Letztes Jahr ist ein Buch erschienen, dass meiner Meinung nach einen wichtigen Beitrag zu den aktuellen Diskussionen über Sexarbeit in Deutschland leistet. Die Journalistin Catrin Altzschner, bekannt für einen Podcast über Sexualität und Beziehungen („Intimbereich“ bei 1Live/WDR) hat sich der Aufgabe angenommen, neutral verschiedene Sexarbeiter*innen zu Wort kommen zu lassen und so die unterschiedlichen Aspekte von Sexarbeit zu sammeln. Darüber hinaus macht sie sich eigene Gedanken zu Themen, die unser Denken über Sexarbeit und den Umgang damit beeinflussen können.
Zu Wort kommen einige Sexarbeiter*innen, die mir aus dem Umfeld des BesD (Berufsverband Sexarbeit e.V.) und/ oder von ihren Social Media Profilen vertraut sind, aber auch (teile ehemalige) Sexarbeiter*innen, die nicht im Licht der Öffentlichkeit stehen (wollen). Den Anfang macht Madame Kali, die ich sehr bewundere für ihren Einsatz für selbstbestimmte Sexarbeit. Auch Master Andre, ein bekannter Dominus und Escort aus Berlin, und Nina de Vries, die Vorreiterin im Bereich Sexualassistenz, kommen zu Wort. Darüber hinaus Personen, die sich weniger medienwirksam präsentieren und andere Aspekte von Sexarbeit beleuchten: Daria, die froh über ihren Ausstieg ist; Nicole und Sarah, die ihr Geld auf der Straße verdienen; Andrada, die es aus Rumänien in ein Bordell im Ruhrgebiet verschlagen hat, und Lena, die sich eine Zeit lang als Sugarbabe ausprobiert hat.
Catrin Altzschner geht darüber hinaus nicht so sehr auf den aktuellen politischen Streit zwischen Vereinen, die sich für das Nordische Modell einsetzen, und selbstbestimmten Sexarbeiter*innen (überwiegend vertreten durch den BesD), die für mehr gleichberechtigte Legalität kämpfen, ein, sondern beschäftigt sich stattdessen mit der Frage, welchen Einfluss andere gesellschaftliche Themen auf Sexarbeit haben. Sie spricht über privaten sexuellen Tauschhandel, Armut, den Heilige-Hure-Komplex, die Frage wie die Gesellschaft generell mit weiblicher Lust umgeht, über Menschenhandel und Pornografie. Dabei liefert sie viele neue Denkanstösse, ohne eigene Standpunkte überzubetonen.
Das Buch ist leicht zu lesen, ich hatte es in wenigen Stunden durch – und werde es garantiert noch häufiger zur Hand nehmen, um bestimmte Themen vertiefend zu reflektieren. Leseempfehlung für alle, die sich für Zusammenhänge und Vielfalt interessieren.
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