Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Monat: März 2024

Amsterdam-Nachlese

Letzte Woche war ich für ein paar Tage mit einem sehr guten Freund in Amsterdam. Wir hatten das Anfang des Jahres abgesprochen, und obwohl es mir gerade nicht so gut reinpasste, sind wir gefahren, und ich hatte mich einfach auf eine entspannte Zeit gefreut.

Es war dann nicht so entspannt wie erwartet, ich hatte richtig Probleme wegen einer Sache, über die ich mir vorher überhaupt keine Gedanken gemacht habe: In Amsterdam wird an sehr vielen Stellen keine Barzahlung mehr akzeptiert! Auf die Idee bin ich ehrlich gesagt überhaupt nicht gekommen. Ich mache in meinem Alltag fast alles mit Bargeld, habe deswegen nie eine Kreditkarte beantragt und auch meine Bankkarte eigentlich nie dabei. Auch für den Urlaub hatte ich nur Bargeld eingesteckt. Damit konnten wir im Hotel nicht an die Bar o.ä., in kein einziges Museum, und auch in Geschäften und Restaurants bedurfte es immer der Nachfrage und es fühlte sich schon fast nach Sonderbehandlung an (nicht im positiven Sinne).

Im Nachgang habe ich dann eine kurze Diskussion auf Facebook geführt über die Vor- und Nachteile von Kartenzahlung. Viele Menschen waren schon der Meinung: ist einfach praktischer und sicherer. Einige machten sich aber durchaus Gedanken über die Papierspur, die man damit hinterlässt. Neben der fehlenden Übersichtlichkeit ist es für mich auch die Papierspur, die mich davon abhält, mehr Karten zu nutzen. Bei meiner Arbeit wäre es für viele meiner Kunden ein Problem, wenn die Zahlung an mich auf einem Kontoauszug auftauchen würde. Auch wenn da dann wohl nicht „SDL“ stehen würde, sondern irgendwas mit „Massage/ Coaching“, würde das wohl häufig zu Schwierigkeiten führen.

Apropos Rotlicht: Amsterdam ist ja bekannt für die Fenster, und auch die habe ich natürlich gesehen. Es waren sehr viel weniger als erwartet, und ich war erstaunt wie sehr sie zwischen Pubs, Wohnhäuser o.ä. eingestreut waren (nicht wie hier in Hamburg alle zusammen und vom Rest getrennt). Die Frauen, die ich da gesehen habe, wirkten auf mich wie wandelnde Klischees, und das ganze Setting wenig einladend. Positiv fand ich, dass es eine Prostitutionsberatungsstelle gab und das sich insgesamt sehr für die Belange von Sexarbeiterinnen eingesetzt wurde.

Insgesamt kann ich schon verstehen, warum Amsterdam bei Touristen so beliebt ist und der Stadt auch eine hohe Lebensqualität zugesprochen wird. Die vielen kleinen Straßen an den Grachten voll mit Cafés und Restaurants (und Coffee Shops) haben Charme, die Stimmung ist wuselig und trotzdem entspannt, und ich liebte es, dass die Innenstadt fast autofrei ist (da könnte sich Hamburg was von abgucken).

Traurige Verwirrung

Wie ich hier http://blog.traumfrau-mit-nebenwirkungen.com/dies-und-das/arbeitsurlaub/ erzählt habe, war ich im Februar mit einem langjährigen Kunden für sechs Tage in Malaga. Wir kennen uns seit über 15 Jahren, hatten das lange geplant und hatten eine sehr schöne Zeit miteinander. Wir haben erstaunlich gut einen Rhythmus gefunden und konnten den Urlaub sehr genießen.

Er war zwei Tage vor mit in Spanien und ist auch noch ein paar Tage geblieben, nachdem ich wieder nach Hamburg geflogen bin, bevor er selber nach Hause geflogen ist. An dem Abend habe ich ihm noch eine kurze SMS geschrieben, dass ich gut wieder zu Hause angekommen bin; darauf hat er nicht geantwortet, aber da hatte ich auch nicht wirklich mit gerechnet.

Ein paar Tage später habe ich ihm eine e-Mail geschrieben (unser normaler Kommunikationsweg), in der ich mich für die schöne Zeit bedankt und ein wenig geplaudert habe. Auch darauf bekam ich keine Reaktion. Ich habe mir gesagt, dass er ja noch in Spanien ist – gewundert hat es mich trotzdem, da er auch in unserer gemeinsamen Zeit 1-2 Stunden am Tag am Laptop verbracht hat.

Der Tag seines Rückflugs ging vorbei, und immer noch keine Nachricht. Ich fing an mir Sorgen zu machen. Er ist schon deutlich im Rentenalter und gesundheitlich nicht mehr ganz auf der Höhe; in der Vergangenheit hat er schon mal gesagt, dass, falls ich irgendwann plötzlich nichts mehr von ihm höre, er wohl verstorben ist. Doch zu meinem Geburtstag schickte er mir eine e-Card, nichts weiter als eine „Happy Birthday“-Karte mit seinem Namen.

Letzte Woche habe ich ihm dann noch eine e-Mail geschrieben, ein kurzes „hej, alles okay bei dir? fühlt sich komisch an, nichts von dir zu hören. geht es dir gut?“ Wieder keine Reaktion… Nun frage ich mich doch, ob ich was falsch gemacht habe, oder er es sich einfach anders überlegt hat und jetzt doch nichts weiter planen möchte. Das wäre ja völlig okay, er könnte das sagen, oder eine Ausrede nennen, oder es einfach im Sande verlaufen lassen – aber so fühlt es sich echt komisch an für mich.

P.S. Es kommt selten vor, dass Kunden sich von mir verabschieden (siehe auch: http://blog.traumfrau-mit-nebenwirkungen.com/anekdoten/abschied/), und natürlich ist da auch niemand zu verpflichtet. Ich denke auch, dass es häufig keine bewusste Entscheidung ist, keinen weiteren Termin zu buchen, sondern sich halt einfach nicht ergibt. In diesem Fall finde ich es trotzdem komisch.


Update 06.04.24

Ich habe von ihm gehört. Er hatte am 16. Februar einen medizinischen Notfall und war über einen Monat im Krankenhaus und hat auch jetzt noch einen langen Genesungsweg vor sich.

Kurzurlaub vor Ostern

Es sind jetzt fast fünf Wochen, seit ich aus meinem Spanien-Urlaub zurück bin. Der Einstieg zurück in den Alltag danach und der Rest des Februars lief gut, vor allem dafür dass es ja eigentlich noch mitten im Winter war. Aber mein Vorsatz, nach dem Urlaub den Frühling einzuleiten, hat geklappt, und sogar das Wetter hat mitgespielt.

Im Gegensatz dazu ist der März gerade sehr ruhig, und gefühlt auch schon fast wieder vorbei. Nächste Woche fahre ich für ein paar Tage mit einem guten Freund nach Amsterdam, von Donnerstag bis Sonntag (21.-24.3.). Ich freue mich darauf, noch mal ein paar Tage rauszukommen.

Danach das Wochenende ist schon Ostern. Da freue ich mich auf ein paar ruhige Tage, den Frühling genießen – und vielleicht auch ein paar schöne Dates. Vorher habe ich natürlich auch noch Zeit, ruf mich gerne einfach an und lass uns zusammen die Frühlingsgefühle genießen!

Devoter Service

Vor ein paar Wochen wurde ich gefragt, ob ich auch im devoten Bereich spielen würde. Konkret ging es um ein Bestrafungs-Szenario mit Schlägen mit einem Rohrstock. Ich habe das abgelehnt, gleich aus mehreren Gründen, und mir im Nachhinein mal wieder ein paar Gedanken über devoten Service gemacht.

Als ich noch in einem BDSM-Studio gearbeitet habe (2014-2020) habe ich auch devoten Service angeboten. Wirklich gebucht wurde das aber nur eine handvoll Male. Einen dieser Kunden sehe ich auch heute noch 1-2 Mal im Jahr, für eine Spanking-Session. Ansonsten ging es meist um kurze Rollenspiele, bei denen ich die Sklavin gespielt habe und auf Anweisung über den Boden gekrabbelt bin.

Privat habe ich mehr Erfahrung in dem Bereich und würde mich durchaus als masochistisch bezeichnen. Da ich die letzten Jahre jedoch nur wenig spiele, ist meine körperliche Belastbarkeit nicht so hoch. Zudem bin ich psychisch nicht sonderlich belastbar, und jede Art von verbaler Erniedrigung lehne ich ab.

Der Unterschied, warum ich das jetzt nicht mehr bewerbe und auch nur selten anbiete, liegt darin, dass im Studio andere Sicherheitsvorkehrungen und auch Spielmöglichkeiten vorhanden waren. Vielen Kunden ging es auch um die Atmosphäre in einem SM-Studio, die sich in meinem kleinen Massageraum nicht herstellen lässt. Und es war halt immer eine Kollegin im Nebenzimmer, die zur Not eingreifen konnte.

Ich erlebe es häufig, dass Kunden zu mir kommen mit einer bestimmten Fantasie (egal in welchem Bereich), die oft einem Porno u.ä. entsprungen ist – und sich wenig Gedanken über die konkrete Umsetzung machen. Erst letztes Jahr ist es mir (in einer privaten Affäre) passiert, dass ich zwischendurch Angst hatte, ernsthaft verletzt zu werden. Blaue Flecken o.ä. gehören zwar durchaus dazu, aber bei vielen Techniken ist es nötig, sich vorher mit Anatomie und Risiken auseinanderzusetzen. Auch das Thema Hygiene muss ich in solchen Szenarien zu großen Teilen dem Kunden überlassen und mich darauf verlassen können, dass wir auf derselben Ebene agieren.

BDSM erfordert Konsens und Vertrauen. Dafür werden meist im Vorfeld längere Gespräche geführt, um Ideen und Grenzen abzuklären – vor allem die Grenzen der devoten Person. Im Paysex ist es aber durchaus so, dass es dem Kunden um ein spezielles Szenario geht – wie bei dem oben angesprochenen Bestrafungs-Szenario mit Rohrstock-Schlägen – und es manchmal schwer abzuschätzen ist, ob ich das physisch und psychisch kann, wenn ich noch nicht mit diesem Kunden gespielt habe. Und im Paysex ist es nicht so einfach und selbstverständlich, ein Szenario abzuändern oder gar ganz abzubrechen, wie ich das im Privaten tun würde.

Last but not least hinterlassen solche Spiele häufig Spuren. Das finde ich zwar nicht dramatisch, schreckt aber manchmal andere Kunden ab. Wenn ich also die Risiken bedenke denen ich mich bei einem Spiel in der devoten Rolle aussetze, plus die Spuren auf meinem Körper, wird das häufig nicht ausgeglichen durch den höheren Stundensatz und den potentiellen Spaß an dem Spiel.

Erfahrungen und Bodycount

Ich habe mit 23 mit Sexarbeit angefangen, und davor hatte ich mich privat „ausgetobt“. Eine Zeit lang habe ich gezählt, mit wie vielen Männern ich im Bett war. Irgendwann mit Mitte 20 habe ich das aufgegeben und seitdem nie wieder darüber nachgedacht. Auch ist es ab einem gewissen Alter in Gesprächen mit Freunden oder Partnern immer weniger Thema gewesen, bis zu dem Punkt jetzt, da ich nicht mehr weiß wann ich das letzte Mal mit jemandem über „Bodycount“ geredet habe.

Manchmal denke ich darüber nach, wie sehr sich meine Erfahrungen wohl von denen der meisten Menschen unterscheiden. Sexuell habe ich viel Erfahrung, aber gleichzeitig auch völlig andere als Menschen, die z.B. in langjährigen Beziehungen leben oder gelebt haben. Meine Sexualität hängt viel mit meinem eigenen Erleben meines Körpers und meiner Lust zusammen und erst in zweiter Linie mit meinem Gegenüber. Das unterscheidet mich wohl von Menschen, die ihre Sexualität immer mit einer bestimmten Person verbunden haben.

Zählen die Erfahrungen in der Sexarbeit eigentlich als sexuelle Erfahrungen? Klar lerne ich darin viel über mich, und auch meine Kunden lernen über ihren Körper und ihre Empfindungen. Aber es ist ein „sicherer“ Rahmen, der stark reguliert ist und vorgegebene Abläufe hat, so dass die Begegnungen nie hunderprozentig offen, ehrlich und unvoreingenommen sind. Ich kann mich schnell auf jemanden Neues einstellen, wenn es um rein sexuelle Begegnungen geht. Im Privaten bin ich manchmal genauso unsicher und fast gehemmt wie die meisten Menschen, vor allem wenn es um Gefühle geht.

Es gibt die Theorie, dass Monogamie schwer ist für Menschen, die in ihrem Leben schon viele Partner hatten. Zumindest für mich kann ich das bestätigen. Ich erlebe mich in den letzten Jahren privat sehr auf meinen Partner fixiert und wenig auf der Suche. Gleichzeitig erscheint mir die Vorstellung, in meinem Leben wirklich nur noch mit einer einzigen Person Sex zu haben, völlig absurd.

Mich würde mal interessieren, wie viele Sex-Partner eigentlich Durchschnitt sind. Ab und zu gibt es da angeblich Studien zu, aber die dort genannten Zahlen erscheinen mir meist lächerlich gering. Zählt Paysex da eigentlich zu, und One-Night-Stands, oder geben die meisten Menschen dort nur feste Partner an? Macht es Sinn, da zu unterscheiden?