Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Monat: Januar 2025

Einzelwohnung = Privatwohnung?

Kaufmich unterscheidet seit einiger Zeit bei den Treffpunkten nicht mehr nur nach „beim Escort“, sondern nach „Escort Einzelwohnung“ und „“Escort WG“ (neben Haus- und Hotelbesuchen bzw anderen Treffpunkten). Bei „Escort WG“ muss ich sofort an die in Hamburg üblichen Appartements denken, bei denen sich Sexarbeiterinnen wochenweise einmieten. Selbst ein Zimmer in einem Laufhaus kann theoretisch als „Einzelwohnung“ bezeichnet werden, schließlich ist man in dem abgeschlossenen Bereich allein. Das wird aber nicht das sein, was Kunden bei diesen Begriffen erwarten.

Schon seit vielen Jahren wird mir immer wieder gesagt, dass eine Privatwohnung eigentlich der Traum aller Kunden ist – halt das Gefühl, eine heimliche Geliebte zu besuchen und nicht nur eine Sexarbeiterin. Bei meiner Wohnung handelt es sich eindeutig um eine Privatwohnung; sie entspricht aber nur bedingt diesen Vorstellungen. Ich habe mein Zimmer sehr bewusst für erotische Dates eingerichtet, mit einer vielseitigen Spielwiese auf dem Boden, viel Platz drumherum und allem Zubehör in Reichweite. Vor kurzem hat ein Kunde einen Termin bei mir abgelehnt, als ich ihm das erklärte; er erwartete eine Wohnung, in der sofort offensichtlich ist, dass ich dort wohne – was ich vermeide. Das zweite Zimmer ist mein Privatbereich und nicht zugänglich, und ich habe auch nicht das Bad mit meinen Kosmetika vollgestellt oder lasse meine Kunden im Flur über Schuhe, Jacken und Taschen stolpern.

Ich biete eine diskrete, persönliche Umgebung, bin aber eindeutig professionell in dem was ich mache, und sehr individuell in der Art meine Räume zu gestalten. Fun Fact: Ich mag keine Betten, weder für Sex noch zum Schlafen, sie sind mir fast immer zu weich. Die Umgebung, die ich für mich perfekt finde, werden die meisten Menschen nur begrenzt als einladend empfinden, da sie so gar nicht dem klassichen Bild einer Wohnung entspricht.

Haus- und Hotelbesuche

Immer wieder mal werde ich gefragt, ob ich keine Haus- oder Hotelbesuche anbiete. Die meiste Zeit lehne ich das ab. Der Hauptgrund ist, dass ich ein Zimmer habe, das perfekt auf meine Bedürfnisse und meine Art von Spiel eingerichtet ist – warum soll ich mich dann mit zu weichen Betten, falschem Licht, zu kalten Räumen etc quälen?

Wege gehen immer in beide Richtungen. Ich habe schon Anfragen gehabt, die über eine Stunde Anfahrt bedeutet hätten – so einen Termin kann kaum eine Dienstleisterin noch profitabel gestalten, wenn der Termin nicht mindestens den ganzen Abend oder über Nacht geht. Dazu kommt, dass ich kein Auto habe und nicht „mal eben“ irgendwo hinfahren kann, und deswegen meinen Bewegungsradius meist auf Hamburg beschränke.

Viele Anfragen nach Haus- und Hotelbesuchen sind spontan, wenn ein Mann gerade abends Langeweile hat und spontan Lust auf ein Date bekommt. Spontanität liegt mir eh nicht, und wenn ich dann sage, dass ich locker 1-2 Stunden brauche, mit fertigmachen und Fahrzeit, ist die Gefahr dann versetzt zu werden relativ groß – was um so ärgerlicher ist je mehr Aufwand ich investiert habe.

Zu Beginn meiner Karriere habe ich eine handvoll Hausbesuche gemacht und mich dabei nie richtig wohl gefühlt. In den eigenen vier Wänden verhalten sich die meisten Menschen anders, der Heimvorteil verschiebt das Machtgefälle, auch ohne böse Absicht. Da kommen dann viel schneller Diskussionen auf a la „kannst du nicht doch ausnahmsweise“, und ich fühle mich nicht sicher.

Hotels sind neutraler Boden, und ab und zu biete ich Hotelbesuche an, wenn sie angefragt werden. Meine Konditionen dafür sind eine Mindestbuchungsdauer von 2 Stunden plus Fahrtgeld (zusammen 400 Euro), Vorlaufzeit von mindestens 2 Tagen, und das Hotel muss im Großbereich Hamburg sein. Den meisten Männern ist das zu teuer und/ oder zu aufwendig bzw es gibt Frauen, die das zu günstigeren Konditionen anbieten.

Begriffe

Wenn ich von meiner Arbeit spreche, nutze ich den Begriff Sexarbeit. Kürzlich frage mich mal wieder jemand, warum ich Sexarbeit sage und nicht Prostitution. Dafür gibt es zwei Gründe:

Sexarbeit ist für mich der breitere Begriff. Wenn ich Prostitution sage, meine ich ganz klassische Services: GV, OV, AV, Küssen, Schmusen etc – das was unter „zärtlicher Bereich/ Girlfriendsex“ fällt, oder im englischen „full service spicy worker“ genannt wird. Sexarbeit ist aber viel mehr, darunter fallen auch der komplette Bizzar-Bereich (dominant, devot, fetisch), Tantra-Massagen, Sexualassistenz, u.a., sowie Dinge wie Pornographie, Web-Cams u.ä.

Der zweite Grund ist politisch. Als Prosituierte anfingen, sich politisch zu engagieren, gegen ihre soziale Ächtung angingen und anfingen Rechte einzufordern, nutzten sie den Begriff Sexarbeiterin im Gegensatz zu Prostituierte, um klar zu machen, dass sie dieser Tätigkeit freiweillig und als selbstgewählte Arbeit nachgingen und weder Opfer noch moralisch verkommen waren (oder psychisch krank, wie es moderner gerne unterstellt wird).

Generell ist mein Selbstbild ein anderes, wenn ich Sexarbeiterin bin und nicht nur Prostituierte. Der Begriff Prostituierte ist immer noch mit Scham und Abwertung verbunden, wohingegen Sexarbeiterin kraftvoll und selbstbestimmt klingen kann.