Im November muss ich immer zur Gesundheitsberatung nach ProstSchG. Das ist seit 2017 vorgeschrieben (ebenso wie alle zwei Jahre die Registrierung). Diesmal war ich in unter zehn Minuten wieder raus. Ich saß einer jungen Sozialpädagogin gegenüber, die sehr nett und bemüht war. Gleichzeitig war ihr aber wohl bewusst, dass das für fast alle Frauen eine Pflichtveranstaltung ist, die sie schnell hinter sich bringen wollen – und wie viel Ahnung sie selber vom Gewerbe hat, kann ich nicht beurteilen.
Ich merke bei diesen Terminen immer, dass ich sehr darauf bedacht bin, mich selbst darzustellen. Alles was ich sage bringt rüber, wie lange ich das schon mache, wie selbstsicher ich bin, was ich alles weiß, worauf ich alles achte… Das ist aber irgendwie nicht Sinn eines Beratungsgesprächs. Da kommt halt zum Tragen, wie wichtig diese Bescheinigung ist, um weiterarbeiten zu können. Wenn ich mich hier verletzlich zeige, vielleicht sogar hilflos oder überfordert, kann das meine berufliche Existenz bedrohen. Ich stelle mir vor, dass das für die Beraterin auf der anderen Seite genauso frustrierend ist wie für die Frauen; es kommt kein echter Kontakt zustande, und eventuelle Hilfsangebote kommmen nicht an.
Ganz anders läuft es im Casa Blanca, einer deutlich älteren Beratungsstelle hier in Hamburg, bei der man anonym bleiben kann. Dort kann ich ehrlich von meinen Gedanken und Problemen erzählen, ohne das darüber geurteilt wird – und auch um Hilfe bitten. Die ganze Absicht des Prostitutionsschutzegesetzes läuft ins Leere durch den Zwang, der durch dieses Gesetz ausgeübt wird. Das Geld hätte man besser in offene Beratungsstellen investiert!
Gerade habe ich gelesen, dass der Bund drei Millionen Euro für Modellprojekte zur Verfügung stellt, die sich mit Ausstiegsberatung für Prostituierte beschäftigen: „Ziel sei die Chancengleichheit ehemaliger Sexarbeiterinnen auf dem regulären Arbeitsmarkt. Der Verein berate die Frauen zu Existenzsicherung, Wohnsituation, körperlicher und seelischer Gesundheit und begleite sie auch bei Behördengängen. Auch ein Bewerbungstraining werde angeboten.“ Jetzt kann man darüber diskutieren, ob Ausstieg immer das Ziel sein sollte oder es manchmal auch einfach anderer Wege bedarf, um besser mit den Herausforderungen in der Sexarbeit umzugehen. Aber eine solche freiwillige, offene Beratung ist auf jeden Fall ein sinnvollerer Weg als der verkrampfte Zwang des Prostitutionsgesetzes – dort der trifft der alte Spruch zu: „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.“
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