In den letzten Wochen habe ich immer wieder Schlafprobleme. Deswegen war ich froh, dass ich an diesem Abend um elf im Bett lag und auch relativ schnell einschlafen konnte. Umso mehr ärgerte ich mich, als mich um eins das Klingeln des Telefons weckte! Ja, ich sollte eigentlich in all den Jahren gelernt haben, es abends auszuschalten – vergesse es aber trotzdem regelmäßig. Als ich mich gerade nach dem Aufschrecken wieder einkuschelte, hallte der SMS-Ton der Mailbox durchs Zimmer. Jetzt war ich endgültig wach.
So kam es, dass ich nachts um eins über KM einen Termin für den nächsten Nachmittag absprach. Sein Argument, warum er ich so spät noch anrief: ich würde ja darauf bestehen, dass er den Termin einen Tag vorher vereinbart, am Morgen wäre also zu spät gewesen (nein, nachts um eins ist für mich nicht „einen Tag vorher“, um die Zeit habe ich meine Zeitplanung für den nächsten Tag längst fertig) und im übrigen würde ich ja noch als online angezeigt (ich logge mich nie aus, werde also fast durchgehend als online angezeigt).
Meine Standard-Ansage, wenn es um so kurzfristige Termine geht, ist: „Warum gehst du nicht lieber in ein Bordell, da kannst du auch ohne Termin hingehen.“, und ich bekam die übliche Standard-Antwort: „Die Frauen da fertigen einen alle nur schnell ab, das ist Geldverschwendung.“ Ich möchte deswegen hier ein wenig aus meiner Geschichte erzählen und eine Lanze für Bordelle brechen, ich habe nämlich auch schon in welchen gearbeitet (Privat-Club, Nachtclub und Appartement/ SM-Studio, von Laufhäusern und FKK-Clubs habe ich keine Ahnung).
Wenn ich in einem Bordell arbeite, habe ich einen ziemlich fixen Dienstplan. Ich komme zu einer bestimmten Zeit dort an. Dann nehme ich mir die Zeit, mich in Ruhe fertigzumachen, bin also immer frisch geduscht und rasiert, sexy angezogen und dezent geschminkt, und das Zimmer ist vorbereitet, um sofort mit einem Termin beginnen zu können. Dann sitze ich dort viele Stunden rum und schlage die Zeit tot, während ich mit Kunden warte; ich quatsche mit Kolleginnen, trinke zu viel Kaffee, surfe im Internet, lese vielleicht ein Buch. Ich freue mich über jeden Termin, da das heißt dass ich nicht umsonst Zeit verschwende.
Ich habe gerne in Bordellen gearbeitet, ich mochte die Atmosphäre und die Zusammenarbeit mit Kolleginnen. Damit aufgehört habe ich, weil es sich nur in Vollzeit lohnt, Sexarbeit in den letzten Jahren aber nicht mehr meine einzige Tätigkeit ist. Ganz damit aufhören möchte ich trotzdem nicht, da ich diese Arbeit immer noch sehr gerne mache und viele langjährige Stammgäste habe. Also versuche ich, Sexarbeit-Termine in meinen Alltag einzupassen. Dazu brauche ich im Normalfall etwas Vorlauf, da ich halt nicht automatisch da bin und auch nicht automatisch date-fertig und der Raum vorbereitet.
Bei spontanen Anfragen, gerade am Wochenende (unter der Woche ist es häufig entspannter), passiert jetzt folgendes: Ich muss spontan meinen ganzen Tag umplanen. In dem oben beschriebenen Fall sah das so aus: Bis ich nach dem Chat wieder einschlafen konnte, war es fast drei. Dafür hatte ich den Wecker eine Stunde eher gestellt – statt wie geplant 8-9 Stunden bekam ich nur noch knapp sieben Stunden Schlaf und war schon beim Aufstehen grummelig. Eigentlich war ich mit einer Freundin zu einem langen Ausritt verabredet, worauf ich mich sehr gefreut hatte; das sagte ich jetzt ab und ging stattdessen nur allein die übliche 40 Minuten-Standard-Runde mit meinem Pferd, um pünktlich zurück in der Wohnung zu sein. Dort angekommen war ich schlecht gelaunt durch die Enttäuschung und gestresst von der engen Zeit für Vorbereitungen. Ich kochte noch einen Kaffee und ging duschen, während ich überlegte, ob Rasur und Haare waschen wirklich nötig waren. Raum vorbereiten und los – ohne mir Gedanken über den Inhalt des Termins zu machen und mit dem Gefühl, dass jetzt „mal eben schnell“ zu machen, damit ich noch ein bisschen was vom Sonntag hätte.
Das soll jetzt nicht heißen, dass ich grundsätzlich ein Problem damit habe, sonntags Termine zu machen. Nur: wenn ich das vorher weiß, plane ich meinen freien Tag halt auf Samstag oder Montag, so dass er nicht ganz ausfällt. Umgeschmissene Planungen finde ich einfach immer frustrierend – lassen sich aber nicht vermeiden, denn manchmal macht das Geld einfach einen Unterschied für mich (im Moment sind es Steuerberater-Rechnungen, die meine Finanzen eng werden lassen).
Worauf ich eigentlich hinauswill mit diesem Text ist, dass Bordell-Termine nicht grundsätzlich schlechter sind als „private“ Verabredungen, und „private“ Verabredungen nicht unbedingt besser als Bordell-Termine. Theoretisch bin ich in beiden Szenarien gleich mit meinen Kunden umgegangen; praktisch war ich im Bordell sogar konzentrierter und besser vorbereitet als jetzt, wenn mein Alltag auch von anderen Dingen beansprucht wird. Unter diesen Voraussetzungen lief der Termin am Sonntag übrigens ziemlich gut – was beweist, wie gut ich bin in dem was ich mache.
Schreibe einen Kommentar