In den letzten Tagen habe ich viel über das Thema Diskretion nachgedacht. Diskretion ist eine Eigenschaft, die sich sowohl Kunden als auch Sexarbeiterinnen von ihrem Gegenüber wünschen. Doch was genau darunter verstanden wird, kann sehr individuell sein.
Als erstes geht es um die Selbstverständlichkeiten, von Seiten der Sexarbeiterin: keine unerwarteten Anrufe oder eindeutigen Nachrichten (am besten gar keine initiativen Nachrichten aufs Handy), kein Ansprechen bei zufälligen Treffen, bei Haus- und Hotelbesuchen ein unauffälliges Auftreten. Die letzten beiden Punkte wünscht sich eine Sexarbeiterin auch von ihren Kunden.
Doch wie ist es mit Diskretion im Internet, also im indirekten Kontakt?
Ich schreibe immer wieder Texte, die von Erlebnissen oder Gesprächen mit meinen Kunden inspiriert sind, und es hat sich schon mehr als einer darin wiedererkannt. Wenn ich darauf angesprochen werde, ist es meist positiv aufgenommen worden, oder wir sind so vertraut miteinander, dass wir darüber noch mal in Ruhe sprechen. Es gibt aber bestimmt auch Männer, die sich zwar wiedererkennen würden, die Texte aber nicht lesen oder ihre Gedanken für sich behalten und mich nicht darauf ansprechen.
Diese Texte sind anonymisiert, ich nenne keine Namen oder gebe irgendeine Form von Erkennungsmerkmalen, aus denen ein Bekannter auf die Person schließen könnte. Es geht also bei der Frage nach dieser Art von Diskretion rein um die Gefühle des Betroffenen.
Anders ist es, wenn Kunden im Internet Berichte über Sexarbeiterinnen schreiben. Dort werden Namen und Kontaktdaten genannt, die Person ist also klar zu identifizieren. Es gibt Kunden, die bei solchen Berichten die Diskretion wahren und lediglich über Zuverlässigkeit, Sauberkeit, Umgebung, eingehaltene Absprachen schreiben. Es gibt aber auch Kunden, die teilweise sehr intime und private Details ausplaudern.
Eine Kollegin hat sich einmal in ihrem Blog darüber beklagt, dass der bewertende Kunde wohl nicht bedacht hat, dass diese sehr intimen Informationen über sie da jetzt für Jahre stehen werden und jeder sich ein Bild über einen Zwischenfall machen kann, den man sehr unterschiedlich bewerten kann.
Von mir gab/gibt es einen Bericht mit dem Inhalt: „Sie mochte mich wohl, deswegen hat sie XY gemacht, obwohl sie das offziell nicht anbietet.“ So etwas empfinde ich als Vertrauensmissbrauch. Ich erzähle bei Treffen relativ viel auch aus meinem Privatleben, und was ich mit Kunden erotisch erlebe, ist sehr individuell. Diese Details möchte ich nicht im Internet wiederfinden (wo ich häufig nicht einmal zuordnen kann, wer das geschrieben hat, und für die nächsten Wochen jeden meiner liebgewonnenen Stammkunden misstrauisch ansehe).
Die Lösung wäre also, dass aus Diskretionsgründen keiner mehr irgendwas über irgendwen im Internet schreibt. Das wäre schade, den sachliche Texte lese ich sehr gerne – sowohl in Form von Erfahrungs- und Gedankenblogs von Kolleginnnen als auch in Form von Erebnisberichten von Kunden über andere Frauen und auch über mich selbst.
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