Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Monat: Januar 2022 (Seite 2 von 2)

Bildband „Sex-Workers“

Sexarbeit wird von den meisten Menschen immer noch als Nischenthema betrachtet, und so führen viele Bücher und Filme über dieses Thema eher ein Randdasein. So ergeht es auch dem Bildband, der vor kurzem bei mir angekommen ist – völlig zu Unrecht! 

Der Fotograf Tim Oehler hat einen großformatigen BIldband erstellt mit Fotos von Sexarbeiter*innen. Mit dem Untertitel „Das ganz normale Leben“ und dem Motto „Urteile nicht über ein Leben, das du nicht selbst gelebt hast.“ zeigt er Sexarbeiter*innen sowohl bei ihrer Arbeit als auch in ihrem Privatleben. Unterstützt wird das ganze von kurzen Statements der Sexarbeiter*innen über ihre Arbeit und ihr Selbstbild. 

Leider ist der Bildband mit 69 Euro ziemlich teuer. Das ist er aber bei der hochwertigen Ausführung und der Qualität der Bilder definitiv wert. 

Erste Eindrücke und mehr Infos gibt es hier: www.sex-workers.de

(Re-Post vom 23.06.21)

Faire Leistung

Manchmal kommt es vor, dass ein Kunde einen Termin mit einer Sexarbeiterin bucht und danach enttäuscht ist. Dann ist es immer einfach, das auf die Sexarbeiterin zu schieben und zu sagen, sie habe nicht die versprochene Leistung erbracht. Manchmal kann das durchaus der Fall sein; ein Kunde fragt nach einer bestimmten Technik oder einem Fetisch, und die Anbieterin sagt vorher zu, lehnt es aber im Termin selber ab. Ebenso unfair finde ich es, wenn veraltete (oder gar ganz falsche oder sehr stark bearbeitete) Bilder in Anzeigen genutzt werden und die Frau, die der Kunde trifft, nicht viel mit der Frau auf den Bildern gemein hat.

Andererseits ist es aber so, dass auch Sexarbeiterinnen nur Menschen sind. Sie haben gute und schlechte Tage, können sich mehr oder weniger gut auf einen Kunden einstellen, kämpfen auch mal mit körperlichen Themen. Vieles ist auch eine Frage der Chemie.

Wenn der Funke einfach nicht überspringt, kann ich als Sexarbeiterin auf meine Erfahrung zurückgreifen und da trotzdem ein angenehmes Erlebnis draus machen, wenn der Kunde bereit ist, mir die Führung zu überlassen. Es wird aber dann trotzdem nicht viel mehr als mittelmäßig sein. Vielleicht, weil der Kunde mich aufgrund meiner Anzeigen falsch eingeschätzt hat. Vielleicht lässt sich auch kein klarer Grund dafür benennen.

Die meisten Kunden träumen von einem idealen Erlebnis: Sex, der genau ihre Vorstellungen erfüllt. Ohne Peinlichkeiten, ohne Tabus, ohne körperliche Einschränkungen. Die Erfüllung von Vorlieben und Fetischen. Eine wortlose Verständigung mit der Anbieterin. Das Gefühl, dass auch die Frau große Lust empfindet.

Lust ist aber etwas, das sich nicht befehlen lässt. Ich kann die Voraussetzungen dafür schaffen, indem ich z.B. nicht erschöpft und übermüdet bin. Trotzdem gibt es Tage, an denen mein Körper eher träge reagiert. Dann kann ich Nähe genießen, Berührungen als angenehm empfinden, mich beim Sex von der Lust meines Gegenübers mittragen lassen – aber Orgasmen höchstens vorspielen.

Zugewandtheit, Zärtlichkeit, Aufmerksamkeit, Nähe – all das ist ist eine Frage der Einstellung und Übung. Aber Lust und Begehren lässt sich nicht herbeizitieren. Je mehr ich mich vom Kunden unter Druck gesetzt fühle und er unbedingt eine bestimmte Reaktion bei mir erzeugen möchte, desto unangenehmer wird es. Für Lust kann man Voraussetzungen schaffen und sie einladen – das gilt für beide Seiten.

Es gibt auch immer wieder Kunden, die von sich selbst zu viel erwarten und dann enttäuscht sind, wenn der Körper nicht so reagiert wie gewünscht. Es ist dann einfach, dass auf die Frau zu schieben – sie war halt nicht geil genug oder hat etwas nicht genau richtig gemacht. Das ist nicht nur der Frau gegenüber unfair, sondern man negiert damit die eigenen Empfindungen und trennt sich von seinem Körper – und es wird mit jedem Mal schwieriger werden, Zugang zum eigenen Körper und der eigenen Lust zu finden.

Vergessen wir also einfach nicht, dass Sex nicht nach Drehbuch passiert, sondern zwischen zwei realen Menschen, mit all ihren Empfindungen, Erwartungen und Schwächen. Dann können sich wunderschöne Begegnungen ergeben, die vielleicht ganz anders sind als geplant.

Lusthaus-Forum

Freier-Foren im Internet haben einen extrem schlechten Ruf. Viele Prostitutonsgegner nutzen den rauen Ton solcher Foren, um für ein Verbot von Prostitution zu werben. Sie betrachten diese als frauenverachtend und untermauern das mit den abwertenden Beiträgen in solchen Foren.

Auch über mich gab es schon Beiträge, die mich alles andere als erfreut haben, und so habe ich es in den letzten Jahren vermieden, meinen Namen zu googeln oder solche Seiten zu besuchen. Vor ein paar Tagen siegte jedoch meine Neugier; angeregt durch einen Verweis aus dem Anti-Prostitutions-Lager habe ich das Lusthaus-Forum aufgerufen, um mir anzusehen, wie schlimm es denn wirklich ist.

Ich war überrascht – ich fand es nicht so schlimm. Ich habe eine handvoll Berichte über einige Frauen gelesen. Einige waren sehr positiv, andere sachlich, in einigen wurden Warnungen ausgesprochen, dass bestimmte Frauen keinen ehrlichen Service bieten würden. Der Ton war sachlich, und abgesehen von dem unschönen Begriff AZF (nein, das schreibe ich hier nicht aus, um es zu erklären) habe ich nichts gefunden, was ich als unfair oder unter der Gürtellinie betrachtet hätte. Im Gegenteil, viele Berichte waren durch ihre Ausführlichkeit sachlicher, als ich es sonst von Bewertungen im Internet gewohnt bin.

Die Seite hat sich auf die Fahne geschrieben, dass sie nichts zensiert. Demnach gibt es dort viel Pornografie in Wort und Bild – und Diskussionen über AO. Ich war erstaunt darüber, dass es dafür wohl doch eine nicht ganz kleine Szene gibt, sowohl mit Kunden die das nachfragen bzw erwarten als auch von Frauen die das anbieten (inklusive oder als Extra-Service). Ich war immer nur in Häusern unterwegs, in denen das ein absolutes Tabu war. (Seit dem Prostitutionsschutzgesetz von 2017 ist es darüber hinaus illegal.) Ja, es sind alles erwachsene Menschen, die selber wissen müssen, welche Risiken sie eingehen wollen – aber ich werde da auch in Zukunft einen großen Bogen drum machen, und schon die Frage danach bringt jemanden auf meine „Schwarze Liste“.

Insgesamt gilt für dieses Forum dasselbe wie für die meisten Werbeportale für Sexarbeiterinnen: Ich fühle mich dort nicht mehr richtig zugehörig. Meine Arbeit lässt sich nicht (mehr) in die Standards der Szene pressen, und darüber bin ich froh – auch wenn es das Marketing schwierig macht.


Generelle Gedanken zum Thema Bewertungen und Berichte findest Du in meinem Beitrag vom 21.10.21:

http://blog.traumfrau-mit-nebenwirkungen.com/gedanken/bewertungen-und-berichte/

Kommunikation

Vor kurzem sprach mich ein Stammgast darauf an, dass es für mein Marketing vielleicht besser wäre, wenn ich WhatsApp installieren und zusätzlich auf meiner Homepage eine eMail-Adresse angeben würde. Seine Begründung war, dass „gerade für den ersten Kontakt ein schriftliches Beschnuppern besser ist als wenn man direkt telefoniert. Das kann man ja immer noch machen, wenn ein Termin konkret wird.“

Ich muss zugeben, dass es auch mir bei Erstkontakten manchmal leichter fällt, eine Mail zu schreiben, statt direkt anzurufen. Und für kurze Terminvereinbarungen o.ä. nutze ich privat durchaus gerne WhatsApp. Im Moment nutze ich meine eigene Webseite jedoch kaum bzw sie hat keinen Inhalt, so gut wie alle meiner Kunden kommen über kaufmich.com. Dort gibt es eine Mail-Funktion, die eine längere, nicht so dringende Anfrage ermöglicht und damit gut eine eMail ersetzen kann. Bei eMail ist die Gefahr immer relativ groß, dass etwas im Spam-Ordner landet oder anderweitig übersehen wird.

Viele Menschen sind mittlerweile daran gewöhnt, dass alle Kontaktmöglichkeiten auf dem Smartphone landen und demnach sofort gelesen werden. Gerade bei eMail ist das aber nicht der Fall (und bei Kontakten auf kaufmich.com auch nicht), so dass eine Antwort einige Stunden dauern kann und sich ein Kontakt ganz schön in die Länge zieht. Wenn es um Terminvereinbarungen geht, bin ich also eher für einen kurzen Anruf oder eine SMS.

Warum SMS und kein WhatsApp? Zum einen aus rein praktischen Gründen: Im Moment nutze ich ein kleines Handy, nicht mal halb so groß wie ein Smartphone, das nicht viel mehr kann als Telefonieren und (kurze) SMS. Es hat keine Internet-Verbindung, keine Apps, und wird mit einer Prepaid-Karte betrieben (ohne Datennutzung). Dieses Telefon passt immer in meine Hosentasche und der Empfang funktioniert häufig auch noch da, wo an Internetverbindung nicht zu denken ist. Ein großes Smartphone würde ich wohl viel häufiger im Auto oder im Spind liegen lassen (wie ich es mit meinem privaten häufig tue).

Ich weiß nicht, was der oben erwähnte Kunde unter „erstes Beschnuppern“ versteht – ich gehe davon aus, dass ein potentieller Kunde mein Profil gelesen hat und demnach einen ersten Eindruck. Vielleicht sind noch Fragen offen geblieben, oder er möchte mir seine Vorstellung von einem Date schildern – das gerne per eMail oder Anruf.

Bei WhatsApp herrscht aber bei vielen Nutzern eine Chat-Kultur. Ein (erster) Kontakt sieht dann häufig so aus: „Hey“ – „Hej“ – „Wie geht’s?“ – „Gut, danke.“ – „Was machst du so?“ Fragezeichen auf meiner Seite – will er jetzt meinen Service wissen, oder fragt er was ich jetzt gerade mache? Ersterer steht im Profil, zweites geht ihn nichts an. Worauf ich hinaus will: Ich habe noch nie eine Anfrage gehabt, aus der sich dann wirklich ein Termin ergeben hat, die mit so einem Chat-„Beschnuppern“ begann. Demnach ist mir da einfach meine Zeit zu schade für!

Auch mit Stammkunden hatte ich dieses Problem schon. Ich freue mich über kurze Nachrichten, um den Kontakt zwischen Terminen zu halten, wie jetzt gerade Nachrichten, die mir ein „Frohes neues Jahr“ wünschen. Ich stehe aber nicht auf lustige Bildchen und Sprüche, und ich möchte auch nicht jeden Tag „Guten Morgen, Wie geht’s dir, Was machst du, Gute Nacht“ schreiben. Wenn Nachrichten über Mail und SMS laufen, hält sich das meist automatisch im Rahmen. Bei WhatsApp artet es schnell aus.

Last but not least: Ich habe einen relativ hohen Prozentsatz an Anfragen, die über Mail kommen, teilweise mit festen Terminanfragen, die im Sande verlaufe, wenn ich um eine Terminbestätigung per Telefon bitte. Die Wahrscheinlichkeit, dass mich so jemand beim Termin versetzt hätte, ist also ziemlich hoch. Dazu kommt bei mir ein Sicherheitsgedanke: Eine Telefonnummer lässt sich im Notfall zurückverfolgen, eine Mail-Adresse nicht. Das ist den meisten bewusst und sie verhalten sich entsprechend.

Fazit: Wenn ich meine Homepage überarbeitet habe, wird es wohl auch eine eMail-Adresse geben. Auf WhatsApp u.ä. werde ich aber auch in Zukunft verzichten und im Normalfall immer auf ein kurzes Telefonat bestehen. Damit fühle ich mich einfach sicherer.

Frohes Neues Jahr

Hoffnung. Was für ein Geschenk! 365 unbeschriebene Tage, an denen alles möglich ist. 8760 Stunden Hoffnung, Veränderung, Entwicklung und Wachstum. Kein Wunder, sondern das Leben in seiner schönsten, natürlichen Form. Es findet immer einen Weg. Vertraue darauf. Das Leben hat es verdient.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen hoffnungsvollen Start in das Jahr 2022!

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