Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Monat: Dezember 2024

Frohes Neues Jahr

Nun ist also auch das Jahr 2024 vorbei. Viele Menschen sagen, dass es kein gutes Jahr war, vor allem wegen der politischen Themen des Jahres. Für mich war 2024 eher neutral und ein ruhiges Jahr. Es war ein Jahr ohne Veränderungen; ich habe die meisten Sachen einfach so weiterlaufen lassen wie sie schon Anfang des Jahres waren. Das war okay, aber ist natürlich nichts was ich ewig so fortsetzen kann.

Von Neujahrsvorsätzen halte ich nichts. Trotzdem freue ich mich darauf, im Jahr 2025 wieder aktiver zu werden: mehr zu schreiben, mehr zu planen, Dinge mehr anzugehen. Konkret endlich mal wieder meine Homepages zu überarbeiten und online zu stellen, was ich schon seit Jahren (seit Corona) vor mir herschiebe.

Ich wünsche allen einen guten Rutsch ins neue Jahr und einen guten Start ins Jahr 2025!

Sexarbeit und Dating

Manchmal werde ich von Kunden gefragt, ob ich eigentlich verheiratet bin oder in einer Beziehung lebe. Ich muss zugeben, dass ich es bei der Beantwortung dieser Frage häufig mit der Antwort nicht so genau nehme, sondern das erzähle, was sich gerade passend anhört.

Manche Männer vertreten die Auffassung, dass kein Mann es ertragen würde, eine Sexarbeiterin als Partnerin zu haben. Das erlebe ich anders. Viele Kolleginnen sind verheiratet und würden ihre Ehen wohl auch als monogam bezeichnen, da sie Sexarbeit halt einfach als ihren Job sehen. Ich habe jahrelang in glücklichen Beziehungen gelebt, in denen meine Arbeit kein großes Thema war. Ich konnte erzählen, wie mein Tag so lief, was mir Spass gemacht hat und was mich geärgert hat, und mein Partner konnte zuhören ohne eifersüchtig zu werden.

Grundsätzlich kann ich mir nicht mehr vorstellen, monogam zu leben. Da liegen aber Ursache und Wirkung umgekehrt: Ich mache Sexarbeit, weil ich nicht-monogam denken und fühlen kann und einen differenzierten Blick auf Sex und Sexualität habe. Ich würde auch niemandem Monogamie versprechen, wenn ich keine Sexarbeit mehr machen würde. In den letzten Jahren hatte ich zwei Begegnungen mit Männern, die da nicht gut mit umgehen konnten. Sie versuchten dann eine Zeit lang, meine Arbeit zu ignorieren, um sie mir schlussendlich zum Vorwurf zu machen.

Wann ich von meiner Arbeit erzähle, ist sehr unterschiedlich, und ich entscheide es situativ. Manchmal ist es schon ziemlich am Anfang Thema, manchmal möchte ich aber auch, dass mein Gegenüber erst andere Aspekte von mir kennenlernt. Wie die meisten Frauen werde auch ich nicht gerne auf meine Sexualität reduziert, und wenn meine Arbeit zum Hauptthema wird passiert das schnell. Manchmal habe ich auch Dates und merke relativ schnell, dass es nicht passt – dann brauche ich mich auch nicht soweit öffnen davon zu erzählen. Wenn ich feststelle, dass ich jemanden gerne regelmäßig sehen würde, erzähle ich von meiner Arbeit und führe gleichzeitig ein Gespräch über Non-Monogamie und Safer Sex. Ich kann verstehen, wenn jemand das nicht in seinem Leben möchte – dann bin ich halt einfach nicht die Richtige für ihn.

Frohe Weihnachten

Ich wünsche Dir ein frohes Weihnachtsfest, ein paar Tage volle Gemütlichkeit, mit viel Zeit zum Ausruhen und Genießen, zum Kräfte sammeln für ein neues Jahr. Ein Jahr ohne Seelenschmerzen, ein Jahr ohne Sorgen, mit so viel Erfolg, wie man braucht, um zufrieden zu sein, und nur so viel Stress, wie vertragen wird, um gesund zu bleiben, mit so wenig Ärger wie möglich und so viel Freude wie nötig, um 365 Tage lang rundherum glücklich zu sein.

Ich möchte mich wie jedes Jahr zu dieser Zeit bei all meinen Kunden bedanken für ein Jahr voll schöner Begegnungen und vor allen Dingen für die häufig schon lange Jahre andauernden Kontakte.

Ich wünsche allen besinnliche Weihnachtstage und einen ruhigen Übergang ins neue Jahr und freue mich auf viele schöne Begegnungen in 2025!


P.S. Ich bin vom 26.-30.12. und ab dem 2.1. für Dates erreichbar.

Kondom-Diskussionen

Etwas, das eigentlich selbstverständlich sein sollte und doch immer wieder Thema ist: Kondome. Die meisten Männer sind zu schlau, um direkt nach AO zu fragen und sich dafür einen Korb einzufangen – aber immer wieder wird es im Termin versucht, mehr oder weniger subtil.

Vor ein paar Wochen hatte ich es ganz krass: Wir waren schon ausgezogen, als er fragte: „Wie häufig lässt du dich eigentlich testen?“ Ich beantwortete die Frage (alle 3 Monate), schob aber gleich hinterher, dass Safer Sex natürlich trotzdem obligatorisch ist. Trotzdem versuchte er mehrfach, mich auf den Rücken zu legen und ohne in mich einzudringen, und wenn ich ihn zurückschob und nach einem Kondom griff, wehrte er das ab mit: „Noch nicht, ich will mich nur ein bisschen an ihm reiben.“ Im Nachhinein betrachtet hätte ich den Termin spätestens beim zweiten Versuch abbrechen und ihn nach Hause schicken sollen.

Irritierender ist es für mich, wenn mir so etwas mit Kunden passiert, die ich schon kenne und mit denen ich mich eigentlich sicher fühle. Irgendwann liege ich dann auf dem Rücken, er über mir, und ich merke wie er mich immer weiter in die Matte drückt und sich immer weiter zwischen meine Beine schiebt, bis ich mit den Oberschenkeln dagegenhalte. Privat ist das ein Spiel, dass ich durchaus genießen kann – bei einem Paydate macht es mich nur sauer und traurig. Schon dieses „nur ein bisschen Reiben“ kann eine Reihe von Krankheiten übertragen, und ich fühle mich durch solche Versuche disrespektiert. Streng genommen ist bei sowas der Konsens für die ganze Begegnung hinfällig.

Umgekehrt kann mich jemand richtig beeindrucken, wenn ich im Termin merke, dass er mitdenkt wenn es um Safer Sex geht. Ich sehe es zwar als meine Aufgabe, das im Auge zu behalten und mich rechtzeitig zu kümmern. Es macht jedoch einfach Spass, wenn ich mich entspannen kann und nicht ständig vorsichtig sein muss, sondern weiss dass ich mich darauf verlassen kann.

Der Leuchtfeuer-Teddy

Jetzt im Advent steht mitten in der Wandelhalle des Hamburger Hauptbahnhofs wieder ein Tisch voller kleiner Teddybären. Jedes Jahr sehen sie etwas anders aus und doch immer ähnlich: etwa zehn Zentimeter hoch, mit plüschig-weichem Fell und einer roten Schleife um den Hals.

Auf der Schleife steht „Hamburg Leuchtfeuer“, und unter eine Tatze des Teddys ist eine Aids-Schleife gestickt.

„Hamburg Leuchtfeuer“ ist ein Verein, der in Hamburg ein Hospitz betreibt, in der Trauerbegleitung aktiv ist – und sich um HIV-Infizierte und Aids-Kranke kümmert.

In meinem Leben hält sich die Angst vor Aids in Grenzen. Safer Sex gilt sowieso, auch wegen vieler anderer sexuell übertragbarer Krankheiten. Es gibt Krankheiten, die mir viel weniger kontrollierbar erscheinen, allen voran Krebs, aber auch leichter übertragbare Infektionskrankheiten.

Trotzdem kaufe ich jedes Jahr einen Leuchtfeuer-Teddy, und diese Sammlung hat einen besonderen Platz in meiner Wohnung. Für mich sind sie eine Mahnung, mich nicht zu sicher zu fühlen, und ein Aufruf zu Mitgefühl und Toleranz.

(Re-Post vom 07.12.15)

Update und Re-Start

In letzter Zeit bin ich immer wieder mal gefragt worden, ob bei mir alles in Ordnung ist, da ich ja keine Blog-Texte mehr schreibe. Erst mal: Vielen Dank an alle, die regelmäßig meinen Blog lesen und an mich denken!

Mein letzter Beitrag war am 1. Oktober, also vor über zwei Monaten. Oktober war dann ein sehr voller Monat bei mir, irgendwann bin ich nicht mal mehr dazu gekommen den Computer überhaupt hochzufahren. Anfang November hatte ich dann den Super-GAU eines jeden Selbständigen: Mein Telefon funktionierte plötzlich nicht mehr und ich musste die Nummer wechseln.

Zwischendrin habe ich mich auch mal gefragt, ob Blog schreiben überhaupt noch Sinn macht und zeitgemäß ist. Um längere Texte zu schreiben, muss ich den Laptop hochfahren, das kann ich nicht mal eben so nebenbei machen. Fast alle anderen Dinge in meinem Leben mache ich mittlerweile am Handy. Und während ich früher viel bei Facebook unterwegs war und es auch genossen habe, längere Texte zu lesen, bin ich in den letzten Monaten mehr und mehr der Faszination von TikTok verfallen und finde Videos schneller und unterhaltsamer.

Da ich mich jedoch nicht gerne vor der Kamera sehe (zumindest nicht wenn es um Sexarbeit geht), habe ich mich entschieden doch wieder zu schreiben. Schreiben war schon immer mein Weg mich auszudrücken und wird es wohl auch noch eine ganz Weile bleiben.