Blog von Tina, Sexarbeiterin aus Hamburg

Monat: März 2019

Respekt und Fairness

Dies ist eine Kopie, der Text wurde ursprünglich veröffenlicht auf meinem Profil „TraumfrauHH“ bei kaufmich.com.


Das erste, was eine Frau in diesem Job lernt, ist, dass Termine häufig nicht eingehalten werden. Egal wie kurz- oder langfristig Termine gemacht werden, häufig sitzt man alleine da und wartet umsonst. Manchmal versuchen wir, uns davor zu schützen ,indem wir z.B. eine Bestätigung 1-2 Stunden vorher verlangen – aber selbst das hilft nicht immer. Ich habe mittlerweile ein einigermaßen gutes Gespür dafür, wie ernst eine Anfrage gemeint ist. Trotzdem muss ich das Risiko regelmäßig eingehen und verschwende immer wieder Zeit mit sowas.

In den letzten Wochen hatte ich zwei Erlebnisse, die in diesem Zusammenhang so krass unterschiedlich waren, dass ich sie jetzt nacheinander erzählen möchte. Ich beginne mit dem negativen, denn es war auch zeitlich als erstes.

Montagvormittag schellt mein Telefon. Wir vereinbaren einen Termin für Dienstag 13:00. Alles ist klar und besprochen, als er noch was nachfragt. Ich erkäre höglich, was funktioniert und was nicht (es ging nicht um meine Grenze, sondern eher um Technik), merkte aber, dass ihm meine Antwort nicht gefällt und er sich etwas anderes erhofft hatte. Ich rechne also schon halb mit einer Absage. Diese kommt dann auch am Abend per SMS. Ich zucke mit den Schultern und streiche den Termin wieder.

Montagabend wird es spät, so dass ich Dienstagmorgen verschlafe und mit meinem Vormittagsprogramm hinterherhinke. Ist ja nicht schlimm, ich hab ja keine Termine, fahr ich halt später ins Appartement. Um elf schellt mein Telefon, der Typ von gestern: Bei ihm hätte sich kurzfristig was geändert, ob ich nicht doch um eins könnte? Ich knirsche mit den Zähnen, überlege kurz hin und her, schmeiße meine komplette Tagesplanung über den Haufen und sage zu. Mache mich auf den Weg ins Appartement, um in Ruhe den Raum vorzubereiten, mich umzuziehen und zu schminken, den Termin gedanklich noch mal zu planen. Dann warte ich… bis 13:00… bis 13:10… bis 13:20… Als ich versuche ihn zurückzurufen, ist sein Telefon ausgeschaltet. Mich hat dieses „Spiel“ mal eben zwei Stunden gekostet und mir mehr als den halben Tag die Möglichkeit genommen, andere Termine anzunehmen.

Sprung zu einer Woche später, wieder Dienstag. Um 11:00 habe ich einen Termin mit einem Kuden, der vor einigen Monaten schon mal bei mir war und den ich in angenehmer Erinnerung habe. Den Termin haben wir vor fast drei Wochen vereinbart, aber da ich ihn schon kenne und als sehr zuverlässig erlebt habe, habe ich nicht auf eine nochmalige Bestätigung bestanden. Doch wieder wird es 11:20 und niemand kommt. Diesmal zucke ich nur mit den Schultern, eher verwirrt als verärgert. Ich schreibe ihm eine kurze Nachricht: „Eine Absage hätte ich nett gefunden, dann hätte ich den Tag anders planen können.“, und wende mich anderen Dingen zu.

Keine Stunde später habe ich eine Antwort: Es tut ihm total leid, er hat die Tage durcheinander gebracht und wollte eigentlich einen Termin für Mittwoch. Er würde mir ein Ausfallgeld zahlen, und ob ich vielleicht morgen um 11:00 Zeit hätte? Ich bin versöhnt und sage zu. Am nächsten Tag bin ich also wieder kurz nach zehn im Appartement, bereite alles vor, mache mich fertig. Parallel schreibe ich mit ihm: Ob ich noch mal die Adresse schreiben könne. Er hat die falsche S-Bahn genommen, kommt später. Um so weiter…

Im Endeffekt steht er kurz vor zwölf vor meiner Tür, völlig abgehetzt und genervt, und sagt dass er jetzt eigentlich keine Zeit mehr hat und auch nicht in Stimmung ist. Ich will ihn wenigstens auf einen Kaffee hineinbitte, damit er wieder runterkommen kann, doch er lehnt ab. Er drückt mir 200 Euro in die Hand, für die vertanen Vormittage, und geht wieder. Ich stehe etwas verdattert da; freue mich über das Geld, das ich gerade echt dringend brauche, und fühle mich doch komisch dabei.

Das waren jetzt zwei extreme Enden des Spektrumsm wie Männer mit Frauen in meinem Beruf umgehen. Das erste passiert leider deutlich häufiger als das zweite, und manchmal bin ich von diesem abwertenden, respektlosen Verhalten so genervt, dass ich am liebsten alles hinschmeißen würde. Aber dann gibt es wieder nette Kunden, die meine Motivation anheben.

Wie präsent darf Sexarbeit sein?

Dies ist eine Kopie, der Text wurde ursprünglich veröffenlicht auf meinem Profil „TraumfrauHH“ bei kaufmich.com.


Hamburg ist eine Stadt, die u.a. für Reeperbahn und Herbertstraße bekannt ist und in der Prositution demnach irgendwie zum Lokalkolorit gehört, zumindest für Touristen. Doch wie präsent darf Sexarbeit sein, abseits von Geschichten voll Rotlicht-Romantik?

Wenn ich in der Stadt unterwegs bin, sehe ich immer wieder Plakatwände mit Werbung für eine große Sexarbeiter-Plattform oder für einzelne große Saunaclubs und Laufhäuser. Vielleicht fallen sie mir mehr auf als den meisten Menschen (wir sind alle so mit Werbung überschüttet, dass wir nur noch einen Bruchteil davon wahrnehmen), aber sehen kann diese Plakate (und ähnliches) jeder – auch Kinder, Jugendliche, Menschen die Prostitution für sittenwidrig, frauenfeindlich und kriminell halten…

Eine Mitarbeiterin einer Sexarbeiter-Plattform erzählte von Ärger mit ihren Nachbarn, da ihr Auto mit Werbung bedruckt war. Wir haben natürlich ausgiebig über die Prüderie der Nachbarn gelacht. Ich bin auch weiterhin der Meinung, dass dieses Verhalten intolerant und falsch ist.

Trotzdem fühle ich mich mit den großen Plakatwänden und der zunehmenden Präsenz und Normalität von Sexarbeit nicht wohl. Es ist eine individuelle Entscheidung einer jeden Frau, diese Arbeit zu machen, und jedes Mannes, diese Dienste in Anspruch zu nehmen. Sexualität bleibt etwas Privates und Intimes – auch davon lebt der Reiz des Rotlichts, diese Mischung aus Verruchtheit und Verletzlichkeit…

Ich finde nicht, dass Sexualität ein Thema ist, mit dem alle und jeder zu jederzeit konfrontiert werden sollten, und käuflicher Sex erst recht nicht. Jeder Mensch hat ein Recht auf seine eigenen Werte und Moralvorstellungen. Ich erhebe für mich den Anspruch, dass mein Verhalten toleriert wird. Da finde ich von meiner Seite ein gewisses Maß an Diskretion angebracht – und würde mir das auch vom Rest der Branche wünschen.