Als Reaktion auf meine Gedanken zu Blauen Flecken bei Sexarbeiterinnen und die Aufmerksamkeit von Kunden (siehe Blog „Peinliche Erklärungen“), schickte mir ein Kunde die Frage/ Denkanregung: „Ist ein ‚fairtrade‘ Prozess für Sexarbeit denkbar? Wenn ja, wie würde dieser aussehen? Wäre so ein ‚fairtrade‘ Prozess/ Label glaubwürdig?“ – als Gesprächsgrundlage bzw mit der Bitte um Stellungnahme. Hier also meine Gedanken dazu:
Ich lege ‚fairtrade‘ jetzt mal so aus, dass es darum geht, sicherzustellen, dass eine Sexarbeiterin diese Arbeit freiwillig macht. Die Frage, aus welcher Motivation heraus sie das macht, werde ich nur am Rande berühren. Es gibt durchaus Menschen, die in Frage stellen, ob es eine Frau gibt, die freiwillig Sexarbeit macht, und die als Grundlage z.B. psychische Traumata vermuten oder übermäßige wirtschaftliche Zwänge. Dieses Thema mit zu behandeln würde jedoch den Rahmen dieses Textes sprengen; vielleicht werde ich zu einem späteren Zeitpunkt darüber schreiben.
2017 trat das Prostitutionsschutzgesetz (ProstSchG) in Kraft, das seitdem von vielen Menschen, die mit Prostituierten zu tun haben, und von diesen selber scharf kritisiert wird. Wie der Name es sagt war es jedoch Absicht dieses Gesetzes, Prosituierte zu schützen – im Zweifelsfall auch vor sich selbst. Hauptaspekte dieses Gesetzes sind eine Erlaubnispflicht für Bordelle, die u.a. ein Sicherheitskonzept und eine Überprüfung des Betreibers beinhaltet, sowie die Registrierung aller Prostituierten und eine verpflichtende Gesundheitsberatung für alle. (Es ist vor allem diese Registrierung, die in der Kritik steht, da sie viele Frauen in die Illegalität gedrängt hat.)
Die Registrierung ist verbunden mit einem Gespräch über die Rechte von Prostituierten gegenüber Betreibern und mit einer Einführung in Sicherheitsaspekte. Wie jede Registrierungsstelle und jede Beamtin das im Detail regelt, bleibt Ihr überlassen. Ich habe diese Registrierung jetzt zwei Mal mitgemacht. Beim ersten Mal war die Beamtin bemüht, aber mit wenig Ahnung von der Materie, und ich war genervt. Beim zweiten Mal war es ein nettes Gespräch über die Frage, wie ich mit dem Corona-Lockdown klarkomme. (Aus anderen Bundesländern habe ich negative Geschichten über inquisitorische Fragen gehört.) Positiv ist anzumerken, dass bei diesen Gesprächen keine Begleitpersonen zugelassen sind und das Amt für ausländische Prostituierte einen Dolmetscher stellt. Theoretisch hat eine Frau also in dieser Situation die Möglichkeit, um Hilfe zu bitten.
Kontrolliert werden kann diese Registrierung jedoch nur vom Ordnungsamt. Ich glaube nicht, dass in Bordellen viele solcher Kontrollen durchgeführt werden. In meiner Zeit im Appartement habe ich es einige Male erlebt, dass Verbindungsbeamte der Polizei sich vorgestellt haben und Visitenkarten verteilt und Hilfe angeboten, und dass Frauen von Beratungsstellen da waren. Das ist ein deutlich niedrigschwelligeres Angebot für Frauen in Not als es die Registrierungsstelle bietet. Alle Frauen, die nicht in offiziellen Bordellen arbeiten, und/ oder häufig den Standort wechseln, fallen durch das Netz dieser Maßnahmen.
Kunden sind nicht berechtigt, eine Sexarbeiterin nach ihrer Registrierung zu fragen. Bei offziellen Bordellen kann davon ausgegangen werden, dass diese angemeldet und die Frauen registriert sind. Im Escort-Bereich ist diese Kontrolle nicht gegeben. Wie stellt eine Kunde also fest, ob eine Frau dieser Tätigkeit freiwillig nachgeht?
Es gibt Menschenhandel und Zwangsprostitution, was Verbrechen sind, die entsprechend verfolgt und bestraft werden sollten. Dies macht aber nur einen sehr kleine Prozentsatz der Frauen in der Prostitution aus. Ein schwieriges Themen sind Frauen aus dem außereuropäischen Ausland (und Osteuropa), die kein Deutsch oder Englisch sprechen – sich hier also nicht verständigen können und auch häufig mit rechtlichen Aspekten nicht auskennen. Hier kann die oben genannte Registrierung helfen, aber viele arbeiten ohne Registrierung . Damit sind sie auf Vermittlungspersonen angewiesen, die sich um Einreise, Unterbringung und Vermittlung kümmern. Es gibt Vermittler, die das fair handeln, und solche, die die Unwissenheit der Frauen ausnutzen. Es mag auch immer wieder der Fall sein, dass die Frau zwar theoretisch weiß auf was sie sich einlässt, die Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten aber so beschönigt wurden, dass sie der Reise nach Deutschland unter falschen Annahmen zugestimmt hat und hier nicht klarkommt.
Falls ein Kunde bei einer Frau das Gefühl hat, dass sie in einer solchen Situation ist, ist es am sinnvollsten den Kontakt zu einer Beratungsstelle oder zur Polizei herzustellen. Viele Beratungsstellen verteilen Flyer (auch in anderen Sprachen), und es gibt Notrufnummern. So etwas wie ein ‚fairtrade“-Siegel, wie es mein Kunde angedacht hat, würde diesen Frauen nicht helfen, da sie wie beim ProstSchG durch Raster fallen würden.
Der Großteil der Frauen in Deutschland machen diese Arbeit freiwillig. Wie gerne sie ihn macht oder ob sie vielleicht lieber aussteigen würde oder zumindeste eine Auszeit bräuchte, steht auf einem anderen Blatt – da werde ich in einem Folgetext drüber schreiben. Theoretisch steht es jeder Frau frei, einfach jederzeit aufzustehen, sich anzuziehen und zu gehen, ohne dass sie jemand davon abhalten würde.
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