Als Sexarbeiterin werde ich immer wieder gefragt: „Und wie lange willst du das noch machen?“ – komischerweise nicht nur privat, sondern auch viel von Kunden (die ja eigentlich kein Interesse daran haben, dass ich aufhöre). Mit Mitte 20 habe ich gedacht, dass ich eh mit 30 oder 35 aufhören müsste, da ich dann zu alt für den Markt sei. Nun, ich bin fast 43; die Art meiner Arbeit hat sich geändert, aber ich bin immer noch erfolgreich genug, um davon leben zu können.
Das Problem ist eher, dass ich manchmal denke, dass ich zu zickig für diesen Job werde. Nach so vielen Jahren gibt es einfach viele Dinge, auf die ich keinen Nerv mehr habe, die aber für viele irgendwie dazugehören. Das fängt an mit „Ich kann aber immer nur spontan.“ und geht dann über „Machst du denn auch XYZ [irgendein gesundheitsgefährdender Fetisch oder auch einfach etwas das überhaupt nicht in mein Konzept und zu mir passt].“ bis hin zu all den Männern, die mir einfach ihre Vorstellungen überstülpen und es nicht mal nötig haben, die zehn Zeilen meines Profils zu lesen. Ich habe noch nicht mal mehr die Nerven, freundlich Nein zu sagen, sondern würde am liebsten einfach wortlos auflegen bzw auf Igno drücken.
Schon seit einigen Jahren arbeite ich neben der Sexarbeit mit Yoga und Coaching. Eine Zeit lang hatte ich sogar parallel einen eigenen Praxisraum, der sich aber nie richtig rentiert hat. Ich stecke immer noch sehr viel Herzblut (und auch Zeit und Energie) in meine Sexarbeit, und frage mich immer wieder, ob es mir überhaupt jemals gelingen wird, die gleiche Begeisterung für einen anderen Bereich aufzubringen. Oder ob es mir einfach nur schwerfällt, mich von gewohnten Bahnen zu trennen und mich ganz auf etwas Neues einzulassen.
Seit einigen Wochen erwähnt mein Freund immer mal wieder, dass bei ihm auf dem Firmengelände eine kleine Gewerbefläche frei sei. Ob ich ihm nicht erlauben würde, mir da ein Yogastudio einzurichten? Vor zehn Jahren wäre ich völlig begeistert von der Idee gewesen. Nach den Erfahrungen mit dem Praxisraum traue ich mich nicht richtig. Außerdem fällt es mir schwer, das Angebot anzunehmen; bisher habe ich mir alles in meinem Leben selbst erarbeitet…
Aber dann gibt es noch die Momente, in denen ich an den dicken Ordnern mit Ausbildungszertifikaten denke, der bei mir zu Hause im Regal steht, und daran, wie wenig davon ich wirklich umsetze. Und es erscheint mir wie eine Verschwendung von Zeit, Energie und Begabung, denn: „Immer nur zu lernen und nie zu lernen ist so, als würde man ein Feld ständig pflügen, aber nie etwas aussäen.“ In diesem Sinne bleibt es spannend zu sehen, wie sich das Jahr 2023 für mich entwickeln wird!
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