Ich habe in meiner Zeit als Sexarbeiterin schon in einigen Umgebungen gearbeitet. Angefangen habe ich als Escort und in Clubs; dort gab es einen festen Rahmen von Regeln und viel Unterstützung. Als ich dem Rotlicht den Rücken kehren wollte, habe ich in einer eigenen Wohnung Tantra-Massagen gegeben. Irgendwann bin ich aus privaten Gründen in ein Appartement gewechselt, wo ich mich dann nach und nach wieder mehr der klassischen Prostitution und auch dem Bizzar-Bereich zugewandt habe.
In meinem letzten Appartement war ich über vier Jahre und habe mich dort sehr wohl gefühlt. Der Nachteil eines Appartements sind die hohen Kosten, die es verursacht. Die Miete und andere Kosten lohnen sich nur, wenn man wirklich 5-6 Tage die Woche konsequent in Vollzeit oder mehr arbeitet. Dafür gibt es dort viele Möglichkeiten: neben meinem Zimmer hatte ich ein voll ausgestattetes Studio zur Verfügung und konnte auch immer wieder mit Kolleginnen zusammenarbeiten. Außerdem ist es eine sichere Umgebung.
Schon kurz vor dem ersten Corona-Lockdown habe ich darüber nachgedacht, mein Appartement-Zimmer aufzugeben. Ich wollte nicht mehr Vollzeit Sexarbeit machen, sondern hatte ein Angebot für einen Teilzeit-Job und wollte andere Bereiche meiner Selbständigkeit wieder mehr ausbauen. Dann kam der Lockdown und das Appartement war für lange Zeit geschlossen. Als wir im Oktober 2020 kurz wieder arbeiten durften, war mir die gesamte Situation zu unsicher, um zurück ins Appartement zu gehen.
Seit dem Ende des Lockdowns im letzten Sommer treffe ich meine Kunden in einer privaten Wohnung. Ein wenig fühlt es sich an als würde ich zu Tantramassage-Zeiten zurückkehren; genauso habe ich auch den Raum eingerichtet, und dieses Gefühl zieht sich durch die meisten meiner Termine. Meine Termine sind persönlicher geworden, geprägt von Nähe und Zärtlichkeit.
Gleichzeitig gibt es aber auch Einschränkungen: Mein Service ist eingeschränkter; den Bizzar-Bereich habe ich fast ganz hinter mir gelassen und konzentriere mich auf Massagen und Girlfriendsex. Ich arbeite nicht mehr so spontan wie früher, da ich den Raum auch anders nutze und viel mehr Zeit für Vorbereitungen brauche. Auch die Terminvereinbarung ist aufwendiger geworden, da ich verschiedene Vorsichtsmaßnahmen ergreife, um mich sicherer zu fühlen mit neuen Kunden. Es ist halt keine Kollegin mehr im Nebenzimmer, die mir im Notfall helfen könnte.
Schon im Appartement war ich sehr frei in dem, wie ich meine Termine gestaltet habe – zeitlich, finanziell, inhaltlich. Trotzdem hat die Umgebung und die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen mein Angebot beeinflusst. Jetzt fühle ich mich ganz frei in dem was ich tue – der Einrichtung des Raumes, dem zeitlichen Rahmen von Terminen, den Umgang mit meinen Kunden. Die Umgebung ist ruhiger, hygienischer und rauchfrei, was ich als angenehm empfinde.
Manchmal sehne ich mich nach dem Zauber des Rotlichts, der besonderen Atmosphäre in einem Bordellbetrieb. Dabei vergesse ich in meiner Nostalgie, wie hart es manchmal war, und wie viel mehr Rücksicht auf mich selbst ich jetzt nehmen kann.
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