verbunden mit einem Rückzug, verletzt mich und triggert meine eigenen Themen.
Der zweite Triggerpunkt war gestern Abend ein Online-Kontakt. Ich bin in einem Forum unterwegs, in dem erotische Geschichten geteilt werden. Gestern entstand um eine Geschichte eine Diskussion über den Begriff „Nutte“ – ob man den überhaupt nutzen dürfe, und wie es gemeint und auf was bezogen wäre. Soweit alles gut. Bis eine Frau, mit der ich an sich einen sehr guten Kontakt habe, einen längeren Beitrag schrieb darüber, wie schlimm Prostitution sei, dass die Frauen ja alles Opfer seien und dringend Hilfe bräuchten – die ganze Klischee-Schiene, auf der die Prostitutionsgegner ständig rumreiten. Ich habe eine kurze Antwort geschrieben und den Rest des Abends vor Wut geschäumt. Dieses Bild wird in der letzten Zeit einfach wieder viel zu sehr verbreitet. Ich frage mich dann immer, ob ich wirklich in so einer Parallelwelt unterwegs bin; ich habe in 20 Jahren zwar durchaus ab und zu Frauen erlebt, die in der Prostitution nicht glücklich waren (generell oder zeitweise), aber keine einzige die es nicht freiwillig gemacht hätte.
Vielleicht hatte ich an diesem Wochenende einfach zu viel Zeit zum Nachdenken und habe diese Geschichten daher zu nah an mich heran gelassen. Auf jeden Fall kämpfe ich gerade mal wieder mit dem Gefühl einfach „falsch“ zu sein – falsch zu leben, falsch zu fühlen, als wären meine Erlebnisse und Gefühle nicht gültig. Die Gesellschaft propagiert halt überwiegend immer noch monogame Beziehungen und Lebensweisen, die auf Ehe und Familie ausgerichtet sind. Ich habe mir Nischen geschaffen, in denen ich Menschen kennenlerne, die das anders leben. Umso schwerer ist es, wenn ich geballt mit diesen unversöhnlichen Ansichten konfrontiert werde.
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